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Happy Birthday: Mel Tillis wird 80

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Alles hat zwei Seiten. Einer, der dies sehr genau weiß, ist Mel Tillis. Sein „Markenzeichen“ ist das Stottern. Er hat gelernt, nicht nur mit dieser Behinderung zu leben sondern das Beste daraus zu machen. Wer hätte schon gedacht, dass er damit zu einem erstklassigen Entertainer werden würde? So gut sogar, dass ihn die Country Music Association als Entertainer des Jahres auszeichnete.

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Angefeindet worden ist er dafür. Von Leuten, die ihm nicht abnehmen wollten, dass er tatsächlich stottert, allerdings nicht, wenn er singt. Vorwürfe gab es, er würde sich über dergestalt Behinderte lustig machen usw. Dabei hatte es Mel Tillis in seiner Jugend ob des Stotterns nicht leicht, wie wir noch erfahren werden.

Wenn ich seine Karriere ein wenig nachzuzeichnen versuche, dann geschieht dies unter Zuhilfenahme seiner schon 1984 erschienenen Biographie „Stutterin‘ Boy“, die er mit dem Journalisten Walter Wager schrieb (erschienen bei Rawson Associates, New York, ISBN 0-89256-263-3) sowie einiger Interviews, die ich mit ihm geführt habe.

Lonnie Melvin Tillis, geboren am 8. August 1932 in Tampa, Florida. So steht es in seinem Pass. Genauer Geburtsort war die Morgan Street 2700. „Ich war immer in Eile, schon bei der Geburt, ich war nämlich da, ehe der Doktor kam“, schmunzelt er.

Fast hätte es den späteren Hit-Schreiber und Country-Star Mel Tillis gar nicht gegeben, denn 1935 fing er sich als Dreijähriger eine Malaria ein. Einige Tage hing sein Leben am seidenen Faden, nur der Pflege seiner Mutter habe er sein Überleben zu verdanken, sagt Tillis. In seinem Theater in Branson, Missouri, das er im Frühjahr 1980 eröffnete (im Jahre 2002 wieder verkaufte), saßen wir bei einer Tasse Kaffee und Tillis wirkte nachdenklich als er sich an jene Jahre erinnerte. „Nur langsam kam ich wieder zu Kräften. Die Ärzte sagen, eine Malaria hinterlässt immer einen Schaden. Ich bin auch nicht ungeschoren davongekommen, denn ich stotterte danach fürchterlich. Meine Familie machte mich aber nicht darauf aufmerksam, sie dachten, das würde sich bald wieder geben. Tat es aber nicht.“

Andere Dinge schienen ohnehin wichtiger. Seine Jugend war gekennzeichnet von ständigen Wohnungswechseln. Der Vater, ein Bäcker, suchte stets nach besseren Jobs. Mel Tillis sollte von seinem Vater ohnehin nicht viel haben, die Ehe der Eltern ging nämlich in die Brüche. In der Schule wurde ihm knallhart klar gemacht, dass er nicht so redete wie die anderen Schüler. Einige Therapie-Versuche brachten keine Verbesserung. Mit der Schule klappte es leidlich. Reichtümer besaß die Familie keine, man schlug sich gemeinsam mit harter Arbeit gerade so durch.

Mel Tillis

Einziger „Luxus“ war die Musik. „Mom, mein Bruder Richard und meine Schwestern Linda und Imogene saßen abends oft draußen vor dem Haus und sangen bis die Moskitos uns reintrieben.“ Freilich war Country Music in Florida nicht gerade populär, dennoch wurde Mel Tillis zu ihr hingezogen. Während der weiteren Schuljahre versuchte er sich immer wieder mit allem, was mit Musik zu tun hatte. Schließlich konnte er leidlich Gitarre spielen. Besonders geprägt haben in die Jahre in Pahokee am Lake Okeechobee. Wie Tom Swayer habe er sich dort gefühlt, grinst Tillis. Musikalisch trat er 1948 erstmals ins Rampenlicht, bei einem Talentwettbewerb eines Senders in Pahokee. Kurzzeitig liebäugelte er auch mit einer Sportlerkarriere als er sich mit Football im College Team versuchte. Sehr zum Leidwesen seines Vaters, für den nur das zählte, was man mit den eigenen Händen zustande brachte, gewann Tillis einige der Talentwettbewerbe als Sänger.

Es sollte noch dauern, ehe sich etwas Konkretes abzeichnete. Zunächst gab es einen kurzen Abstecher zur Uni. Geld wollte und musste er nebenbei verdienen. Sein Bruder fuhr einen Brot-Truck, wegen seiner Stotterei durfte Mel Tillis so etwas nicht. Mehr aus Verärgerung denn aus Überzeugung schrieb sich Mel Tillis deshalb für den Wehrdienst bei der Air Force ein. Ihr gehörte er von 1951 bis 1953 an. Genau in diese Zeit fiel der Aufstieg des Webb Pierce zum Country-Star, er sollte für Mel Tillis große Bedeutung bekommen.

Amerika befand sich im Koreakrieg, Tillis landete in Okinawa. Dort begann er seine Profi-Laufbahn. Zunächst holte man ihn als Sänger in eine Band, dann gründete er The Westerners und trat damit an Wochenenden vornehmlich in NCO Clubs auf. Wieder zurück in Florida gab es für ihn nun nur noch die Karriere in der Musik. Aber er musste erst einmal leben, er musste Geld verdienen. Dass war leichter gesagt als getan, immer wieder stellte sich seine Unfähigkeit für praktische Arbeiten heraus, vermutlich auch eine Folge der Malaria. Bis heute habe sich an dieser Situation nichts geändert, versichert Tillis.

Er hatte damit begonnen, Lieder zu schreiben und wollte damit unbedingt nach Nashville. Also fuhr er hin und erlebte eine Enttäuschung nach der anderen. Es war Mae Boren Axton, die Mutter von Hoyt Axton, die ihm schließlich half. Er ging erst mal zurück nach Florida und schrieb weiter Songs. Tagsüber nahm er alles an Arbeit an, wofür man ihn bezahlte. Das inspirierte ihn zu dem Lied „I’m Tired“. Webb Pierce bekam Wind von dem Song und machte einen Hit daraus. Tillis bekam seine erste Lektion, wie es in dem Metier zugehen kann. Ein Freund, der sich als sein Manager fühlte (was Tillis nicht unrecht war) strich beachtliche Gelder für sich ein, indem er sich als Co-Autor ausgab. Ähnliches sollte Tillis später erneut widerfahren, diesmal mit Webb Pierce! Es war Usus, dass sich ein Star wie Pierce dafür, dass er einen Song von einem unbekannten Autoren aufnahm, einen Teil der Tantiemen kassierte. Ganz einfach, indem er offiziell als Co-Autor geführt wurde.

Der Start von Mel Tillis in Nashville war alles andere als märchenhaft. Nachdem sich Pierce wiederholt Tillis-Songs geschnappt und Hits damit hatte, verpflichtete Columbia Records Tillis als Sänger. Inzwischen hatte er seine Doris geheiratet und stand davor, Vater zu werden. Mit Ehefrau, Tochter Pam und einem alten Mercury kam sie 1957 in Nashville an. Doris Tillis würde sich nie dort wohl fühlen, weshalb die Ehe letztendlich nach etlichen Jahren zerbrach.

Trotz anfänglicher Skepsis bedeutete das Stottern bei den Plattenaufnahmen kein Problem. Finanziell zahlte sich sein Gesang zunächst nicht aus – aber er lernte die Interna von Music City kennen. Eng befreundet war er bald mit Roger Miller, der damals ebenfalls ums Überleben kämpfte. Es waren entbehrungsreiche Zeiten. In seinem Buch gibt Tillis manche Episode aus den wilden 50er Jahren zum Besten, er selbst alles andere als ein Kind von Traurigkeit. Wobei der Alkohol immer wieder eine Hauptrolle spielte – auch Tillis spuckte nicht hinein. Mehr sei hier nicht verraten. Auch sonst erwies er sich nicht gerade als geschickt. So kaufte er eine kleine Farm bei Nashville, um dann festzustellen, dass dort kein fließendes Wasser vorhanden war und auch Bohrungen nach einer Quelle erfolglos blieben. Inzwischen hatte sich eine 2. Tochter eingestellt, derweil Tillis in Sachen Geld dem Glück hinterher lief. Da hatte er immerhin einige Hits geschrieben, doch zum Überleben reichte das nicht. Die Konsequenzen: Trennung vom Manager, Rückzug nach Pahokee, Arbeiten als Milchwagenfahrer, erneuter Versuch in Nashville. Andere hatten Erfolg mit seinen Songs (z.B. erneut Webb Pierce mit „I Ain’t Never“), Tillis schaffte es nicht als Sänger. Immerhin aber summierten sich seine Meriten als Autor. Burl Ives erwärmte sich zunehmend für seine Songs. 1963 gelang Tillis ein Riesending als er gemeinsam mit Danny Dill „Detroit City“ schrieb, einen Song, den er aber nicht selbst aufnahm. Darüber witzelte er: „Ich habe darin eine gesprochene Passage eingebaut, wenn ich das gesungen hätte, wären wir heute noch im Studio.“! Bobby Bare bedankte sich auf seine Weise und machte einen Welthit daraus. Weitere Hits aus Tillis‘ Feder: „Heart Over Mind“, „One More Time“ sowie „The Snakes Crawl At Night“ (für Charley Pride).

Mel Tillis

Kurze Zeit gehörte Mel Tillis zur Band von Porter Wagoner bis der ihn eines Tages feuerte. Dafür war Tillis ihm später dankbar, denn so wurde er gezwungen, eine eigene Band auf die Beine zu stellen.

Weiterhin suchte der den Erfolg als Sänger, während ihm als Songschreiber das widerfuhr, wovon alle träumen: „den“ Hit zu schreiben. „Ruby Don’t Take Your Love To Town“! Tillis dazu: „Ich musste das Lied nicht aufschreiben, es hatte schon einige Jahre in mir gearbeitet. Worte und Musik kamen gleichzeitig. Es basiert auf einer wahren Begebenheit, die sich wenige Yards von unserem Haus in der Cypress Avenue in Pahokee ereignete. Der Mann war zweimal geschieden, er tötete seine 3. Frau ehe er sich selbst umbrachte. Oft wurde das Lied als Protestsong gegen den Vietnam-Krieg angesehen. Ich habe aber nie einen politischen Protestsong geschrieben. Unser Nachbar war im 2. Weltkrieg verwundet worden, ich habe die Handlung nur aktualisiert und in den Vietnam-Krieg verlegt.“

Der Weg des Sängers Mel Tillis führte von Columbia über Decca zu Kapp. Dort endlich gelangen ihm mit „Stateside“ und „Life Turned Her That Way“ erste eigene Hits. Im September 1968 erschien ein Lied, das so etwas wie sein Markenzeichen werden sollte: „Who’s Julie“. Von da an ging die Fahrt richtig los. „Heart Over Mind“, „Heaven Everyday“, „Neon Rose“, „Sawmill“, „Mental Revenge“, „Burning Memories“, „I Got The Hoss“, „Ain’t No California”, „Send Me Down To Tucson”, „New Patches” sind einige seiner Hits. Von nahezu 80 Singles, die er in die Charts brachte, standen sechs ganz oben: „I Ain’t Never“, „Good Woman Blues“, „Heart Healer“, „I Believe In You“, „Coca Cola Cowboy” und „Southern Rains“.

Im Laufe der Zeit hatte sich Tillis die Hörner abgestoßen, bei seinen Shows gab er sich natürlich, baute vor allem sein Stottern so ein, dass er die Lacher wie die Bewunderer auf seiner Seite hatte. Er war als Entertainer zu einer Attraktion geworden. Von 1971 bis 1976 erhielt er von der CMA den seinerzeit noch vergebenen Award als „Komiker des Jahres“. 1976 kam der Award als bester Entertainer hinzu. 2007 wurde er in die Country Music Hall of Fame aufgenommen. Das sind die höchsten Weihen, die Jemand, der mit Country Music den Lebensunterhalt verdient, erhalten kann. Auch der Film wollte nicht auf ihn verzichten, Mel Tillis war in Streifen wie „Every Which Way But Lose“, „Smokey And The Bandit 2“ oder „Cannonball“ als Schauspieler zu erleben.

Ein erfolgreicher Geschäftsmann ist dieser Mel Tillis auch noch geworden, so warfen seine Musikverlage guten Gewinn ab und auch sein Theater in Branson erwies sich nicht als Fehlinvestition. Mit mehreren Radiosendern, die er kaufte und wieder verkaufte, machte er ebenfalls Gewinn.

Natürlich hat Mel Tillis seine Aktivitäten im Alter deutlich zurückgefahren aber er tritt im Durchschnitt noch 2-3 mal im Monat auf. Das Songschreiben hat er ebenfalls nicht ganz verlernt bzw. aufgegeben. Man mag es kaum glauben aber Mitglied der Grand Ole Opry wurde Mel Tillis erst relativ spät, nämlich im Sommer 2007. Dort kann man ihn gelegentlich auch heute noch live erleben.

Mel Tillis – er ist in Honky Tonks aufgetreten und im Weißen Haus in Washington, er zählt den einfachen Farmer zu seinen Bewunderern ebenso wie studierte Leute. Der Applaus kommt spontan, er kommt von Herzen. Er ist ebenso ehrlich wie sein Dank an die Fans, wenn Mel Tillis sich nach einer Show gut gelaunt zu denen gesellt, die ihm dies alles möglich machen – zu seinen Fans.

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