Brett Eldredge: Illinois
Als Brett Eldredge im Jahr 2012 Teil der New-Country-Szene wurde, waren die Insider des Genres in mehrfacher Hinsicht verblüfft. Mit einer Charakterstimme, die irgendwo zwischen Soul und Barjazz angesiedelt ist, trieb der lässige Endzwanziger den funkigen Beat seiner dritten Radiosingle „Don’t Ya“ bis an die Spitze der Country Airplay Charts.
Der Mann aus der Kleinstadt Paris im Osten des Bundesstaates Illinois unternahm gar nicht erst den Versuch, durch countrymäßige Attitüde seine Herkunft zu verleugnen und machte sich die stilistische Offenheit der aufkommenden Bro-Phase musikalisch zu nutze. Als dann der Nachfolger „Beat Of The Music“ zur erfolgreichsten Country-Radiosingle des Jahres 2014 wurde und mit der Ballade „Mean To Me“ der dritte Nummer-Eins-Hit folgte, war der „Exot aus dem Norden“ als Bestandteil der Szene etabliert. Den endgültigen Ritterschlag erhielt Eldredge schließlich als er im gleichen Jahr zum CMA-„New Artist Of The Year“ gewählt wurde.
Nun gilt es, das frisch erschienene zweite Studioalbum zu beurteilen. Und da haben wir sie wieder, die aktuelle Lagerdiskussion zwischen denen, die Stilechtheit und Tiefgang im Geiste Haggards vertreten und denen, die einfach nur an gefälligem, radiofreundlichem Crossover-Pop interessiert sind. Eines vorweg: Der Spagat zwischen beiden Lagern (sofern er überhaupt gewollt war) ist Brett Eldredge auf dem 12-teiligen Illinois nicht gelungen. Stattdessen dominieren die kommerziell verwertbaren Rhythmen und Melodien, die an den Wurzeln des Genres deutlich vorbeigehen. Selbst ein gewiefter musikalischer Spurenleser wird vereinzelte countrytypische Elemente nur in stark reduzierter Form entdecken können.
Ein Gütesiegel aktueller New-Country-Alben ist ihre Produktion. Die ist auch auf „Illinois“ top, zumal mit Ross Copperman, Byron Gallimore und Scott Hendricks die erste Garde der Branche mitgewirkt hat. Auf allen 12 Titeln ist Brett Eldredge als Songwriter erwähnt, so dass wir ein Mindestmaß an persönlicher Note erwarten dürfen.
Der Beginn ist schon mal Wasser auf die Mühlen der New-Country-Kritiker. „Fire“ präsentiert sich als fetziger, soundüberladener Radio-Rock, der melodisch die aktuelle DNA der New-Country-Songs in sich trägt. Auf Song Nr. 2 „You Can’t Stop Me“ wird es tatsächlich traditioneller. Doch von Country keine Spur. Stattdessen hören wir einen Old-School-Disco-Funk, der mit Duettunterstützung von Szene-Buddy Thomas Rhett Facetten von Kool & The Gang in sich trägt und zu Eldredges souliger Stimmfarbe hervorragend passt. „Lose My Mind“ ist die aktuelle Radioleadsingle, an der nicht weniger als sieben Songwriter mitgewirkt haben. Auch wenn dieser Titel in den nächsten Wochen die Spitze der Radiocharts erreichen wird, haftet diesem lockeren Finger-Snapper etwas Vergängliches an.
Eine sichere Bank sind bei Brett Eldredge die Balladen. Auf Titeln wie „Wanna Be That Song“ oder dem tiefgehenden „If You Were My Girl“ kann der Songstylist seine warme Stimmfarbe voll zur Geltung bringen und Emotionen glaubwürdig transportieren. Top-Highlight in dieser Hinsicht ist der Titelsong „Illinois“, in dem der Mann aus dem Heartland mit wunderbarer Pianountermalung ein ungeschminktes Bekenntnis zu seinen Wurzeln abgibt. Kommende Singlekandidaten sind der als Ohrwurm designte Summerbreezer „Time Well Spent“ oder der mit einer hübschen Harmonika eingeleitete Stimmungsmacher „Drunk On Your Love“. Was der nervige, mit Auto-Tunes versehene Grunge-Rocker „Shadow“ in dem Albumkonzept verloren hat, bleibt unterdessen fraglich. Mit dem gefälligen Country-Pop-Sing-Along von „Going Away For A While“ findet Brett Eldredges Zweitlingswerk nach knapp 40 Minuten seinen Abschluss und hinterlässt die Erkenntnis, dass sich unter dem Label „Country“ im Jahr 2015 beinahe jede Stilrichtung vermarkten lässt.
Fazit: Brett Eldredge ist eines der erfolgreichsten neuen Gesichter der New-Country-Szene und das wird er mit seinem zweiten Album „Illinois“ mit einiger Sicherheit auch bleiben. Die Upbeats sind „catchy“, die Balladen „soulful“ und bieten genügend Potenzial, um die aktuelle Stimmungslage des Radiopublikums weiter zu bedienen. Ein Ausblick auf den Country von morgen findet sich ebenso wenig wie der erhoffte Flirt mit der Tradition. Jenseits aller Stildiskussionen ist es letztlich die Stimmfarbe Eldredges, die ihm auch nach Abflauen des aktuellen New-Country-Trendes den Weg für eine zweite Karriere in einem anderen Genre ebnen könnte.
Titel: Illinois
Künstler: Brett Eldredge
Veröffentlichungstermin: 11. September 2015
Label: Atlantic Nashville
Laufzeit: 39:37 Min.
Format: CD & Digital
Tracks: 12
Genre: Country
Bewertung: 3 von 5 möglichen Punkten!
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Trackliste:
01. Fire
02. You Can’t Stop Me – mit Thomas Rhett
03. Lose My Mind
04. Wanna Be That Song
05. Time Well Spent
06. If You Were My Girl
07. Illinois
08. Just A Taste
09. Drunk On Your Love
10. Lose It All
11. Shadow
12. Going Away For A While