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Various Artists: Roll Columbia. Woody Guthrie’s 26 Northwest Songs

Erstmals sind alle Songs der Columbia River Collection auf einem Album zu hören. Eingespielt von Musikerinnen und Musiker aus dem Nordwesten der USA.

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Roll Columbia - Woody Guthrie's 26 Northwest Songs Roll Columbia - Woody Guthrie's 26 Northwest Songs. Bildrechte: Smithsonian Folkways

Es ist wieder mal an der Zeit, hier etwas über Woody Guthrie zu schreiben. Im Oktober 2017 jährt sich der Todestag der amerikanischen Folk-Legende zum 50. Mal. Ob sich die Verantwortlichen der Country Music Hall Of Fame in Nashville dann endlich entschließen können, diese amerikanische Musik-Ikone in die Ruhmeshalle aufzunehmen, es fehlt einem der Glaube. Dennoch sei hier nochmals an die Worte seiner Tochter Nora Guthrie erinnert: „Woodys Geburt als Musiker begann mit Countrymusik und er war ein Countrymusiker. Er ist in der Rock’n’Roll Hall Of Fame und in der Songwriters Hall of Fame, aber nicht in der Country Music Hall of Fame. Aber das hat etwas mit Politik zu tun, nicht mit seiner Musik. Er war immer stark verbunden mit der Musik von Jimmie Rodgers und der Carter Family, und er sah sich selbst als Hillbilly-Musiker“.

Columbia River Collection erstmals komplett auf einem Album

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Doch kommen wir zum eigentlichen Anlass dieses Artikels. denn Smithsonian Folkways Recording veröffentlicht in diesem Jahr nun zum ersten Mal ein Album mit allen 26 Songs der Columbia River Collection, die Woody Guthrie 1941 im Auftrag der Bonneville Power Administration schrieb. Ziel der Marketingfirma im Besitz des US-Energieministeriums war es, den Bau der Staudämme im nordwestlichen US-Territorium an der Pazifikküste propagandistisch zu begleiten. Woody nahm aber nur 17 der 26 Songs auf. Für das Smithsonian-Projekt haben Künstlerinnen und Künstler aus der Region im Nordwesten der USA im vergangenen Jahr zum 75. Jubiläum der Columbia River Collection alle Songs eingespielt. Unter den Musikern finden sich Bandmitglieder von REM, Black Prairie und The Decemberists ebenso wie die Folk-Veteranen wie Michael Hurley und David Grisman sowie jüngere Musiker aus der Gegend. Titel der Doppel-CD: Roll Columbia: Woody Guthrie’s 26 Northwest Songs.

Rastlos von New York nach Oregon

Woody war Anfang 1940 nach New York gekommen und machte mit dem Musikforscher Alan Lomax erste Tonaufnahmen für die Library of Congress; außerdem spielte er für das Plattenlabel RCA Victor seine Dust Bowl Ballads ein. Er lernte Pete Seeger kennen und wurde Mitglied der linken Folkgruppe The Almanac Singers. Doch allzu lange hielt er es in New York zu diesem Zeitpunkt nicht aus. Immer noch keimte der Wandertrieb des Hobo in ihm auf. Und so nahm er dankbar das Angebot der Bonneville Power Administration an, die über seine Dust Bowl Ballads auf ihn aufmerksam wurde, und Songs wollte, die in einem Film über die Bauarbeiten an den gigantischen Staudämmen des Columbia River gespielt werden sollten. Für Woody waren die Staudämme ein absolut unterstützenswertes Projekt. Sie gaben dem Land Elektrizität und den Menschen Arbeit. Es war eines der zentralen Infrastrukturprojekte des New Deal und Woody schrieb den Soundtrack dazu. Also reiste er nach Portland, Oregon, unterzeichnete er einen Vertrag, wurde Regierungsmitarbeiter für einen Monat und bekam knapp 267 Dollar. Und seine Kreativität war enorm: Innerhalb von 30 Tagen schrieb er 26 Songs!

Sternstunden der Folkmusik

Mit den Songs dieses Zyklus setzte er nach den Dust Bowl-Songs erneut einem Landstrich und seinen Menschen ein Denkmal. Da waren es die vor dem Elend fliehenden Okies und deren Hoffnung in Kalifornien ein besseres Leben zu finden, hier waren es die Menschen im Nordwesten der USA, im Staat Washington, die durch die Bändigung und Nutzbarmachung des Columbia River endlich Arbeit fanden und ihre Lebensverhältnisse durch die Elektrifizierung verbessern konnten. Seine Songs waren Oden an die Arbeiter genauso wie an die Ingenieurskunst und an die Bauwerken, die sie schufen. Einige seiner bedeutendsten Songs finden sich in diesem Zyklus: „Pastures of Plenty“, „Hard Travelin'“, „The Grand Coulee Dam“ und „The Biggest Thing That Man Has Ever Done (The Great Historical Bum)“.
Zwar hatten die Songs durchaus Pathos, aber Woody wäre nicht Woody, wenn er es nicht immer auch mit Humor und Ironie gebrochen hätte. Und Woody war sich auch über die Gefahren der Baumaßnahmen für die Umwelt im Klaren, wie man seinen Briefen aus dieser Zeit entnehmen kann. Und auch persönliche Themen fanden durchaus ihren Niederschlag. Der Song „It Takes A Married Man To Sing A Worried Song“ ist seiner immer größer werdenden Probleme mit seiner Ehefrau Mary geschuldet, die kein Verständnis mehr für seine Rastlosigkeit aufbringen konnte. Die Ehe wurde schließlich 1943 offiziell beendet.

Musterbeispiele für die Entstehungsweise von Folksongs

Dem Woody Guthrie-Epigonen Bob Dylan wird immer wieder vorgeworfen, sich allzu leichtfertig für seine Lieder bei anderen Songs zu bedienen. Doch man muss nur diesen Liederzyklus hier studieren, um zu verstehen, dass dies das gängige, typische Prinzip ist, wie Folksongs entstehen: Die Melodie von „Pastures of Plenty“ fußt auf dem britischen Traditional „Pretty Polly“, „Portland Town To Klamath Falls“ hat die gleiche Melodie wie „The Crawdad Song“, der wiederum auf „Froggie Went A Courtin basiert. „The Grand Coulee Dam“ lehnt sich an „Wabash Cannonball“ an und „It take A Married Man To Sing A Worried Song“ ist natürlich nah an „Worried Man“ von der Carter Family. „Love And Theft“ hat Bob Dylan mal eines seiner Alben genannt. „Diebstahl aus Liebe“ wäre der bessere Titel dafür gewesen, und ist auch hier als Überschrift passend. Woody Guthrie verehrte die Carter Family und nutzte gleichzeitig die Popularität derer Melodien für seine Zwecke. Ein unter Folkmusikern völlig unumstrittenes Verfahren.

Neu-Interpretationen durch Künstler aus dem Nordwesten

Genauso unumstritten, wie der der Umstand, dass gute Musiker Songs nicht eins zu eins nachspielen wollen, sondern gerne ihren eigenen musikalischen Stempel aufdrücken, und sich die Songs sich aneignen wollen. Und so sind auch hier verschiedenste neue Versionen der Guthrie-Songs zu hören. Mal näher am Original, mal weiter. Bestes Beispiel: Darrin Craigs und Jon Neufeld führen „The Grand Coulee Dam“ mittels Verlangsam in neue Bedeutungsgefilde. Da wo Woodys Fassung vielleicht zu überzeugt und fortschrittsgläubig war, geben sie dem Song eine neue Nachdenklichkeit. Die Folgen für die Umwelt, und dass die sozialen Probleme in der USA heute wieder ähnlich dramatisch sind wie zu den Entstehungszeiten des Songs, führt zu ihrer gebrochenen, durchaus leicht resignativen Fassung des Songs.

Verantwortlich für die Neuaufnahmen zeichnen Joe Seamons und Bill Murlin, unterstützt wurden sie vom Smithsonian Folk-Archivar und Kurator Jeff Place. „Zu viele dieser Songs lebten bislang nur in Archiven und Bibliotheken; Songs sind aber dazu da, gesungen zu werden“, sagt Joe Seamons. Und da dieses Album nicht nur einen wichtigen Beitrag zum Verständnis der amerikanischen Folkgeschichte, sondern auch zur Geschichtsschreibung des Nordwestens der USA darstellt, wurden ausschließlich Künstler berücksichtigt, die in der Region leben.

Fazit: Musikgeschichte, die Spaß macht. Ein großartiges Album! Woodys Songs müssen gesungen werden, daher helfen diese Neuaufnahmen dabei, dass sie lebendig bleiben. Grammy-Anwärter!

Roll Columbia – Woody Guthrie’s 26 Northwest Songs: Das Album

Roll Columbia - Woody Guthrie's 26 Northwest Songs

Albumtitel: Roll Columbia – Woody Guthrie’s 26 Northwest Songs
Künstler: Various Artists
Erscheinungsdatum: 28. April 2017
Label: Smithsonian Folkways Recording (Galileo)
Laufzeit: 104:06 Min.
Format: Doppel-CD & Digital
Tracks: 28
Genre: Folk, Americana

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Trackliste: (CD 1)

01. Pastures Of Plenty – Michael Hurley mit Jon Neufeld
02. That Oregon Trail – Pharis & Jason Romero
03. Lumber Is King – Cahalen Morrison
04. Out Past The End Of The Line – Timberbound
05. Portland Town To Klamath Falls – Tony Furtado mit Kristin Andreassen
06. Eleckatricity And All – Annalisa Tornfelt & the Tornfelt Sisters
07. Hard Travelin‘ – Ben Hunter & Joe Seamons
08. Columbia Talkin‘ Blues – Carl Allen
09. The Talkin Blues – Al James mit John Neufeld
10. Jackhammer Blues – Martha Scanlan & Jon Neufeld
11. Roll On Columbia, Roll On – Kate Power & Steve Einhorn
12. The Biggest Thing That Man Has Ever Done – Caitlin Belem Romtvedt & David Romtvedt
13. Jackhammer Blues – Orville Johnson
14. Guys On The Grand Coulee Dam – Bill Murlin, Jim Portillo & Ron Dalton
15. End Of My Line – Timberbound

Trackliste: (CD 2)

01. Columbia’s Waters – Caitlin Belem Romtvedt & David Romtvedt
02. Ballad Of The Great Grand Coulee – Darrin Craig mit Jon Neufeld
03. Washington Talkin Blues – Scott McCaughey mit Peter Buck & Jon Neufeld
04. It Takes A Married Man To Sing A Worried Song – Pharis & Jason Romero
05. Ramblin‘ Blues (Portland Town) – Ben Hunter & Joe Seamons 
06. New Found Land – John Moen mit Chris Funk & Jon Neufeld
07. White Ghost Train – Cahalen Morrison
08. The Song Of The Grand Coulee Dam (Way Up In That Northwest) – George Rezendes & David Grisman
09. A Ramblin‘ Round – John Moen mit Chris Funk
10. Roll, Columbia, Roll – Bill Murlin, Jim Portillo & Ron Dalton
11. Grand Coulee Powder Monkey – Scott McCaughey mit Peter Buck & Jon Neufeld
12. The Ballad Of Jackhammer John – Cahalen Morrison mit Joe Seamons & Jon Neufeld
13. Pastures Of Plenty – Orville Johnson

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Über Thomas Waldherr (804 Artikel)
Redakteur. Fachgebiet: Bob Dylan, Country & Folk, Americana. Rezensionen, Specials.
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