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On The Road Again: Eine Reise zu den Wurzeln der Countrymusik (Teil 2)

Von Bristol über Nashville nach Montgomery

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Del McCoury Band (Bildrechte, Thomas Waldherr)

Von Cherokee, North Carolina, geht es quer durch die Smokey Mountains nach Bristol, Tennessee/Virginia. Die Zwillingsstadt liegt genau auf der Staatsgrenze, die die Hauptstraße, die State Street, bildet. Beide Teile werden unabhängig voneinander verwaltet. In der rund 42.000 Menschen beherbergenden Stadt ist deutlich mehr los, als in vielen vergleichbaren kleineren Städten in den USA. Hier gibt es noch ein lebendiges Ortszentrum, das in anderen Gegenden oftmals zugunsten der Peripherie direkt am Highway oder an der Interstate mit ihren Supermärkten und Lokalen regelrecht aufgegeben wurde. Bristol aber ist bunt und quirlig. Und überall natürlich wird mit dem größten Pfund der Stadt gewuchert, „Birthplace Of American Music“ zu sein. Die Straßennamen sind nach der Carter Family, Jimmie Rodgers und dem Aufnahmeleiter Ralph Peer benannt, der hier 1927 mit einer großen Audition den „Big Bang“ der Countrymusik auslöste.

Birthplace Of American Music Museum

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Seit letztem Jahr gibt es nun ein Museum, das sich ganz dieser Sessions und seiner Bedeutung für die Entwicklung der Countrymusik widmet. Ein schmucker, typischer Backstein-Bau, der früher einmal einer Automobilfirma gedient hat. Nun ist er innen hell und großzügig ausgebaut worden und das junge, freundliche Personal erklärt das Prinzip des Museums. Erstes Herzstück ist ein kleines Filmtheater, dessen Fassaden einen Bahnhof nachempfunden sind, denn Bristol war ein Eisenbahnknotenpunkt. Ein Film, dessen Erzähler John Carter Cash ist, schildert anschaulich die Entwicklung der Countrymusik. Im Mittelpunkt steht hier eindeutig die Carter Family. Das mag legitim sein, weil sie nicht weit von hier herstammen. Aber es waren schon ein paar Musiker mehr beteiligt und Jimmie Rodgers, die andere große Entdeckung dieser Auditions kommt irgendwie zu kurz.

Im nächsten Raum erfüllt eine prächtige Filmcollage die gewölbte Leinwand und durch den Rundum-Effekt ist man ist mitten drin in der Geschichte von Folk und Country, die hier ebenso kunstvoll wie pathetisch erzählt wird. Beeindruckend. Doch das war es schon. Keine weitere Ausstellung mehr, nur noch der Museumsshop erwartet uns, in dem wir uns natürlich gut eindecken. Begeisterung bricht auch hier aus, als wir verlauten lassen, aus Deutschland zu sein. „Oh ja, das Stück über die Carter Family habe ich auch kürzlich gesehen, das ist wirklich schön“, flötet die junge Museumsangestellte, als wir ihr unseren nächsten Programmpunkt verraten.

Carter Family Fold

Denn nach einer kleinen Ruhepause im Hotel heißt es schon wieder zurück auf die Straße. In der Heimstatt der Carter Family in Hiltons, Virginia, wollen wir uns das Stück „Keep On The Sunny Side Of Life“ über die schwierige Liebe von A.P. und Sara Carter anschauen. Der Weg dahin zieht sich und erinnert uns an unser Mittelgebirge daheim, den südhessischen Odenwald. Waldreich, enge Täler, sanfte, mittelhohe Berghöhen. Nach einer gefühlten Ewigkeit können wir ihn sehen. Der „Carter Family Fold“ ist ein alter Hütten und Scheunenkomplex mit einer raffiniert ausgebauten Scheunen-Tribünenkonstruktion. Die Bühne selbst stellt ein ländliches Wohnzimmer dar, wie man es aus den „Waltons“ kennt und der Krämerladen wird hier als Devotionalienverkaufsstelle benutzt.

Das Ensemble des Barter Theatre aus Abingdon, Virginia, führt dieses Jahr mehrmals das Stück über die „First Family Of Country Music“ hier am Originalschauplatz auf. Das Stück ist unterhaltsam, und die Geschichte von Liebe und Trennung wird mit viel Musik ehrlich erzählt. Allerdings wird die Person A.P.Carter in dem Stück doch etwas überhöht. Carter war kein Songwriter, er war ein Liedersammler. Und die Person, ohne die er weder die Lieder gefunden noch hätte aufzeichnen können – der schwarze Musiker Lesley Riddle – taucht gar nicht darin auf. Zufall, Achtlosigkeit, nicht ins dramatische Konzept passend?

Das Publikum ist an diesem Abend nicht sehr spritzig, spät erst folgt es den ständigen Einladungen zum Mitsingen und doch kommt es noch zu einem berauschenden Finale, an dessen Ende natürlich „Keep On The Sunny Side“ und „Will The Circle Be Unbroken“ stehen. Mit auf der Bühne: Rita Forrester, Enkelin von Sara und A.P. Carter. Gänsehaut-Momente!

Nashville

Nach Nashville kommen ist für uns immer so wie nach Hause kommen. Wieder sind wir im Holiday Inn Express nahe am Broadway untergebracht und ich mache mich anstatt einer kleinen Ruhepause sofort auf in die City, die deutlich gekennzeichnet ist von den Aufbauten für das große CMA-Festival. Doch kaum in Ernest Tubb’s Record Shop eingefallen, entlädt sich die Schwüle der Luft und sintflutartige Regenfälle überschwemmen die Stadt. Als der Regen nachlässt, wage ich mich heraus, nur um in die Broadway Brewery zu fliehen, als er wieder stärker wird. Dort entsteht dann an der Theke ganz honky-tonk-mäßig ein Countrysong mit dem Titel „Hard Rain In Nashville“, ehe wir dann das Johnny Cash Museum besuchen. Dies ist didaktisch klug konzipiert und sehr schön gestaltet. Es ist gut, dass im Herzen Nashvilles der „Man In Black“ endlich auf diese Art gewürdigt wird. Am Abend lockt natürlich der Broadway und „John England & The Western Swingers“ sorgen in „Roberts Western World“ für richtig gute Stimmung. Die gute Laune führt zu spontanen Plattenkäufen direkt beim Künstler.

Dylan, Cash & The Nashville Cats

Am nächsten Morgen dann ein weiter Höhepunkt unserer Reise: „Dylan, Cash, and the Nashville Cats: A New Music City“ lautet der Titel der Ausstellung, die noch bis zum 31. Dezember 2016 im „Country Music Hall Of Fame Museum“ zu sehen ist. Im Mittelpunkt steht die Zeit Ende der1960er Anfang der 1970er Jahre, als zuerst Bob Dylan und dann Folk- und Rockstars wie Neil Young oder The Byrds, Leonard Cohen, Paul McCartney, Ringo Starr, Joan Baez oder The Nitty Gritty Dirt Band nach Nashville kamen, um mit den erstklassigen und vielseitigen Session-Musikern, den „Nashville Cats“, zu arbeiten. Zu diesen Musikern gehörten u.a. Kenny Buttrey, Fred Carter Jr., Charlie Daniels, Pete Drake, Lloyd Green, Ben Keith, Grady Martin, Charlie McCoy, Wayne Moss, Norbert Putnam, Jerry Reid, Hargus „Pig“ Robbins und Buddy Spicher.

In dieser politisch bewegten und polarisierten Zeit war Nashville eine konservative Stadt. Doch durch die Zusammenarbeit der eher links-orientierten Folk- und Rockmusiker mit den Sessionmusikern aus Nashville, veränderten sich sowohl die Rockmusik, als auch die Music City.

Diese spannende Geschichte zeichnet diese Ausstellung mittels vieler Tondokumente, Bilder, seltene Exponate und erklärenden Texten nach. Die Ausstellung ist gut aufgebaut, schön gestaltet und macht einfach richtig Spaß. Sie würdigt Dylans Einfluss auf Nashville, der – so meinte auch Johnny Cash – viel zu wenig gewürdigt worden war.

Grand Ole Opry

Natürlich ist ein Besuch Nashville nicht komplett, ohne einen Abend in der Grand Ole Opry. Das bucht man blind. Doch leider war das Programm an diesem Abend zu einseitig für uns. Fast ausschließlich New Country und Bro Country: Carry Underwood, Billy Currington, Mo Pitney, Easton Corbin und und und. Einziger Lichtblick für uns: Die Del McCoury Band! Der 76-jährige Del und die Band rund um seine Söhne Ronnie und Robbie steigen gleich mit einem Woody Guthrie-Song ein. Ausgerechnet Woody, dem trotz vieler Initiativen bis heute die Aufnahme in die Country Music Hall Of Fame verwehrt geblieben ist. „Woody war ein Kommunist“, erzählt Del McCoury launig nach dem Song. „Und vergesst nicht: Dies Land ist Euer Land!“ Das war eine wohl kalkulierte Spitze gegen das konservative Amerika. Der zweite Song waren dann die „Nashville Cats“, Dels Bluegrass-Bearbeitung des „Lovin Spoonful“-Titels aus den 60ern, der natürlich großartig zur gesehenen Ausstellung passt. Mit einem rauschenden Instrumentalstück, das immer wieder Szenenapplaus einheimst, verabschiedet sich Del McCoury dann, und lässt uns mit der nun wieder folgenden musikalisch wie textlich recht schlichten New Country Music alleine zurück.

Montgomery

Am nächsten Tag heißt es schon wieder „Good Bye Nashville!“ Es geht weiter nach Montgomery, Alabama. Montgomery zeigt die Widersprüchlichkeit des tiefen Südens beispielhaft auf. Hier wuchs Hank Williams auf und lernte Gitarre spielen bei dem schwarzen Bluesmusiker Rufus „Tee Tot“ Payne. Bekannt ist es aber auch als Ausgangspunkt der schwarzen Bürgerrechtsbewegung gegen die Rassentrennung und den verfassten und alltäglichen Rassismus im Süden. Rosa L. Parks und der Busboykott von 1955/56 waren der Start einer Veränderung, die einiges verbessert hat. Die fortwährende Gewalt gegen Schwarze aber hat auch sie nicht beenden können.

Das Hank Williams Museum liegt genau neben unserem Hotel und ist eigentlich kein Museum. Es ist ein völlig ungeordneter Haufen von Devotionalien rund um Hank Williams‘ Cadillac, indem der Hillbilly-Shakespeare am Neujahrsmorgen 1953 verstorben ist. Keine didaktisches Konzept, keine erläuternden Texte, nur eine riesige Fülle von Exponaten. Das nervt schon nach kurzer Zeit. Verglichen mit den vielen Musik-Museen, die wir im Süden schon besucht haben, ist diese Einrichtung die mit Abstand traurigste. Das hat Hank nicht verdient und wirft auch kein gutes Licht auf die, die sich um seinen Nachlass kümmern. Geld sollte da keine Rolle spielen. Einfach enttäuschend. Ganz anders dagegen das Rosa L. Parks-Museum, das die Geschichte der Bürgerrechtsaktivistin und des Busboykotts erzählt: Beeindruckend, anschaulich, klug und bewegend!

Mit Montgomery haben wir das Ende unserer Reise zu den Wurzeln der Countrymusik erreicht. Wir bleiben noch ein paar Tage in Atlanta, Georgia und Charlotte, North Carolina, ehe wir wieder gen Frankfurt am Main fliegen.

Good Bye – wir kommen wieder!

Mit diesem Trip haben wir unser mehrjähriges Projekt einer Reise zu den Wurzeln von Country, Blues, Folk, Jazz, und Rock’n’Roll in den US-Südstaaten komplettiert und abgeschlossen. Es wird sicher nicht unser letzter Besuch gewesen sein, es immer wieder etwas zu entdecken in Nashville, im Süden, in den USA.

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Über Thomas Waldherr (806 Artikel)
Redakteur. Fachgebiet: Bob Dylan, Country & Folk, Americana. Rezensionen, Specials.
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