The Mickeys: Zwillinge bringen frischen Wind
In Zeiten, in denen es angesagt ist, in allen möglichen Bereichen den „Superstar“ zu finden, zeigt sich, dass die Klasse gegen die Masse den Kürzeren zieht. Dabei wäre es durchaus wünschenswert, wenn ein neuer Superstar daher käme und für Abwechslung in Form eines neuen Trends sorgte. Mir kommt es schon seit geraumer Zeit so vor als ob besonders die Country Music dringend mal wieder Jemanden vertragen könnte, der die Szene aufmischt. Gar zu gleichförmig und damit eintönig „fliesst“ das Geschehen dahin. Ich spüre an mir selbst wie wenig mich die Country-Charts noch interessieren, denn was macht es schon, ob Sängerin „X“ oder Sänger „Y“ dort vorne stehen, wenn kaum Unterschied mehr zwischen der No. 3 und der No. 8 zu hören ist. Die Stimmen und Gesichter austauschbar werden. Mir fehlt einfach das Überraschende, der Pfeffer.
Ich bin jedoch überzeugt, dass es die Menschen noch gibt, die Ideen haben, die anders klingen wollen – wenn man sie nur ließe. Das aber bedeutet, man braucht Mut zum Experimentieren – was wiederum Geld kostet. Bei anhaltender Wirtschaftsflaute, zugegeben, ein echtes Wagnis, das offenbar in den Plattenkonzernen niemand eingehen will, darf oder kann.
Dass Neues möglich ist, beweisen zumindest im Ansatz The Mickeys. Als ich deren erstes Album „Finding Our Way“ hörte, legte ich meine Lektüre beiseite und hörte andächtig zu. Gut – so neu ist das auch wiederum nicht, eher schon ein Rückbesinnen auf die Stärken der Country Music längst vergangener Jahre. Als distinguierte Stimmen, möglichst auch noch harmonisch aufeinander abgestimmt, diese Musik prägten. Der Album-Titel weist darauf hin – die Mickeys sind dabei, ihren Weg, ihren Sound zu finden. Und bereits ein gutes Stück voran gekommen. Nicht technische Tricks sollen aufpolieren oder überspielen, wo Talent nicht ausreicht oder Unebenheiten offenbar werden, sie setzen auf das Schlichte. Man merkt sofort, woher sie ihre Zutaten nehmen, akustische Country Klänge, eine Prise Bluegrass-Feeling aber auch keltische Einflüsse aus dem angelsächsischen Europa. Genau passend zu zwei Stimmen, die sich beinahe unwirklich klar und rein anhören. Auf das Covern bekannter Songs wurde gänzlich verzichtet, stattdessen bringen die Mickeys 11 unverbrauchte, frische Stücke, von denen sie etliche selbst geschrieben haben. „Still Haunts Me“ packt die Gefühlswelt des Zuhörers, „Smoke And Mirrors“ lässt die Fiddles von der Leine, „Dixie Wire“, eine berauschende Liebeserklärung, „Old Kentucky Wind“ mehr als eine frische Brise, „My Train“ eine Erlebnisreise.
Amy und Julie Mickey, eineiige Zwillinge aus dem nördlichen Michigan, inzwischen 28 Jahre alt, überlassen nicht gern etwas dem Zufall. Auch wenn die Musik bereits in den Kinderköpfen spukte, wurde die Schul- und Berufsausbildung nicht vernachlässigt. In Kirchenchören und Theatergruppen fand sich reichlich Gelegenheit, das Talent auszutesten und vor allem sich selbst zu finden. „Wir lernten vor allem, unsere Grenzen zu finden, zu erkennen, zu was wir fähig und geeignet sind und zu was nicht. Jede für sich aber auch beide gemeinsam“, sagt Amy Mickey. Irgendwann vor etlichen Jahren machten sie sich auf nach nashville, bereits, den harten Weg zu gehen, ohne ihre Musik zu verbiegen. Und abgesichert mit einer abgeschlossenen Berufsausbildung für den Fall des Falles. Eine Weile konnte man sie in verschiedenen Clubs in Nashville (z.B. „The Sutler“ und „Doouglas Corner“ erleben, wie sie an ihrer Musik auch live feilten. Dann fühlten sich die Mickeys stark genug, ihr eigenes kleines Label „River Beat Music“ zu gründen (auch ihr Album ist darauf erschienen) und über diesen Weg auf sich aufmerksam zu machen. Das ist ihnen gelungen.
Für die Zukunft muss ihnen nicht bange sein. Ihre Familie steht voll hinter dem Vorhaben, sich einen grossen Traum zu erfüllen. Aber, so sagt Julie Mickey: „Es gibt auch noch Träume ausserhalb des Music Business für uns. Wir möchten beide eine komplette und glückliche Familie irgendwann gründen.“ Da ist ihr Amy bereits ein wenig voraus, denn sie ist in festen Händen während Julie noch zu haben ist. The Mickeys – ein ganz heisser Tip für alle, die sich der reinen, traditionellen Country Music in zeitgemäss attraktiver Aufmachung verschrieben haben.