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Linda Ronstadt: Sie kann alles singen

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Offenbach irgendwann im Jahre 1978. In der dortigen Stadthalle geht es laut zu, verdammt laut. Nie zuvor und danach habe ich ein lauteres Konzert erlebt. Auf der Bühne eine brünette Sängerin aus Tucson, Arizona mit einer fantastischen Band. Okay, es ist laut bis zur Schmerzgrenze aber nicht unangenehm, nicht verzerrt. Jedes Instrument ist gut zu hören und auch der Gesang.

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Und dann auf einmal wird es ruhig, fast intim, man könnte die berühmte Strecknadel fallen hören. Die Sängerin trägt eine Ballade von unglücklicher Liebe vor. Der Besucher fühlt sich persönlich angesprochen, empfindet Mitleid, möchte Trost spenden, denn sie interpretiert das Lied so als ob sie ihre eigene Geschichte erzählt.

Und dann wird es wieder rockig und laut wenn „Poor Poor Pitiful Me“ abgeht. Linda Ronstadt ist in ihrem Element und verschafft nicht nur mir ein unvergessenes Konzert-Erlebnis.

Wie lange ist sie eigentlich schon im Geschäft? Was hat sie für phänomenale Erfolge gehabt! Gibt es eine Musikrichtung, die sie nicht singen kann? Das, was man bisher von ihr zu hören bekam, hatte nicht nur durchweg Klasse sondern war in der Regel auch erfolgreich. Ich kenne keine Sängerin in der Unterhaltungsmusik, die derartig vielseitig ist, was den Gesang betrifft. Dabei setzt sie ihre Stimme wie ein kostbares Instrument ein und sie besitzt einen nahezu untrüglichen Instinkt dafür, welcher Song zu ihr passt und wie sie ihn interpretieren muss. Wie wir noch sehen werden, hat sie im Verlauf ihrer künstlerischen, menschlichen und beruflichen Entwicklung ein so breites Spektrum durchlaufen, dass man das eigentlich nicht glauben kann. Linda Ronstadt war die meiste Zeit ihrer bereits rund 40 Jahre andauernden Karriere Herrin dieser Karriere und tat instinktiv die richtigen Schritte. Dabei stieß nicht alles auf Zustimmung ihrer Fans oder ihres Umfeldes, weder im künstlerischen Bereich noch im Privatleben. Ihr war das ziemlich egal. Sie hat in der Unterhaltungsmusik Spuren hinterlassen, Akzente gesetzt, Türen geöffnet und für eine Sängerin neue Wege beschritten. Linda Ronstadt gehört zu den wichtigsten Ikonen der Unterhaltungsmusik, sie wurde und wird von Experten mit Komplimenten überschüttet. Diverse ehrenvolle Beinamen hat man ihr gegeben, die allerdings nur für einen Abschnitt ihrer Karriere gelten.

Ein Kritiker bezeichnete Linda Ronstadt einmal als ein gesangliches Chamäleon, das jede Klangfarbe gleichermaßen überzeugend beherrscht. Das trifft den Nagel auf den Kopf. Ein Blick auf Stars, mit denen sie zusammen arbeitete, mag das verdeutlichen. Da sind nicht nur die Country-Ladies Emmylou Harris und Dolly Parton sondern auch Frank Zappa, Rosemary Clooney, The Chieftaines, Gram Parsons, Flaco Jiminez, Billy Eckstine, John David Souther, Bette Midler, Andrew Gold, Seldom Scene, Aaron Neville, Randy Newman, die Eagles usw.usw. Ihre kommerziellen Erfolge, in Zahlen ausgedrückt, belegen ihren Stellenwert: über 30 eigene Alben enthielten nahezu 40 Singles, die sich bei Billboard in den Hot 100 einreihten. Davon erreichten genau zehn die Top Ten. Es war mit „You’re No Good“ nur eine Nr. 1 dabei. Vier ihrer Alben standen ganz oben. Im Bereich Country stehen vier Nummer-Eins-Alben zu Buche, die Singles „When Will I Be Loved“ sowie gemeinsam mit Dolly Parton und Emmylou Harris „To Know Him Is To Love Him“ ebenfalls. Auch wenn die Country Music nur einen Teil ihrer grandiosen Karriere ausmacht, aber einen der wichtigsten, kann man sie nicht weglassen, wenn es um Country-Interpreten aus Arizona geht.

Linda Ronstadt wurde am 15. Juli 1946 in der Wüstenstadt Tucson geboren. Ihre Eltern Ruth Mary und Gilbert (ein erfolgreicher Kaufmann) hatten da bereits zwei Söhne und eine Tochter. Interessant die Herkunft der Familie, denn in den Adern des Vaters floss sowohl mexikanisches als auch deutsches Blut. Ihr Urgroßvater war von Hannover über Argentinien nach Mexico ausgewandert. Mutter Ruth Mary Copeman’s Vorfahren kamen aus Deutschland und Holland, sie selbst wurde in Michigan geboren. Ihr Vater war ein überaus erfolgreicher Erfinder, mehr als 700 Patente wurden auf ihn angemeldet. Neben ersten Modellen von Elektro-Ofen, Mikrowelle gehörte ein Eiswürfelbehälter aus Gummi dazu, mit dem er ein Vermögen verdiente. Die Ronstadt Family spielte bei der Besiedlung und Entwicklung Tucson’s durchaus eine wichtige Rolle wie in den Stadtarchiven nachzulesen ist. Und in der Familie spielte die Musik eine große Rolle, denn alle Familienmitglieder beherrschten ein Instrument oder sangen. Auf ihre Kindheit führt Ronstadt auch zurück, dass sie in so vielen verschiedenen Richtungen singen kann, denn es gab keine bevorzugte Musik. Im Hause Ronstadt war alles von Jazz bis Klassik, von Mariachi bis Oper, von Blues bis Country und dem meisten dazwischen angesagt. Ronstadt selbst beteuert, sie sei besonders begeistert gewesen von Leuten wie Edith Piaf, Ella Fitzgerald, Billie Holliday, Lola Beltran, Maria Callas aber auch von Hank Williams.

Den Beginn ihrer Karriere als Sängerin kann man in das Jahr 1960 legen, denn da bildete die 14-Jährige mit ihren Geschwistern Suzy und Peter ein Folk-Trio. Als The Three Ronstadt’s traten sie dann auch vor Publikum auf. Linda Ronstadt zeigte als Jüngste die stärkste Willenskraft, sie ließ keinen Zweifel daran, dass ihr Weg nur in die Musik führen konnte. Nachdem sich das Trio umbenannt hatte in The New Union Ramblers wurden auch erste Studioaufnahmen gemacht. Sie bezeichnet diese frühen Jahre als wertvolle Erfahrung, die sie darin bestärkte, Folk Music mit dem Rock’n Roll Feeling zu verknüpfen. Ihren Eltern machte sie klar, dass sie nicht weiter die Schulbank drücken wollte sondern nach Los Angeles gehen und mit Gesang Geld verdienen. Lange wehrten sich die Eltern nicht gegen die Pläne ihrer Tochter, wohl wissend, dass es ohnehin nichts nutzen würde. Also ging sie mit 17 nach L.A., wo sie ihren alten Schulfreund Bobby Kimmel traf, der schon in Tucson mit den Ronstadt’s gespielt hatte. Kimmel brachte seinen Kumpel Kenny Edwards gleich mit ein, mit dem er Songs schrieb. Zu dritt traten sie nun als „The Stone Poneys“ in Clubs auf und weckten das Interesse von Capitol Records. Es wurde eine kurze Episode, die schmerzlich zu Ende ging, für den weiteren Weg der Linda Ronstadt dennoch lehrreich war. Was zu Beginn positiv aussah, verkehrte sich schon bald ins Gegenteil, denn die drei Musikanten waren keine Freunde sondern eher Streithähne geworden. Immerhin wurden in einem Zeitraum von gut einem Jahre drei Alben veröffentlicht und sogar eine gemeinsame Tournee absolviert. Mit „Different Drum“, geschrieben von Mike Nesmith (u.a. The Monkees), war eine erste Hit-Single darunter. Was nicht abzusehen war, „Different Drum“ sollte eines von Ronstadt’s beliebtesten Liedern werden, das sie bei nahezu jedem Konzert singen muss. Das rasche Ende der Stone Poneys war nicht zu verhindern, Kenny Edwards würde später über ein Jahrzehnt zu ihren Musikern gehören. Die Sängerin hat damals unter dem Streit gelitten, bekannte aber in der Rückschau, dass ihre Musik schlecht gewesen sei und die Musiker einfach zu unterschiedliche Interessen gehabt hätten.

Von nun an war Linda Ronstadt Solistin, eine, die nach ihrer musikalischen Identität suchte, wobei sie nicht den schnellen kommerziellen Erfolg anstrebte sondern die Möglichkeit, sich musikalisch selbst zu verwirklichen. Für einen Newcomer ein schwieriges, beinahe unmögliches Unterfangen, es sei denn, man hat so viel Talent und Selbstvertrauen zu bieten wie Ronstadt. Dazu eine Plattenfirma, die das Talent erkannte und bereit war, darin zu investieren. Das erste Solo Album „Hand Sown … Home Grown“ erschien 1969 und war ein Flop. Aber es deutete an, dass Country Music ein Mittel zum Erfolg sein könnte, wenngleich es nicht die traditionelle Variante sein würde. Stattdessen wurde versucht, Country und Rock bzw. Rock’n Roll miteinander zu einem neuen Sound zu verbinden. Für eine Sängerin im Country Bereich etwas Neues, in der Musik selbst hingegen nicht wie u.a. Gram Parsons, die Flying Burrito Brothers, Poco, die Eagles zeigten. Dazu holte sie Musiker, die sich mit Country Music auskannten, wie Jeff Hanna (vorher und nachher Nitty Gritty Dirt Band) oder Bernie Leadon (u.a. Flying Burrito Brothers, Eagles) und Gib Guilbeau (u.a. Nashville West, Swampwater, Burrito Brothers).Ihr zweites Solo-Album „Silk Purse“ wurde deshalb auch in Nashville aufgenommen. Ein Knaller wurde es wiederum nicht, immerhin lief die Single „Long Long Time Ago“ nicht schlecht.

Schallplatten waren die eine Seite ihrer Karriere, Live Auftritte die andere. Zwar nahm sie ihre Platten in Nashville auf aber ihre Musik war nicht das, was man üblicherweise vom Cumberland River zu hören bekam. Und im Westen der USA flossen die musikalischen Grenzen ohnehin ineinander über. Zur Country-Szene fühlte sich Linda Ronstadt nie gehörig, Nashville wurde nie ihr Lebensmittelpunkt, gleichwohl hat sie dort Spuren hinterlassen. Im Westen rechnete man sie zur Rock Music und dort machte sie sich rasch einen Namen und Freunde. Sängerinnen gab es in dieser Szene damals nur wenige und noch weniger davon waren so gut aussehend und mit einer solchen Stimme ausgestattet. Da es Ronstadt verstand, immer bärenstarke Musiker in ihrer Band zu haben (auch wenn es häufig personelle Wechsel gab), war sie als Live Act zunächst gefragter denn als Plattenstar. Ähnlich wie bei Emmylou Harris gehörten zahlreiche später selbst zu Stars gewordene Musiker zu ihrer Band. Eine ihrer damaligen Bands bestand aus Richard Bowden sowie Randy Meisner, Bernie Leadon, Glenn Frey und Don Henley! Richtig, hier haben wir es mit der Ur-Besetzung der späteren Eagles zu tun. Sie waren auch beim dritten Album „Linda Ronstadt“ mit im Studio, das 1972 erschien. Erneut blieb der längst überfällige Durchbruch (noch) aus!

Das änderte sich als es Linda Ronstadt gelang, Peter Asher als Produzenten zu gewinnen. Asher war nicht nur eine Hälfte des erfolgreichen Duos „Peter & Gordon“ sondern galt als Visionär und hatte als Produzent einen klangvollen Namen. Asher war der Erste, der Ronstadt’s Potenzial nicht nur erkannte sondern auch wusste wie man es ausschöpfen konnte. Zwar hatte die Sängerin auch konkrete Vorstellungen, sie hatte sich auch teilweise bereits selbst produziert, war sich jedoch sicher, dass sie einen erfahrenen Produzenten brauchte. An ihrem ersten Album für das Asylum Label, zu dem sie gewechselt war, hatte Asher noch kaum mitgewirkt. Heraus sprang ihr erster Country Hit, denn das Remake von „Silver Threads And Golden Needles“, das sie schon auf ihrem ersten Solo-Album veröffentlicht hatte, erreichte Platz 20.

1974 stand das Album „Heart Like A Wheel“ an, sorgfältig von Asher und Ronstadt vorbereitet. Zu den Musikern gehörten Kenny Edwards, Andrew Gold,, Lloyd Meyers, Russ Kunkel und Don Henley, als Gäste dabei: John David Souther, Emmylou Harris, David Lindley und die Eagles. „Heart Like A Wheel“ wurde ein Knaller, bahnbrechend nicht nur für Linda Ronstadt sondern auch für Country Rock made in California. Linda Ronstadt stieg damit zum internationalen Star auf. Ihre Version des Hank Williams Klassikers „I Can’t Help It“ erreichte Platz 2 der Country Charts und „When Will I Be Loved“ landete ganz oben. Für die Sängerin eine Bestätigung, dass sie mit ihrem Instinkt richtig gelegen hatte, auf dieses Album hatte sie die letzten Jahre zielstrebig und konsequent hingearbeitet. Für Peter Asher ebenfalls eine Bestätigung, dass er nicht auf die Warnungen gehört hatte, die Ronstadt als eigenwillig, stur und schwierig dargestellt hatten. Beide lagen auf der gleichen Wellenlänge und hatten noch einiges mehr vor. Für Ronstadt begann eine schwierige Zeit, denn sie war nun Mittelpunkt der einschlägigen Medien. Endlich hatte die Rock Music eine neue Variante, noch dazu durch eine Sängerin, eine attraktive noch dazu. Alle möglichen Geschichten wurden ihr angedichtet, angebliche Beziehungen und Verhältnisse. Sie selbst fand es sehr schwierig, sich dem zu entziehen, denn sie war eigentlich nur von Männern umgeben, in der Band, im Management, überall. Dann liegt es nahe, dass Stories verbreitet werden, die allenfalls auf Mutmaßungen beruhen. Linda Ronstadt versuchte es erst gar nicht, dem entgegen zu wirken sondern spielte das Spiel bis zu einem gewissen Grad einfach mit. In Peter Asher hatte sie nicht nur einen erfahrenen Fachmann zur Seite sondern auch einen Freund, dem sie blind vertrauen konnte. Asher wusste um die Gefahren in einer solchen Situation, wenn alle Welt etwas von einem will und einem huldigt – nicht zuletzt durch ihn ist es gelungen, Linda Ronstadt ein ausreichendes Maß an Privatsphäre zu bewahren. „Heart Like A Wheel“ brachte ihr den ersten Grammy ein – als beste Countrysängerin! Obwohl sie sich sogar dagegen wehrte, als Countrysängerin bezeichnet zu werden, nahm sie den Grammy natürlich gern an. Sie war mittendrin in der brodelnden, sich im Aufbruch befindlichen West Coast Country Rock Music aus Los Angeles, die für frischen Wind sorgte. „Heart Like A Wheel“ bekam Doppel-Platin, weil allein in den USA über 2 Millionen Exemplare verkauft wurden. Spätestens mit diesem Album bewies die Sängerin, dass sie in der Lage war, jeden Song, für den sie sich entschied, zu ihrem eigenen zu machen. Egal ob Cover Version oder ein Lied eines noch wenig oder unbekannten Songschreibers. Ronstadt war das Parade-Beispiel für eine Interpretin. Die beiden Nummer-Eins-Singles „You’re No Good“ und „When Will I Be Loved“ markieren die Eckpfeiler ihrer Musik. Linda Ronstadt stieg auf zu einer der Sängerinnen mit den meistverkauften Platten aller Zeiten. Sie grüßte vom Cover des wichtigsten Pop Magazines „Rolling Stone“ (5 weitere Cover sollten noch folgen), das ausführlich über sie berichtete und sie wohnte in einer schmucken Villa am Strand von Malibu.

Das nächste Album „Prisoner In Disguise“ bekam wieder Platin, erneut mit zwei Songs, die das musikalische Spektrum einrahmten: „Heat Wave“ und „Love Is A Rose“ wurden sogar auf einer Single veröffentlicht. Um es nicht dauernd wiederholen zu müssen, es gelangen 8 Platin Alben nacheinander (darunter auch mehrfach Platin) und später noch einmal sechs Mal Platin in Folge. Keine andere Sängerin konnte bis dato an diesem Rekord kratzen.

„Hasten Down The Wind“ präsentierte Linda Ronstadt als Co-Autorin von 5 Songs, geschrieben gemeinsam mit ihrer neuen Freundin Karla Bonoff. Musikalisch setzte sie noch stärker auf ihre Stärken, die Country Elemente traten dabei etwas in den Hintergrund. „Simple Dreams“ mauserte sich danach zu ihrem erfolgreichsten Album, das in den USA 5 Wochen Platz 1 blockierte. Trotz des durch den Erfolg und ihrer Omni-Präsenz bedingten Dauerstresses gelang dem Team Ronstadt/Asher ein großartiges Album, für das zuvor eine nahezu komplett neue Band zusammengestellt werden musste. Ronstadt nahm aus Prinzip die Musiker mit ins Studio, mit denen sie auch auf Tour ging. Insbesondere ihre Version des Roy Orbison Klassikers „Blue Bayou“ wurde zu einem weltweiten Evergreen. Hier hatte Ronstadt sich durchgesetzt, denn Peter Asher stand diesem Song skeptisch entgegen, er glaubte nicht, dass sie damit erfolgreich sein würde. Auch Buddy Holly’s „It’s So Easy (To Fall In Love)“ erlebte eine grandiose Wiedergeburt. „Poor Poor Pitiful Me“, geschrieben von Warren Zevon, knallhart, knackig, kraftvoll, lief in allen Jukeboxes. Sollte sie es bis dahin noch nicht gewesen sein, dann wurde sie spätestens jetzt zu einem internationalen Star und zur gefragtesten Sängerin überhaupt. Auch in Deutschland begeisterte sie ihre Fans live.

Linda Ronstadt

Natürlich zehrt ein Höhenflug wie ihn Ronstadt gerade erlebte, an den Nerven. Privatleben gab es so gut wie nicht mehr, alle Welt schien etwas von ihr zu wollen, wäre da nicht Peter Asher gewesen, vielleicht wäre die Situation außer Kontrolle geraten. Umso erstaunlicher, dass sich die Sängerin trotzdem auf ihre Arbeit konzentrieren konnte. Was sollte nun noch kommen bei all den Auszeichnungen, den Lobeshymnen und auch finanziellen Rekorden, die sie aufstellte? Die Antwort hieß „Living In The USA“. Schon aufgrund der über 2 Millionen Vorbestellungen gab es Doppel-Platin (bis dahin noch nie dagewesen), 2 weitere Millionen folgten noch. Aufmerksamkeit erregte auch ihre Version von Elvis Presleys Hit „Love Me Tender“. Der „King of Rock’n’Roll“ war erst ein Jahr zuvor gestorben, natürlich gab es Spekulationen wie er und die „Queen of Rock’n’Roll“ wohl im Duett geklungen hätten.

Linda Ronstadt war zu einer Ikone geworden, zur bestbezahlten Rock-Sängerin aller Zeiten. In den USA herrschte so etwas wie ein „Ronstadt-Hype“, sie war in fast allen Zeitschriften präsent, man dichtete ihr alle möglichen Dinge an. Sie selbst lieferte auch den einen oder anderen provozierende Spruch wie etwa „Hätte ich doch mal so viele Männer im Bett gehabt wie man mir nachsagt!“ Ihr tatsächliches Liebesleben konnte sie jedoch weitgehend aus den Medien heraushalten. Nicht jedoch jene Liaison mit Jerry Brown. Der nämlich war von 1975 bis 1983 als 34. Gouverneur von Kalifornien im Amt und ist seit 2011 als Nachfolger von Arnold Schwarzenegger erneut Gouverneur. Im Jahr 1979 erschien im Playboy Magazin der USA ein ausführliches Interview, in dem sie, teils kokett oder auch humorvoll Einblicke in ihre Gefühlswelt preisgab. Ihre Erwartungen an die 80er waren interessant. Sie rechnete für sich selbst mit mehr Kritik und deutete an, dass sie Musik machen würde, die man so von ihr nicht erwartete. Generell erwartete sie eine neue Welle, insbesondere aus England. Los Angeles sei ausgetrocknet, die Ideen seien ausgegangen. In das Vakuum, das sie spürte, würde was Neues stoßen. Elvis Costello, Rockpile und Joe Jackson seien bei ihr derzeit angesagt. Zur Presse meinte sie, dort sei man nicht wählerisch, um die Auflage zu steigern würde man durchaus auch Geschichten frei erfinden. Sie sei vorsichtig geworden, der Presse gegenüber sei sie aus Selbstschutz eher schweigsam. Bei ihr gebe es keine Skandale. Wenn sie all das wirklich getan hätte, was ihr schon angedichtet worden sei, hätte man sie Klonen müssen. Das könne eine einzige Person an einem Tag gar nicht schaffen.

Mit dem wiederum sehr erfolgreichen Album „Mad Love“ flossen starke New Wave Elemente in ihre Musik ein, sie blieb sich jedoch treu, indem sie sich nicht festlegen ließ und sich musikalisch weiter orientierte. Mit Beginn der 80er Jahre begann sie immer deutlicher ihre Wandlungsfähigkeit zu dokumentieren und ließ sich dabei nicht von wohl gemeinten Ratschlägen oder gar von Kritikern beirren sondern nur von ihrem Bauchgefühl leiten. Dabei spielte es für sie überhaupt keine Rolle, ob ihre Musik sich weiterhin so verkaufen würde wie bisher. Sie nutzte ihren Status nun dazu, ihre musikalischen Grenzen herauszufinden. Sang sie für den Soundtrack des Kino-Knüllers „Urban Cowboy“ mit „Hearts Against The Wind“ im Duett mit Kumpel John David Souther noch einen lupenreinen Country Song übernahm sie danach die Hauptrolle der Mabel in dem Musical „The Pirates Of Penzance“ (gibt es auch auf DVD). Das Musical war so erfolgreich, dass es 1982 fast ein Jahr lang am Broadway aufgeführt und später verfilmt wurde. An der Seite von Kevin Kline hatte Ronstadt ihrer Krone ein weiteres Juwel hinzugefügt. Die Kritiker waren einmal mehr voll des Lobes und fragten voller Verblüffung und Verwunderung, ob es für Linda Ronstadt überhaupt Grenzen gab. An den Broadway kehrte sie übrigens 1988 zurück mit der Bühnenfassung ihres Albums „Canciones De Me Padre – A Romantic Evening In Old Mexico“ (gibt es auf CD).

Der Ausflug ins Musical und zum Film hatte natürlich Zeit gekostet, runde zwei Jahre. Neugierig wartete man auf ein neues Studio-Album. Würde sie als Rock-Sängerin den Anschluss wieder herstellen können. Für „Get Closer“ konnte sie samt und sonders bewährte Musiker und befreundete Kollegen/innen gewinnen, darunter Emmylou Harris und Dolly Parton. In den USA schaffte das Album knapp die Million, international lief es so gut als sei sie nie weg gewesen. Zu ihren Konzerten der USA Tournee strömten die Menschen weiter in Scharen, allein 80 000 ins New Yorker Giants Stadion. Erneut hatte sie einen Punkt erreicht, an dem sie nach neuen Ufern suchte. Das Meiste, was sie bis dahin in Angriff genommen hatte, war erfolgreich. Die Jahre mit ausgedehnten Tourneen hatten Substanz gekostet, es war an der Zeit, es ruhiger angehen zu lassen und gleichzeitig auch die Musikrichtung zu wechseln. Jerry Wexler hatte ihr den Jazz bereits ans Herz gelegt, wozu sich Ronstadt aber (noch) nicht in der Lage gesehen hatte. Jetzt dachte sie über diese Möglichkeit ernsthaft nach und stimmte zu. Mit den ersten Ergebnissen allerdings war sie überhaupt nicht zufrieden. Hatte sie ihre Plattenfirma schon überredet, diese Richtung gehen zu können, war bei Peter Asher mehr Überzeugungsarbeit erforderlich, ehe er schließlich einwilligte. Das Tüpfelchen auf dem i war ihr Coup, den legendären Orchester-Chef Nelson Riddle für das Projekt zu gewinnen. Mit der ihr eigenen Akribie bereitete sie die Aufnahmen vor, schließlich konnte und wollte sie es sich nicht leisten, Nelson Riddle zu enttäuschen. Jazz Music und die entsprechend ausgesuchten Song betrachtete Ronstadt als absolute und die für sie bis dahin größte Herausforderung, sie hatte durchaus Zweifel, ob sie der gewachsen sein würde. Bald stellte sich heraus, dass sie völlig unbegründet waren. Im Verlauf von drei Jahren produzierte Ronstadt mit Nelson Riddle ebenso viele Alben: What’s New“, „Lush Life“ und „For Sentimental Reasons“. Mit für diese Art von Musik geradezu sensationellen Verkaufszahlen, denn allein in den USA wurden rund 7 Millionen Copies abgesetzt. Die Befürchtungen, das junge Publikum, die Rock Fans würden sich von Ronstadt abwenden, waren unbegründet. Im Gegenteil, Nelson Riddle erlebte für die wenigen Jahre, die ihm noch blieben, eine Renaissance und gewann neue Fans bei den Jüngeren. Mit Riddle machte sie noch das Album „Round Midnight“ und beide gaben auch gemeinsame Konzerte. Leider hat Riddle die Fertigstellung des Albums „For Sentimental Reasons“ nicht mehr miterleben können.

Während Linda Ronstadt in den USA populär wie eh und je blieb, die Fans ihr die Stange hielten, ihre Gastspiele in der Muppets Show und Sesamstrasse gefeiert wurden, spielte sie in Deutschland keine Rolle mehr. War sie zuvor schon nicht Lieblingskind der einschlägigen Presse gewesen, schwieg man sie nun praktisch tot. Ronstadt hatte sich auf ein musikalisches Feld begeben, das hierzulande nie die Beachtung gefunden hat, wie in Übersee und die sie verdient hätte. 2004 kehrte sie zum Traditional Jazz zurück als sie für Verve Records das Album „Hummin‘ To Myself“ aufnahm.

Das musikalische Chamäleon Linda Ronstadt hatte noch nicht alle Farben gezeigt, die sie drauf hatte. Jetzt 1987 wurde zunächst ein Projekt realisiert, dessen Ursprung mehr als zehn Jahre zurück lag. Damals hatten sich Ronstadt, Emmylou Harris und Dolly Parton auf ein gemeinsames Album grob geeinigt. Harris und Parton sind ähnlich wie Ronstadt längst Säulen in der Musik geworden, ebenfalls mit prägnanten Stimmen und Riesentalent ausgestattet. Dolly Parton ist zudem auch als Autorin eine Große und sogar im Filmgeschäft erfolgreich. Zwischen 1975 und 1978 hatten sie das eine oder andere Mal im Studio gemeinsame Sache gemacht, zu einem Album kam es jedoch nicht. Wohl gab es einige wenige gemeinsame Aufnahmen (z.B. „Even Cowgirls Get The Blues“) auf einem Solo-Album. Eine Weile hielt sich das Gerücht über ein Trio-Album, dann war es kein Thema mehr. Die terminlichen und vertraglichen Probleme schienen zu groß, dann wieder passte es gerade nicht in den Karriere-Abschnitt. Entscheidend war wohl, dass nicht genug Zeit zur Verfügung stand. Alle drei Künstlerinnen sind als akribisch bekannt, alle drei hatten einen vollen Terminkalender. Jetzt aber klappte es, sie nahmen vorwiegend traditionelle Country Music auf, schwammen damit gegen den Trend und lagen dennoch richtig. „Trio“ stand 5 Wochen an der Spitze der Country Charts, erreichte die Top Ten der allgemeinen Billboard Charts und hatte etliche erfolgreiche Singles. Um das Album „Trio 2“ gab es dann einigen Wirbel, der dazu führte, dass es erst 1999 veröffentlicht werden konnte. Diesmal auf Elektra Records und unter Federführung von Linda Ronstadt. Zwischen den drei Künstlerinnen war es zu Zerwürfnissen gekommen, es krachte mächtig im Gebälk. Dem Vernehmen nach soll Dolly Parton der Auslöser gewesen sein. Die Situation eskalierte soweit, dass Ronstadt die bereits aufgenommenen Titel neu aufnahm, soweit es Dolly Parton’s Stimme betraf. Sie wurde durch Valerie Carter ersetzt. Teilweise sind dieTracks auf Ronstadt’s Album „Feels Like Home“ zu hören. Was zur Fertigstellung und Veröffentlichung von „Trio 2“ geführt hat, bleibt Spekulation. Gehen wir mal davon aus, dass Dolly Parton sich entschuldigt hatte. Eine weitere Zusammenarbeit der Sängerinnen wird es, soweit kein Wunder geschieht, nicht geben.

In dem bereits erwähnten Playboy Interview von 1979 war bereits von dem geplanten ersten Trio-Album die Rede. Ronstadt nannte Dolly Parton eine gute Freundin und Inspiration für sie und wies die Gerüchte über damals bereits bestehende Streitigkeiten zurück. Und über Emmylou Harris geriet sie gar ins Schwärmen. Von ihr sei sie seit der ersten Begegnung fasziniert, sie sei die größte Inspiration überhaupt. Seit sie sie in Houston zum ersten Mal getroffen hätte, zeige sie ihr, wie man Musik fühlen könne. „Als ich sie hörte, war ich hin und weg. Das war Jemand, der genau das machte, was ich auch können wollte. Da wollte ich hin, dafür wollte ich kämpfen. Ich habe so viel von Emmy gelernt.“ Die innige Freundschaft, die damals entstand, besteht auch heute noch unverändert, beide Sängerinnen haben sich längst ihren Platz in der Musikgeschichte verdient.

Linda Ronstadt stammt aus Tucson, die mexikanische Grenze ist nicht allzu weit und der mexikanische Einfluss in der Stadt allgegenwärtig. Wie wir wissen, reichen ihre Wurzeln tief nach Mexico. Was lag da für die traditionsbewusste Sängerin näher als ein Album mit mexikanischen Canziones aufzunehmen. Es muss als besonderer Coup gelten, dass sie dazu die mexikanische Produzenten-Legende Ruben Fuentes gewinnen konnte. Für „Canciones De Mi Padre“ kehrte sie zurück in ihre Kindheit, in ihre Familie, zu ihren Wurzeln. Songs wie diese wurden daheim als Hausmusik gesungen, von der ganzen Familie. In Tucson gibt es alljährlich ein Mariachi-Festival, das sie wann immer sie Zeit dazu hat, besucht. Fuentes war total überrascht, dass Ronstadt diese Canzianoes nicht nur kannte sondern auch singen konnte, was absolut nicht einfach ist. Gelernt hatte sie das Liedgut von ihrem Vater und so lag es nahe, das Album „Canziones De Mi Padre“ zu nennen, was so viel heißt wie „Lieder meines Vaters“. Das Publikum mag gespürt haben, wie viel Herzblut, wie viel Inbrunst in dieses Album eingeflossen war, dass bei den Aufnahmen im Studio eine fast magische Atmosphäre geherrscht hatte. Man schien beinahe darauf gewartet zu haben – jedenfalls wurden über 2 Millionen Exemplare in den USA davon verkauft. Damit war das Album das meistverkaufte nicht englisch gesungene aller Zeiten. Die anschließende Tournee ging als eine der emotionalsten und erfolgreichsten in die Geschichte der Unterhaltungsmusik ein. Das verlangte geradezu nach einer Fortsetzung. Ronstadt tat allen den Gefallen, es folgten „Mas Canciones“ und „Frenesi“. Alle drei Alben erhielten einen Grammy.

Etwas ganz anderes präsentierte Linda Ronstadt noch 1989 mit dem Album „Cry Like A Rainstorm/Howl Like The Wind“. Es wurde ihre bombastischste Produktion mit vielen Gästen. Allein vier Duette sang sie mit Aaron Neville. Es sind ein Gospel Chor und ein Symphonieorchester zu hören. Drei Grammys waren der verdiente Lohn. Unterdessen hatte sie sogar einen Abstecher in die Oper gemacht und in „La Boheme“ gesungen. Zum Musical kehrte sie 1991 zurück mit der Hauptrolle in „La Pastorela“.

Das 1993er Album „Winter Light“ darf man, gemessen an bisherigen Verkaufszahlen, durchaus als Flop bezeichnen. Es lief einfach nicht gut. Es war irgendwie der Beginn einer turbulenten Phase in Leben und Karriere der L.R., denn sie war von Los Angeles in das etwas ruhigere San Francisco umgezogen, um nur wenige Jahre später zurück in die Heimat nach Tucson zu gehen. Darin mag man einen Ausdruck einer gewissen inneren Rastlosigkeit erkennen. Ronstadt verhielt sich privat ähnlich wie im Berufsleben, sie war fast unentwegt auf der Suche nach neuen Ufern. In diesem Zusammenhang meinte sie auch einmal, sie eigne sich ganz sicher nicht für eine dauerhafte Bindung und sei deshalb für die Ehe ungeeignet. Eine Erkenntnis, an die sie sich immer gehalten hat, denn einen Ehering hat sie bisher nie getragen. Von Tucson aus setzte sie die Arbeiten an ihren Album „Feels Like Home“ fort, wenngleich große Teile der CD in Los Angeles entstanden. Der Titel war so etwas wie Programm, denn Ronstadt kehrte weitgehend zu dem Country Rock zurück, dessen Flaggschiff sie immer war. Mit dabei übrigens neben Emmylou Harris das damalige Wunderkind, die 17jährige Alison Krauss an der Fiddle. Wie schon erwähnt, für dieses Album wurden einige (genau 5) eigentlich für das Album „Trio 2“ vorgesehene und bereits fertige Songs überarbeitet, wobei Valerie Carter den Part von Dolly Parton übernahm. Von der Kritik zu Recht überschwänglich gelobt, blieb das Album kommerziell dennoch hinter den Erwartungen zurück.

Fast 30 Jahre war Linda Ronstadt nun bereits in dem sowohl physisch als auch psychisch zehrenden Job unterwegs. War sie bisher von ernsthaften Erkrankungen verschont geblieben, schlug das Schicksal nun zu. Sie litt an einer seltenen Schilddrüsenerkrankung, die sie nicht nur zeitweise außer Gefecht setzte (eine komplette Tournee musste abgesagt werden) sondern auch äußerlich deutliche Spuren hinterließ. War sie bis dahin rank und schlank gewesen wurde sie nun fülliger. Daran hat nicht nur ein Star wie Linda Ronstadt zu knabbern. Erneut zeigte sie Stärke, sie akzeptierte das Unvermeidliche und zog sich nicht aus der Öffentlichkeit zurück. Wieder gelang es ihr, den Teil ihres Privatlebens weitgehend aus der Öffentlichkeit herauszuhalten, den sie dort nicht haben wollte. Vor allem hierzulande blieb fast unbemerkt, dass sie in der Überzeugung, nie eigene Kinder zu haben, kurz nacheinander zwei Kinder (Mary Clementine und Carlos) zu adoptieren. Damit hatte sie nicht nur privat eine verantwortungsvolle Aufgabe sondern auch musikalisch ein neues Ziel. So entstand das Album „Dedicated To The One I Love“, für das sie sich Pop-Hits aussuchte und diese zu Wiegenliedern umarrangierte. So hatte man beispielsweise den unverwüstlichen Queen-Superhit „We Will Rock You“ noch nie gehört. Die Kritik bescheinigte ihr, ein geniales Album abgeliefert zu haben. Dafür gab es einen weiteren Grammy, diesmal für das beste Kinder-Musik-Album!

Nicht unerwähnt bleiben soll ein weiterer Schicksalsschlag, unter dem nicht nur Linda Ronstadt litt. Hier wird vor allem die menschliche Seite der Künstlerin deutlich. Zu ihrem engsten Freundeskreis gehörten natürlich einige Musiker. Neben denen, die zu ihrer Band gehörten oder gehört hatten wie Russ Kunkel auch Künstler wie Emmylou Harris, Karla Bonoff, Andrew Gold, John David Souther und vor allem Nicolette Larson, die mit Russ Kunkel verheiratet war. Ursprünglich aus Montana’s Hauptstadt Helena stammend, war sie ein Bestandteil der aufstrebenden, ideenreichen West Coast Music Scene geworden. Zunächst hatte sie u.a. mit Commander Cody, Rodney Crowell, Emmylou Harris oder den Doobie Brothers gearbeitet, ehe sie selbst einen Plattenvertrag bekam. Neun eigene Alben wurden von Nicolette Larson veröffentlicht, sie hatte auch den einen oder anderen Single Hit (u.a. „Lotta Love“) und schrieb erfolgreich Songs. Linda Ronstadt und Nicolette Larson waren dicke Freunde geworden, Ronstadt war sogar Patentante von Larson’s Tochter Elsie May. Natürlich hatten beide auch musikalisch viel miteinander zu tun. Am 16. Dezember 1997 verstarb Nicolette Larson völlig überraschend im Alter von nur 45 Jahren an einem vermutlich durch Nierenversagen ausgelösten Blutgerinnsel im Gehirn. Im Gedenken an Nicolette Larson fand am 20. und 21.2.1998 in Santa Monica eine historische Gedenk-Veranstaltung statt, bei der alles versammelt war, was in der Westcoast Music Szene Rang und Namen hatte. Um nur einige zu nennen: Bonnie Raitt, Emmylou Harris, Carole King, James Taylor, Crosby, Stills, Nash, Dan Fogelberg. Von Augenzeugen wurde berichtet, dass über dieser Veranstaltung eine ganz besonders intime, herzliche Stimmung gelegen habe. Der Erlös kam übrigens einem Kinderkrankenhaus zugute. Eine CD von diesem einmaligen Konzert, veröffentlicht von Rhino Records im Jahre 2006 unter dem Titel: „A Tribute To Nicolette Larson: Lotta Love Concert“ mit 15 live mitgeschnittenen Titeln, wird heute noch von Sammlern hoch gehandelt.

Drei Jahre sollte es dauern, ehe es ein neues Ronstadt Album gab. 1999 kam das bereits erwähnte „Trio 2“ Album auf den Markt. Im gleichen Jahr auch „Western Wall – The Tucson Sessions“. Eine gemeinsame Produktion mit Emmylou Harris, die lange geplant war und in die beide Künstlerinnen ihre Vorstellungen von Folk, Rock und Western Music basierend auf überwiegend akustischen Elementen einbrachten. Bei der Kreativität, Musikalität und Experimentierfreude der Beiden konnte nur ein aufregendes, spannendes Album entstehen, das nicht an kommerziellen Aspekten orientiert war. Für mich ein tief gehendes, eines der eindrucksvollsten Alben überhaupt, das manchem Hörer vielleicht ein wenig zu düster klingt, den Hörer aber an seinen Gefühlen packt. Leider kein Riesen-Verkaufsschlager, es erreichte immerhin noch die Top Ten der Country-Charts.

Soweit es die Country Music betrifft, war es das weitgehend, sieht man von gelegentlichen Aufnahmen für diverse Projekte ab. Natürlich blieb Linda Ronstadt nicht inaktiv. Das letzte Album für Elektra Records war das 2000 veröffentlichte „A Merry Little Christmas“, ihr erstes Weihnachts-Album. Danach kam 2004 das bereits erwähnte Album „Hummin‘ To Myself“. Ihre bis dato letzte Studioproduktion erschien 2007 auf dem Vanguard Label. „Adieu False Heart“ wurde ein gemeinsames Album mit Roots-Musikerin Ann Savoy. Wieder wagt sich Ronstadt damit in eine andere Musikrichtung, denn die CD enthält das, was man als Roots Music bezeichnet, hier eine Fusion aus der eigenwilligen Cajun Music aus Louisiana und Pop-Elementen. Dass das Album kein Verkaufsschlager werden würde, war allen Beteiligten von vornherein klar, spielte aber auch bei der Verwirklichung der Idee keine Rolle.

Schlagzeilen machte Linda Ronstadt in den USA in den vergangenen zehn Jahren durchaus wegen ihrer nicht musikalischen Aktivitäten und politischen Äußerungen. Dass sie keine Freundin der Republikaner ist, machte sie wiederholt sehr deutlich, was ihr durchaus einigen Ärger einbrachte. Sie engagiert sich gegen Rechtsextremismus, Diskriminierung, Gewalt – vor allem in ihrem Heimatstaat Arizona. Einmal mehr kann man das schon mehrfach erwähnte Interview für das Playboy Magazine von 1978 heranziehen. Dort outete sich Linda Ronstadt bereits als Atom-Gegnerin. Sei sie anfangs noch sorglos gewesen, informiere sie sich jetzt so gut es geht und möglichst unabhängig, um sich eine eigene Meinung zu bilden. Für sie käme es nicht in Frage, keine Stellung zu beziehen. Auch wenn ihr das Probleme einbringen und ihrer Karriere schaden könne. Und mit der Atomkraft gehe man zu sorglos um. Es sei nötig, alternative Energie zu gewinnen, etwa durch Solar-Kraft.

Aufgaben hat die seit einigen Jahren wieder in San Francisco lebende Künstlerin noch genug. Soweit ihre Gesundheit mitspielt, wird sie sich aus dem öffentlichen Leben nicht zurückziehen. Ronstadt sieht in ihrem Status auch eine Verantwortung, sich nachhaltig für die Beseitigung und Verhinderung von Missständen einzusetzen. Was sie aus Überzeugung tut aber nicht davon abhalten sollte (und hoffentlich wird), uns an ihrem musikalischen Talent teilhaben zu lassen. Man darf gespannt sein, ob es wieder mal ein neues Album geben wird und mit was sie uns dann überrascht.

Worin liegt der Grund für den dauerhaften Erfolg dieser Linda Ronstadt? Natürlich an ihrem Talent , ihrem Charisma, ihrem Instinkt, das für sich Richtige zu erkennen und umzusetzen – aber vor allem auch an ihrer Ehrlichkeit und Unverwechselbarkeit. Ich kenne keinen Künstler, der sich gleichermaßen erfolgreich mit Folk, Rock, Country, Jazz, Musical, Oper, Broadway, New Wave, Canziones, Kinderliedern, Cajun betätigt, diese Stilrichtungen teilweise miteinander verschmelzt und dabei stimmlich wie bei Live Shows die eigene Identität bewahrt.

Wollte man alle „Rekorde“ und Auszeichnungen auflisten, die Linda Ronstadt erzielt bzw. erhalten hat, es würde den Rahmen dieses Beitrages sprengen. Begnügen wir uns mit einer einzigen Zahl: von den Tonträgern der Linda Ronstadt mit all ihren unterschiedlichen Klangfarben wurden weltweit deutlich über 130 Millionen Exemplare verkauft!

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