Carter Girl – Carlene Carter ist wieder da!

Die Carter Family war und ist die „First Family of Country Music“. Und nein, sie ist nicht Geschichte und Vergangenheit. Sie ist Gegenwart, sie lebt! Und das ist ein großes Glück! Verantwortlich dafür ist ein echtes „Carter Girl“, nämlich Carlene Carter, Enkelin von „Mother“ Maybelle Carter, Tochter von June Carter und Nichte von Helen und Anita Carter.

Damit ist der Background klar abgesteckt. Und Carlene, deren eigene Karriere sie vom hoffnungsvollen Talent in den USA über ihre Londoner Zeit im Dunstkreis ihres damaligen Ehemanns Nick Lowe über ihre Carter Family-Zeit mit ihrer Mutter, deren Schwestern und ihrer Schwester Rosey zum Countrystar in Nashville führte, bevor sie mit großen persönlichen Problemen quasi in der Versenkung verschwand, ist mit diesem Album auch wieder da.

Nunmehr stellt sie die Tradition und das musikalische Vermächtnis ihrer Familie in das Zentrum ihrer Karriere. Sie ist (so wurde das traditionell immer dargestellt) ein Carter Family Mitglied der dritten Generation. Sie wandte sich mit diesem Vorhaben, die Tradition ihrer Familie wieder aufleben zu lassen und weiterzuführen, an Don Was, der dieses Album großartig produziert hat. Und gemeinsam führen sie die Carter Family in die heutige Zeit. Und darüber dürfen wir alle froh sein!

Nein, es klingt nicht so wie die alten, historischen Aufnahmen der ersten und zweiten Generation. Und das ist gut so, denn dieses Album stellt die Carter Family, ihre Tradition und Musik in die heutige Zeit und präsentiert sie so, dass sie nicht verstaubt oder antiquiert, sondern zeitgemäß erklingt. Ich selbst finde die alten Aufnahmen übrigens kein bischen angestaubt. Carlene verleiht hier der Musik ihre eigene Dynamik, ihre eigene Energie. Und sie ist, mittlerweile selbst 58, für ihre unglaubliche Energie bekannt.

Zwölf Songs enthält dieses Album, und bei allen Songs taucht bei den Songwritern der Name Carter auf. Von A.P. über Maybelle, Ezra (Junes Vater), Helen und June bis zu, natürlich, Carlene. Und sie hat sich auch darauf besonnen, dass die Carter Family eben eine Familie war und ist. So finden sich neben Carlene auch ihre „adoptierte Schwester“ Elisabeth Cook, ihre Cousine Lorrie Carter Bennett (die Tochter von Anita Carter), ihr Ehemann Joe Breen, zwei alte Freunde ihres Stiefvaters Johnny Cash, nämlich Willie Nelson und Kris Kristofferson, sowie – Überraschung – Helen, June und Anita Carter sowie (ungenannt im Booklet, aber deutlich zu hören) Johnny Cash auf diesem Album wieder.

Letztgenannte sind auf dem Titel „I Ain’t Gonna Work Tomorrow“ zu hören, bei dem es sich um einen aufgepeppten alten Master aus den 1980er Jahren handelt. Seinerzeit (Carlene war damals mit ihrer Mutter und deren Schwestern auf Tour) gab es ein Album der Carter Family, das auf Vinyl und Cassette erschien. Etwa 50 Aufnahmen soll es geben, alle offenbar im Besitz von Carlene, und einen davon nahm sie mit auf dieses Album.

Einen weiteren Song möchte ich aus diesem großartigen Album herausstellen. Im (dicken und informativen) Booklet weist sie darauf hin, dass ihr von Kindesbeinen an eingetrichtert und nahegelegt wurde, die Familientradition dereinst weiterzuführen, mit den alten Songs, aber auch mit neuen, selbstverfassten Songs, um die Geschichte weiterzuschreiben. Das geschieht dann neben ihrem bereits auf ihrem Album „I Fell In Love“ vorgestellten „Me And The Wildwood Rose“, ihrer Erinnerung an ihre eigenen Kindertage, als sie mit ihrer Schwester Rosey, ihrer Mutter, den Schwestern und ihrer Großmutter Maybelle ihre ersten Schritte im Musikgeschäft machte, vor allem mit ihrer aktuellen Bearbeitung des Klassikers aus der Feder ihres Großonkels A.P. Carter, nämlich „Lonesome Valley“, das hier „Lonesome Valley 2003“ heißt.

„Jeder muß alleine durch dieses einsame Tal gehen“, so heißt es im Song. Und sie bezieht sich textlich auf den Tod ihrer Mutter June und auf Johnny Cashs Tod, die im Jahr 2003 diesen einsamen Weg beschritten. Das Jahr 2003 ließ Carlene quasi allein zurück, nachdem auch ihre Schwester Rosey nur wenige Wochen nach Johnny Cash verstarb. So hat nun auch Carlene Carter dieses Thema ins Zentrum gestellt, ebenso wie ihre Stiefschwester Rosanne Cash das auf ihrem Album „Black Cadillac“ tat.

Es ist schön, dass die Carter Family weiterlebt, und ich bin froh und dankbar, dass Carlene die Tradition ihrer Familie fortsetzt und weiterschreibt. Im Booklet wird darauf hingewiesen, dass es weitere Alben geben wird. Freuen wir uns darüber, dass einer der Acts, mit dem die kommerzielle Geschichte der Country Music im Jahre 1927 begann, weiterlebt und atmet. Danke, Carlene!

	Titel: Carter Girl Künstler: Carlene Carter Veröffentlichungstermin: 4. April 2014 Label: Concord (Universal) Format: CD & Digital Bestellen / Download: