Hat Country Music ein Alkoholproblem?
In „Drunk On A Plane“ serviert die Flugbegleiterin Dierks Bentley Cola und Whiskey, die Frau in Lady Antebellums „Hey Bartender“ bestellt einen doppelten Whiskey und der Mann in Brad Paisleys „River Bank“ hat zwei 12er Packungen Bier dabei und träumt zusätzlich von Tequila Shots.
Hat unsere Musik ein Alkoholproblem, fragt man sich in Countrymusikkreisen, vor allem bei dem entsprechenden Radiosendern in den USA, und dem Billboard Magazine ist das Ganze einen Artikel wert. Wenn man genauer hinhört, findet man in der aktuellen Countryhitparade sieben Songs mit direktem Bezug zu genussreichem Alkoholkonsum. Zu den bereits erwähnten kommt „Sunshine and Whisky“ (Frank Ballard), „Cold one“ (Eric Church), „Day Drinking“ (Little Big Town), „Rum“ (Brothers Osborne), „Buzz Back Girl“ (Jerrod Niemann) und gerade aus der Charts herausgefallen ist „Whiskey In My Water“ von Tyler Farr. In fünf weiteren aktuellen Hits gibt es Bezüge zu Alkoholkonsum, und zwar jedes Mal verbunden mit Feiern, Spaß und gutem Lebensgefühl.
Genau hier beginnen die Fragen: Vermitteln diese Songs ein zu positives Bild des Alkoholkonsums? Werden so junge Menschen zum Saufen gebracht, um es mal locker auszudrücken. Dazu passt, dass es bei Livekonzerten von Countrystars in letzter Zeit vermehrt zu Alkohol bedingten Zwischenfällen gekommen ist. Als Keith Urban am 26. Juli in Mansfield (Massachusetts) auftrat, gab es 46 Notfälle, von denen 22 eine Krankenhausbehandlung erforderte. Ähnliche Zahlen liegen von einem Konzert mit Jason Aldean und Miranda Lambert in Cleveland, Ohio vor.
Nun haben Drinking Songs in der Country Music einen festen Platz. Beispiele gefällig? „If Drinking Don’t Kill Me (Her Memory Will)“ (George Jones), „Misery And Gin“ (Merle Haggard), „She’s Acting Single (I’m Drinkin‘ Doubles)“ (Gary Stewart), „Drinking My Baby (Off My Mind) (Eddie Rabbitt). Sogar eine Frau hat mit „José Cuervo“ den Tequila besungen (und einen Platz 1 damit erreicht), nämlich Shelly West. Allerdings gibt es einen wichtigen Unterschied zu den heutigen Hits, fast immer ist der Alkohol Auslöser des traurigen Songs oder wird als Tröster getrunken, weil das Elend sonst zu groß ist. Moralische Aufrüstung gegen Alkoholmissbrauch hat die Country Music aber auch immer mal wieder geliefert. So in den 1990er Jahren, als mit „Whiskey If You Were A Woman“ (Highway 101) oder Diamond Rios „You’re Gone“ vor Alkohol und seinen schlimmen Folgen gewarnt wurde.
So richtig erklären kann den aktuellen Trend aber niemand. Cole Swindell, Jungstar mit ersten Hit und bereits erfolgreicher Songschreiber, der den aktuellen Hit von Luke Bryan „Roller Coaster“ vor drei Jahren geschrieben hat, meint, dass die Zeile „with Baccardi on her lips“ jetzt wohl anders formuliert worden wäre. Er meint, dass sich das Bewusstsein bereits geändert hätte.
Und die Radiostation in den USA spielen die „alkoholgetränkten“ Songs seltener. Einige lassen stets mindestens 20 bis 30 Minuten Zeit vergehen, bevor ein solcher Song wieder gespielt wird. So wird sich das Problem womöglich bald selbst erledigen. Wenn Bier- und Whiskeylieder im Radio weniger gespielt werden, wird der Nachschub an entsprechenden Songs fehlen. Dann werden wohl wieder mehr Herzschmerz oder Cheating Songs geschrieben und gesungen werden.