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Rüdiger Bloemeke „Live in Germany – Spurensuche im musikalischen Entwicklungsland“

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Dieses Buch schliesst eine empfindliche Lücke in der deutschen Musikliteratur und man wundert sich, dass es erst jetzt erscheint, 26 bis 60 Jahre nach den Ereignissen und Erlebnissen, die in diesem 223 Seiten starken Buch von Rüdiger Bloemeke beschrieben werden.

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Worum geht es? Nach dem Ende des 2. Weltkriegs brachten die U.S. Amerikaner, in abgeschwächter Form auch die Engländer, eine Musik nach Deutschland, welche die meisten Deutschen, vor allem die Jüngeren, vorher nie gehört hatten. Es war der Jazz, die damals stark vom Jazz beeinflusste populäre Musik und die Country Music, die seinerzeit noch „Hillbilly“ oder „Country & Western Music“ hiess.

Bloemeke beschreibt es in seinem Vorwort so: „Sie siegten, kamen und … brachten Feindkultur mit. Im Gepäck hatten sie nicht nur Schokolade und Kaugummi, Zigaretten und Erdnussbutter, Syphilis und Penicillin. Die US-amerikanischen und britischen Truppen besetzten mit ihrer Popmusik eine weitgehend weiße Landkarte. Und schon kurz nach dem Zweiten Weltkrieg traten ihre ersten Musiker live in Germany auf. Vor 50 Jahren führte das zu ernsten Kontroversen, Kulturkämpfen und letztlich zur Kapitulation vor dem übermächtigen Einfluss.“

Live in Germany - Spurensuche im musikalischen EntwicklungslandBloemeke geht in seinem Buch quer durch die musikalischen Richtungen und Stile. Hank Williams wird genauso berücksichtigt wie Bill Monroe, Jim Reeves, Johnny Cash oder die Stanley Brothers. Aus dem Jazz-Bereich sind es vor allem Louis Armstrong und Duke Ellington. Vom Blues ist vertreten Willie Dixon und der Rock’n’Roll wird repräsentiert von Bill Haley und Elvis Presley. Für die Pop- und Rock-Musik stehen in erster Linie The Rolling Stones, The Beatles, Brenda Lee, Chuck Berry und Harry Belafonte.

Das Buch liest sich spannend wie ein Krimi und dies liegt vor allem daran, dass Rüdiger Bloemeke Zeitzeugen zu Wort kommen lässt über ihre Begegnungen, meist sind es erste Konfrontationen, mit den grossen Stars, die man oft nur von den alten Schellackplatten kannte.

Nach einem ersten Kapitel, bei dem es um „Reeducation und Revolte“ geht, lässt Bloemeke Menschen zu Wort kommen, die ihre Empfindungen und Erlebnisse schildern, wie sie ihre Idole erlebten mit allen positiven und negativen Begleiterscheinungen. Unter diesen Zeitzeugen vor allem aus dem Country-Bereich sind Günter Saleh Dybe, Fritz Rau, Reinhard Pietsch, Richard Weize und Rolf Sieker. Da erfährt man nach so vielen Jahren, dass man nicht der einzige war, der Ende der 40er Jahre des vergangenen Jahrhunderts in der Küche über den Schulaufgaben saß und aus dem alten Volksempfänger AFN’s „Hillbilly Gasthaus“ oder „Stickbuddy Jamboree“ Programmen lauschte. Das waren Sendungen mit urwüchsiger, vitaler Hillbilly Musik und viele junge Deutsche, die schon damals vom heimischen Schlager wenig beeindruckt waren, wurden mit dem Hillbilly Virus infiziert.

Interessant, etwas über den Auftritt von Hank Williams am 18. November 1949 im Titania Palast in Berlin zu erfahren und dass Williams sich furchtbar über die Russen aufgeregt habe, als er zum ersten Male kyrillische Buchstaben sah, oder dass er sich sehr ärgern konnte, wenn ihm im Restaurant kein Ketchup gebracht wurde, um damit das deutsche Essen zu ertränken.

Über Louis Armstrong erfährt man, dass er eine Vorliebe für Bratkartoffeln und deutsches Bier gehabt habe und im Hamburger Abendblatt etwas über das „Phänomen dieses Negers“ zu lesen war. Auch Erlebnisse mit Bill Haley und Elvis Presley werden präsentiert und Richard Weize z.B. erzählt über den Besuch eines Konzerts im April 1964 in Hannover. Es traten auf Jim Reeves, Chet Atkins, Bobby Bare und Anita Kerr, die „Nashville Stars On Tour“ also.

Dabei wird offenbar, wie groß doch der Bruch zwischen den musikalischen Auffassungen der Amerikaner und der Deutschen war. Schon die Ankündigung des deutschen Veranstalters lässt die Diskrepanz ahnen: „USA-Schlagerkönige auf Europa-Tournee – der Sound von morgen“ heisst es da. Das Gruselige an der Tournee, es waren auch europäische Schlagerleute mit dabei, Zitat: der Schweizer Schnulzer Vico Torriani, der Deutsche Lagerfeuer-Barde Ronny und das Orchester Werner Müller. Diese Zusammenstellung war der untaugliche Versuch, Öl und Wasser zu mischen. Es war ein weiterer Sargnagel beim Versuch, der ländliche Musik Amerikas in Deutschland eine seriöse Basis zu verschaffen und sie halbwegs populär zu machen.

Das Buch erlaubt auch einen interessanten Blick hinter die Kulissen der deutschen Plattenfirmen und die Strategie, wie man den „Sound von morgen“ auf dem deutschsprachigen Markt durchsetzen wollte.

Wer sich für die Rolling Stones, die Beatles oder Dizzy Gillespie interessiert erfährt genau so viel Faszinierendes wie über Johnny Cash, den der Verfasser dieses Buches, Rüdiger Bloemeke, 1972 während Cashs erster offizieller Deutschlandtournee in Berlin getroffen hatte, nachdem er bereits die Stimme des „Man in Black“ seit Mitte der 50er Jahre über AFN verinnerlichen konnte. Bloemeke schildert seine Erlebnisse und Eindrücke so, dass man unwillkürlich an die Worte des Cash-Freundes Kris Kristofferson erinnert wird, der einmal über seinen Freund sagte: „He’s a walking contradiction“, „Er ist ein wandelnder Widerspruch“.

Für die Bluegrassfreunde wird es hochinteressant, wenn Reinhard Pietsch und Rolf Sieker über ihre Erlebnisse mit den Stanley Brothers und mit Bill Monroe erzählen. Pietsch hatte die Stanley Brothers, seine damalige Lieblings-Bluegrass-Band, im Rahmen des „American Folk and Country Festival“ am 17. März 1966 in Bremen getroffen. Gerd Hadeler, ein weiterer Bluegrass-Fan jener Zeit nimmt in der Garderobe von Ralph Stanley zwei Instrumentals auf Tonband auf und beide, Pietsch und Hadeler, stellen nebenbei fest, dass Carter Stanley und auch Gitarrist George Shuffler nicht ganz nüchtern auf die Bühne kamen.

Der Banjospieler und Chef der deutschen Bluegrassband „Blue Grass Express“ Rolf Sieker hatte im Mai 1975 das Vergnügen Bill Monroe mit seiner Band zu chauffieren. Fünf Auftrittsorte für die berühmte Band waren eingeplant, unter anderem Berlin und Neusüdende, und Rolf Sieker weiss zu berichten, wie Bill Monroe anfing zu jodeln, als man die DDR-Grenze in Richtung Westdeutschland passiert hatte. Überhaupt scheint Monroe ausgesprochen lebhaft gewesen zu sein. Wenn er nicht gerade gesungen habe, habe er Fragen gestellt. Auf den deutschen Straßen habe die Band Todesängste ausgestanden wegen der hohen Geschwindigkeiten, die da gefahren wurden. Dann die Beschreibung von Neusüdende, einfach grandios. Wer Neusüdende und den „Lindenhof“, ein Lokal mit dem Charme einer Bahnhofsgaststätte, kennt, sollte dieses Buch unbedingt lesen. Allein das Kapitel über Bill Monroe ist umwerfend. Übrigens musste Rolf Sieker das Zimmer mit Bill Monroe teilen. Der „Vater der Bluegrass Music“ war dies von seinen Tourneen gewöhnt. Er teilte sein Zimmer immer mit dem Fahrer.

Dieses neue Buch wendet sich natürlich vor allem an die vielen Fans amerikanischer Musik, die damals, nach dem Zweiten Weltkrieg, über AFN mit den neuen amerikanischen Klängen Freundschaft schlossen und wahrscheinlich bis heute noch am „Haken“ hängen. Das Flair der damaligen Zeit hängt plötzlich wieder in der Luft und wären die wirtschaftlichen Verhältnisse nicht so schrecklich gewesen, man könnte fast ein bisschen vom Heimweh gepackt werden. Doch auch den jüngeren Musikfreunden sei dieses Werk wärmstens empfohlen, zeigt es doch auf, mit wie viel Mühe man damals versucht hat, an Tonträger zu kommen oder ein Live-Konzert zu besuchen. Heute ist das ja alles viel einfacher.

Last not least sei noch erwähnt, dass dieses Buch auch zahlreiche Fotos präsentiert, teils schwarz-weiß, teils farbig, Fotos, die zum Teil noch nie vorher veröffentlicht wurden. Unsere besten Wünsche begleiten dieses wunderbare Werk.

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Über Walter Fuchs (33 Artikel)
Walter Fuchs, der Experte für das Genre Bluegrass und Initiator des Bluegrass Festival in Bühl.
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