Meldungen

„Can The Circle Be Unbroken“ – die Hymne der Countrymusik

Vor 90 Jahren kam die Aufnahme des Kirchenliedes "Will The Circle Be Unbroken" durch die Carter Family heraus, bis heute der Countrysong, auf den sich alle einigen können.

ANZEIGE
Hier klicken und Radio hören

Carter Family - Can The Circle Be Unbroken Carter Family - Can The Circle Be Unbroken. Bildrechte: Sony Music

Countrymusik grenzt das Thema Tod nicht aus. Im Gegenteil: Der Tod spielt in vielen Countrysongs eine große Rolle. Und dafür muss man nicht zwingend Mörderballaden als Beispiel heranziehen. Vielleicht ist es gerade deshalb nicht so verwunderlich, dass sich das Genre einen Song, der über mehrere Strophen die Beerdigung der eigenen Mutter zum Thema macht, als seine Hymne gewählt hat, zeugt der Song doch gleichzeitig von dem Wunsch, trotz aller Vergänglichkeit den Stab weiterzugeben und den Circle, die Tradition, aufrechtzuerhalten. Nicht der Verlust steht hier im Vordergrund, was zählt ist, dass es weitergeht.

ANZEIGE
Hier klicken und Radio hören

Wenn ein wichtiges Konzert z.B. im Ryman Auditorium oder in der Opry zu Ende geht, wenn die Künstler zum Finale von Willie Nelsons Farm Aid die Bühne teilen oder wenn die alljährliche feierliche Aufnahme neuer Mitglieder in die Country Music Hall Of Fame abgeschlossen ist, ertönt Will The Circle Be Unbroken. Dann gedenken die Singenden derer, die diese Kunstform begründet haben, reihen sich in die Tradition ein und hoffen, selbst eines Tages Teil dieses Erbes zu werden. Musiker und Fans verbinden sich im Gesang und stärken die Gemeinschaft. Denn der Song transportiert die Hoffnung, dass die Musik nie vergeht, selbst dann, wenn alle, die das Stück gerade singen, schon lange nicht mehr sind.

In den Fokus der Countrymusik geriet das ehemalige Kirchenlied als Can The Circle Be Unbroken durch die Bearbeitung und Aufnahme der Carter Family. Vor den Carters war das Stück bereits zweimal aufgenommen worden. Die Aufnahme der „first family of country music“ wurde neben Wildwood Flower dann auch ihr größter Hit.
Aufgenommen wurde das Stück im Mai 1935, veröffentlicht wurde es im Sommer des gleichen Jahres. A.P. Carter machte es hier wie bei vielen anderen Carter-Songs: Obwohl er die Stücke nicht geschrieben hatte, lies er sich als einer der Urheber eintragen, da er sie arrangierte und auch in einigen Fällen neue Strophen beisteuerte. Oder wie er es nannte, wenn er über die Songs sprach: „I fixed them up“.

Um das „Eigene“ der Carter-Version von „Will The Circle Be Unbroken“ zu betonen, veränderte er leicht die Melodie, schrieb neue Strophen und änderte den Anfang des Titels, indem er „Will“ durch „Can“ ersetzte. Außerdem machte er aus den Passagen des Choruses am Ende Gewissheiten. Bei ihm heißt es nicht mehr fragend „Is a better home awaiting in the sky, in the sky?“ Nein, es heißt tröstend: „There’s a better home awaiting in the sky Lord, in the sky.“ – eine kleine Änderung von signifikanter Bedeutung.

Komponiert wurde „Will the Circle Be Unbroken“ bereits 1907 vom Amerikaner Charles H. Gabriel, den ursprünglichen Text verfasste die Engländerin Ada R. Habershon. Eigentlich ist das Stück heute aufgrund seines Alters copyright-freie Musik. Jedoch einzig die Carter-Version hält noch ein Copyright. Mit den Sessions in Bristol, Tennessee, hatte acht Jahre vor der Carter-Aufnahme die Geschichte des Musikgenres begonnen, das man heute Countrymusik nennt und das zunächst als Old Time Music, dann Hillbilly und später als Folkmusik bekannt wurde. Jimmie Rodgers und die Carter Family starteten in Bristol ihre Karrieren.

Faszinierend, dass gerade das archaisch anmutende „Can The Circle Be Unbroken“ bereits im Kern zeigt, worum es bei kommerzieller Musik von Anfang an geht: Es geht ums Geldverdienen. Nicht umsonst spricht man von Musikindustrie. Folgerichtig fügte Ralph Peer – als Entdecker der Carters, von Anfang an seinen Publishing Credit ihren Aufnahmen hinzu, denn als Musikverleger verdiente er an jeder verkauften Platte mit.

Mit „Can The Circle Be Unbroken“ zeigt sich bereits ebenso die Folktradition des Rewriting im musikindustriellen Kontext: des Nehmens einer dem Autor bereits bekannten Melodie und des Versehens dieser mit einem neuen Text. Eine Praxis, die einige Klassiker der Folk- und Countrymusik hervorgebracht hat, aber nur wenigen Musikfreunden bekannt ist. Oder wussten Sie, dass Bob Dylans „Don’t Think Twice, It’s Alright“, Woody Guthries „This Land Is Your Land“, Hank Williams „I Saw The Light“ und Johnny Cashs „Folsom Prison Blues“ alles andere als eigenständige Werke dieser Legenden sind? Die Melodien und manchmal sogar einige weitere Bestandteile dieser Songs waren Schöpfungen heute völlig unbekannter Musiker und Autoren.

Seine ganze Kraft als Generationen verbindendes Stück entfaltete „Will The Circle Be Unbroken“ erstmals so richtig vor mehr als 50 Jahren, als es 1972 als Titelsong des gleichnamigen Albums der Nitty Gritty Dirt Band erschien.

Der Generation Gap hatte sich Ende der 60er Jahre infolge des Vietnamkrieges nochmals vertieft und auch die Oldtimer an Nashvilles Grand Ole Opry – wie z.B. Roy Acuff – wollten zunächst nichts mit dem „bunch of long-haired West Coast boys“ zu tun haben, wie er die Band titulierte, als diese ihn und andere Veteranen des Genres als Gäste für ihr Projekt anfragte.

Schließlich besannen sich die meisten dann doch eines Besseren und so spielten neben Mother Maybelle Carter, die den Leadgesang beisteuerte, u.a. Acuff, Earl Scruggs und dessen Söhne sowie Doc Watson, Merle Travis und Jimmy Martin. Das ganze Album, das sich schon damals über drei LPs erstreckte, enthielt in seiner regulären Ausgabe sage und schreibe 38 Tracks, allesamt Traditionals und Genre-Klassiker. Und es ist zurecht selbst ein Klassiker der Countrymusik geworden. Nicht nur, weil drei Generationen hier friedlich miteinander musizierten – sondern auch weil nie deutlicher war, was mit dem Circle gemeint ist.

Erklingt der Song heute auf einer Country-Bühne, erklingt er in dieser Version, unter seinem ursprünglichen Namen, aber mit dem von A. P. Carter geänderten Chorus und den vor 90 Jahren veröffentlichen Strophen: Will the circle be unbroken – so sei es.

ANZEIGE
Hier klicken und Radio hören

Einige unserer Artikel enthalten s.g. Affiliate-Links. Affiliate-Links sind mit einem * (oder mit einem sichtbaren Bestellbutton) gekennzeichnet. Partnerprogramme Amazon, JPC, Bear Family Records und Awin (Eventim), Belboon (MyTicket): Country.de ist Teilnehmer des Partnerprogramms von Amazon Europe S.à.r.l. und Partner des Werbeprogramms, das zur Bereitstellung eines Mediums für Websites konzipiert wurde, mittels dessen durch die Platzierung von Werbeanzeigen und Links zu Amazon.de Werbekostenerstattung verdient werden kann. Ausserdem ist Country.de Teilnehmer der Partnerprogramme von JPC und Bear Family Records sowie Affiliate-Marketing-Anbieter Awin (Eventim) sowie Belboon (MyTicket).

Über Oliver Kanehl (63 Artikel)
Redakteur. Fachgebiet: Traditionelle Countrymusik von vorgestern und heute (Indie Country, Hillbilly, Honky Tonk u.a.) Rezensionen, Specials.
Kontakt: Webseite