Wie von den Toten auferstanden – Luke Bell: The King Is Back
Nach 10 Jahren gibt es neue Musik von dem 2022 verstorbenen Ausnahmekünstler.
Luke Bell - The King Is Back. Bildrechte: Thirty Tigers
„Das muss KI sein!“ War im Netz zu lesen. Aber nein, das ist echt. Manche Dinge glaubt man erst, wenn man sie mit eigenen Augen gesehen oder mit den eigenen Ohren gehört hat. Dass ich diese Platte einmal in den Händen halten würde, hätte ich mir nicht mehr träumen lassen. Aber es ist wahr: Am 7. November 2025 erschien mit „The King Is Back“ und seinen stattlichen 28 Songs endlich der Nachfolger des vielbeachteten 2016er Albums von Luke Bell.
I’m sure you’ve all been dying to see me
I bet you’ve all been wondering where I’m at
I heard things just ain’t the same without me
Hold your hats, the party’s on, the king is back!
Einen passenderen Titel hätte man nicht finden können, entfaltet der Titelsong doch gerade erst angesichts der großen Veröffentlichungspause, der langen Ungewissheit über Lukes Verbleiben abseits der Öffentlichkeit und schließlich seines tragischen Todes mit gerade mal 32 seinen eigentlichen bitteren Witz. – „Bäm! Here I am! Ich bin zurück!“ Ein äußerst gelungener Auftritt mit großem Überraschungseffekt.
Und auf einmal ist alles wieder da, was Luke Bell in seinen besten Zeiten ausmachte: Riesenchuzpe, ein grenzenloses Selbstbewusstsein voller selbstsicherer Selbstverständlichkeit, ein breites entwaffnendes Grinsen und stets eine überaus überzeugende Performance.
Country.de Leser, die mit Luke Bells Geschichte nicht vertraut sind, sei meine zweiteilige Story ans Herz gelegt. Dort habe ich ausführlich die berührende, faszinierende Story des Countrymusikers aus Wyoming erzählt. Und vieles davon findet man dann auch wieder, wenn man das toll gemachte umfangreiche Booklet der Vinylausgabe von „The King Is Back“ aufschlägt. Dort beschreibt Carol Bell, Lukes Mutter, auf sehr persönliche Weise die Wunder und Wendungen von Lukes kurzem bewegten Leben.
Bells Mutter sagt, dass sie rückblickend denke, dass Lukes Stücke von Menschen handeln, die vorgeben, unverwundbar zu sein, obwohl sie in Wirklichkeit Angst haben und leiden. Bei Luke Bell waren in späteren Jahren eine schizoaffektive Störung, Schizophrenie sowie eine Bipolar II-Störung mit psychotischen Episoden diagnostiziert worden.
Carol sagt, Luke habe den Titelsong „The King Is Back“ im Herbst 2015 aufgenommen. Sein Manager wollte diesen gleich nach dem Krebs-Tod von Lukes Vater damals veröffentlichen. Luke wollte das Stück aber nicht herausbringen. Er hielt es für gefährlich und sagte ihr, er habe Angst, dass die Leute ihn sonst für Jesus halten und töten würden. Mit ihrem heutigen Wissen, sei ihr klar, dass er sich mitten in einer psychotischen Episode befand. Sie war zwar damals sehr über seine Paranoia beunruhigt und riet ihm, zu einem Psychologen zu gehen und sich über Antidepressiva zu informieren, aber alles in allem sei sie nicht so alarmiert gewesen, wie sie es heute wäre. Luke sei schon immer ein grandioser Denker gewesen und sich vorzustellen, dass die Leute ihn wegen eines Songs namens „The King Is Back“ für Jesus halten würden, schien nicht so weit außerhalb von Lukes üblicher Vorstellungskraft zu liegen.
Auf den ersten Blick erscheint das nun Veröffentlichte fast zu umfangreich. Rund 30 Songs wären eigentlich drei Alben! Aber was einfach umhaut, ist die Qualität der Stücke und Aufnahmen. Wir hören Geschichten von Arbeitern, unglücklich verliebten Rumtreibern und über persönliche Kämpfe. Hier gibt es keine B-Seiten oder schwächere Songs. Alles hat das hohe Niveau des 2016er Major-Debüts. Für dieses wurden damals die Hälfte der Songs des von Bell im Selbstvertrieb herausgegeben zweiten Albums „Don’t Mind If I Do“ verwendet, gepaart mit damals neu aufgenommenen Stücken.
Auf „The King Is Back“ können wir jetzt neu gemischt und frisch gemastert endlich komplett die andere Hälfte hören. Außerdem wurden alle weiteren Songs der damaligen Sessions für den anderen Part des Major-Debüts nun erstmals veröffentlicht. Zudem sind alle Recordings für den damaligen angedachten Nachfolger der Platte von 2016 enthalten. Wir dürfen also alle Aufnahmen Bells hören, die er zwischen 2013 und 2016 gemacht hat. Was für ein Geschenk, das uns Lukes Mutter, seine Schwester Jane, sein damaliger Manager und Thirty Tigers nun machen. Und damit harrt auf einmal wohl nur noch Bells Frühwerk seiner Wiederveröffentlichung.
Der Nettoerlös des Albums kommt dem Luke Bell Memorial Affordable Counseling Program zugute, das in seinem Andenken ins Leben gerufen wurde. Das Programm unterstützt Bedürftige in Lukes Heimat Wyoming dabei, Zugang zu psychologischer Betreuung zu bekommen. Es ist eine gemeinnützige Organisation, die von Carol und Jane Bell gegründet wurde.
In diesem Zusammenhang sei erwähnt, dass die vom amerikanischen öffentlich-rechtlichen Fernsehsender PBS 2024 produzierte Doku-Reihe „A State of Mind: Confronting Our Mental Health Crisis” auch Luke Bells Krankengeschichte erzählt.
Und dies ist nicht das einzige Filmprojekt zu Luke. Ende 2023 gingen die Filmemacher Matt Bakken und Kevin Romeo mit Ihrem Luke-Bell-Dokumentarfilm-Projekt „Where Ya Been?“- The Odyssey and Elegy of Luke Bell an die Öffentlichkeit und posteten online einen vielversprechenden Trailer. Eine Kickstarter-Kampagne fand rasch die noch fehlende Summe, um den Film fertigzustellen. Geplant war die Veröffentlichung der Doku ursprünglich für Oktober 2024. Zwischenzeitlich berichteten die Filmemacher von Verzögerungen und dass der Schnitt nun wohl abgeschlossen sei, sie aber leider bisher nicht damit erhofften Erfolg hatten, den Film auf einem renommierten Festival unterzubringen.
Es bleibt zu hoffen, dass es 2026 nun endlich zur Premiere dieser interessanten und lang erwarteten Arbeit kommen wird. Vielleicht wird in diesem Zuge ja sogar noch etwas unbekannte Musik von Luke Bell das Licht der Welt erblicken.
Den Filmemachern sei als Trost gesagt, was Luke im nun erstmals veröffentlichten berührenden On Our Own singt:
„The road you got is the one you’re on
Some is wide and some go long“

