The Milk Carton Kids: All The Things That I Did And All The Things That I Didn’t Do
Der neue Longplayer der "Milk Carton Kids" ist ein melancholisches Werk über persönliche Schicksalsschläge und den Lauf der Welt geworden.
Ihren Durchbruch schafften The Milk Carton Kids aka Joey Ryan und Kenneth Pattengale im September 2013, als sie beim großen, vom Coen-Brüder-Film „Inside Llewyn Davis“ inspirierten, New-Folk-Revival-Konzert in der New York City Town Hall spielten. Sie teilten sich dort die Bühne mit Größen wie Joan Baez, Patti Smith oder Jack White sowie anderen damaligen Entdeckungen wie Rhiannon Giddens. Insbesondere ihr Album Monterey (2015) wurde sowohl von der Kritik als auch vom Publikum gefeiert.
Doch seitdem hat sich das Leben der beiden Folksänger fast dramatisch verändert. Kenneth hat eine Krebserkrankung überstanden, nach sieben Jahren eine Beziehung beendet und arbeitet mittlerweile als Musikproduzent in Nashville. Joey ist unterdessen Vater von zwei Kindern geworden, arbeitet als Produzent für die Radio-Show „Live From Here“ mit Chris Thile, der Nachfolgesendung von „A Prairie Home Companion“ und hadert mit den politischen Entwicklungen in den USA.
All das floss in das neue Album All The Things That I Did And All The Things That I Didn’t Do der beiden Sänger und Gitarristen ein. Und so ist ein noch fragileres, dahingehauchteres, melancholischeres Album geworden, als man es von den vielerorts als moderne Wiedergänger der legendären Simon & Garfunkel angesehenen Künstlern ohnehin schon kennt. Denn so manches auf diesem Longplayer wirkt auch einfach nur ängstlich. Die beiden Protagonisten leiden an der Welt und an den Schicksalsschlägen, die da von überall her kommen: Von der Liebe, von der Krankheit, von der Einsamkeit und von der Desorientierung einer sich scheinbar auflösenden Welt. Unwinnable War“ heißt bezeichnender Weise einer der Titel, „Blindness“ und „You Break My Heart“ andere. Immer wieder sind die Protagonisten der Songs in der Selbstreflexion, stehen alleine oder mit ihrer Liebsten der Welt entgegen. Die Welt ist nicht gut und das Böse wird hier immer nur – wie beim textlich enttäuschenden – „Mourning in America“ vorsichtig und sachte angedeutet.
Nein, Erklärungen für die Schlechtigkeit oder gar Anklagen sind nicht die Sache der beiden Milchtüten-Buben. Eher ist es eine Ästhetik des schönen Leidens, die sie hier propagieren. Denn sämtliche Songs sind wunderbar kunstvoll orchestriert und arrangiert. Dies und der überirdisch schöne Harmoniegesang verhindert denn auch, dass man der Langsamkeit dieses Albums überdrüssig wird. Man bleibt dran, denn man erwartet eigentlich noch einen Befreiungsschlag, doch am Ende bleibt er aus.
Und so schließt sich dann auch der Kreis im ersten Vers des letzten Songs, des Titeltracks: „Ich habe das Gewicht der Welt auf meiner Brust“. Und so bleibt, mag man den beiden Folk-Harmoniesängern glauben, nur die Hoffnung auf den liebsten Menschen, der einem über diese dunkle Zeiten hinwegretten kann.
Fazit: Schöner kann man nicht leiden. Freunde des gefühlvollen Folk-Harmoniegesangs kommen auf ihre Kosten, was fehlt sind Brüche, Aufbegehren, Vitalität. Gefangen in der traurigen Schönspiel-Sackgasse!
The Milk Carton Kids – All The Things That I Did And All The Things That I Didn’t Do: Das Album
Titel: All The Things That I Did And All The Things That I Didn’t Do
Künstler: The Milk Carton Kids
Veröffentlichungstermin: 29. Juni 2018
Label: Anti
Vertrieb: Indigo
Format: CD, Vinyl & Digital
Laufzeit: 51:29 Min.
Tracks: 12
Genre: Folk
Trackliste: (All The Things That I Did And All The Things That I Didn’t Do)
01. Just Look At Us Now
02. Nothing Is Real
03. Younger Years
04. Mourning In America
05. You Break My Heart
06. Blindness
07. One More For The Road
08. Big Time
09. A Sea Of Roses
10. Unwinnable War
11. I’ve Been Loving You
12. All The Things That I Did And All The Things That I Didn’t Do