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Toby Keith: 35 MPH Town

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Toby Keith Toby Keith. Bildrechte: Künstler, Promo (Show Dog Records)

Nach den süßlichen Country-Pop-Anfängen Mitte der 1990er-Jahre hat sich Toby Keith als Stimme und musikalisches Aushängeschild des patriotischen Amerikas einen festen Namen gemacht. Seine bissig-ironischen Persiflagen über den Zustand der Nation („American Ride“) mit den Gewohnheiten ihrer Bürger („As Good As I Once Was“,“I Love This Bar“) erreichten auch den Teil des Publikums, der sich mit den konservativen Heimatschutzbotschaften („American Soldier“) weniger identifizieren konnte. Mit diesem Rezept wurde der streitbare Countryheld aus Oklahoma zum Superstar, der sich neben zahllosen Plattenverkäufen auch als Labelboss und Restaurantkettenbesitzer etablierte.

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Das Jahr 2011 markierte schließlich den Wendepunkt in Keiths Karriere, als er mit dem Funsong „Red Solo Cup“ seinen größten kommerziellen Erfolg feierte und durch den viralen Videoclip zum Social-Media-Star wurde. Dass übermäßiger Erfolg bisweilen die Sinne vernebelt und zu Fehleinschätzungen in Sachen Karriereplanung führen kann, sollte sich in diesem Fall fortan bestätigen. Nach dem von Kritikern gelobten Longplayer „Clancy‘s Tavern“, dem neben „Red Solo Cup“ auch der bis dato letzte Nr.1-Hit „Made In America“ entstammte, wandte sich „Sir Toby“ den oberflächlichen Drinking-Songs zu, ohne dabei an alte Charterfolge anknüpfen zu können. Die Auswahl der Radiosingles („I Like Girls That Drink Beer“, „Drinks After Work“) hatte nichts mehr von dem Biss oder der subtilen Ironie früherer Jahre, sondern driftete in die platten Gefilde des boomenden Bro-Party-Trendes ab. Wenigstens konnten die Alben „Hope On The Rocks“ und speziell „Drinks After Work“ höheren Qualitätsansprüchen weiterhin genügen.

Die Releasepause im Jahr 2014 durfte man vor dem Hintergrund als überfälliges Zeichen zur musikalischen Neuorientierung verstehen. Der Albumtitel 35 MPH Town suggeriert zumindest schon mal eine Art Rückbesinnung zu den Themen, die das Kleinstadtleben des ländlichen Südens ernsthafter beschreiben. Doch schon die Ende letzten Jahres erschienene Leadsingle mit dem Titel „Drunk Americans“ ließ diese Hoffnung schwinden und entpuppte sich als ein weiterer seelenloser Sing-A-Long, der den Alkohol als brückenbauendes Medium feiert. Möglicherweise hatte Top-Songwriterin Brandy Clark mit Keith noch eine Rechnung offen und ihm aus unklaren Motiven diesen unsäglichen Gassenhauer untergeschoben. Der Titelsong „35 MPH Town“, ein Kleinstadtpsychogramm über den Werteverfall der Jugend, sollte es als zweite Single nun richten, ging jedoch mit seiner generationsspaltenden Botschaft ebenfalls baden.

Für den erfolgsprogrammierten Keith war dies eine neue Situation. Die beiden Singles, die die Aufgabe hatten, das Album zu promoten, floppten und schoben den Releasetermin immer weiter hinaus. Nun kam es auf den dritten Singleversuch an, der fast zeitgleich mit dem Album auf die Reise geschickt wurde. „Rum Is The Reason“ heißt der Titel und zählt zu den ärmlichsten Singleveröffentlichungen, die die an flachen Botschaften reiche New-Country-Szene in den letzten Jahren hervorgebracht hat.

Der Message lässt sich entnehmen, dass Alkohol keine Lösung ist – so weit so gut. Doch die ironische Begründung „Hätten die Piraten damals weniger Rum getrunken, würden sie heute die Welt beherrschen“ sorgt schon mal für erste Verwunderung. Dann wird’s zu allem Überfluss noch „historisch.“ „Als Russland im Kämpfen versank, genoss der alte Stalin seinen Wodka Martini und während die Welt zitterte, machte sich „Old Hitler“ über Bier, Sauerkraut und Würstchen her.“ Zu allem Überfluss werden diese lyrischen Peinlichkeiten auch noch in einen mit Steeldrums unterlegten, Jimmy-Buffett-ähnlichen Beach-Chiller verarbeitet. Kann es denn wirklich wahr sein, dass New-Country im Jahr 2015 solche Stilblüten treiben muss, um sich beim Publikum Gehör zu verschaffen?

Glücklicherweise hatte das Country-Radio ein Einsehen und der Verbreitung dieses musikalischen Unglücksfalles Einhalt geboten. Auch der Künstler selbst hat reagiert und mit der Ballade „Beautiful Stranger“ den vielleicht stärksten Albumsong als offizielle neue Radiosingle nachgeschoben.

Und die anderen Songs? Da ist zum einen „Haggard, Hank & Her“, ein feiner Midtempo-Groove, in dem wir die Anlagen starken Songwritings wiederfinden. Neben der solide vorgetragenen Ballade „What She Left Behind“ können die kraftvollen Upbeats auf „Good Gets Here“ oder „10 Foot Pole“ Einiges von dem guten alten Keith-Spirit entfachen und das Album letztlich vor dem Totalabsturz bewahren.

Fazit: Sollte man sagen: Schwamm drüber? Besser ist das wohl, denn Countrysuperstar Toby Keith gefährdet mit den unglücklichen Beiträgen auf „35 MPH Town“ einen Teil seines Popularitätsbonus, den er sich über die Jahre hart und verdient erarbeitet hat. Auch wenn einzelne Titel immer noch den Keith-typischen „Swagger“ in sich tragen, sind es gerade die mit den Singlereleases verbundenen „Werbebotschaften“, die das 18.Studioalbum des Mannes aus Oklahoma in ein skurriles Licht rücken. Am Ende bleibt zu hoffen, dass Toby Keith schnell wieder zu alter Kreativität zurückfindet und für das Jahr 2016 mit einem neuen Album eine stilechte Wiedergutmachung anbieten kann.

Toby Keith - 35 MPH Town

Titel: 35 MPH Town
Künstlerin: Toby Keith
Veröffentlichungstermin: 30. Oktober 2015
Label: Show Dog Nashville
Vertrieb: Universal Music
Format: CD & Digital
Laufzeit: 33:27 Min.
Tracks: 10
Genre: Country
Bewertung: 2 von 5 möglichen Punkten!

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Trackliste:

01. Drunk Americans
02. Good Gets Here
03. 35 Mph Town
04. Rum Is The Reason
05. What She Left Behind
06. 10 Foot Pole
07. Haggard, Hank & Her
08. Sailboat For Sale
09. Every Time I Drink I Fall In Love
10. Beautiful Stranger

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Über Bernd Wenserski (602 Artikel)
Redakteur. Fachgebiet: New Country. Rezensionen und Specials.
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