Fährtensucher – Tyler Childers und sein Album „Snipe Hunter“
Der Musiker aus Kentucky beeindruckt und irritiert seine Fans mit seiner neuesten Veröffentlichung.
Tyler Childers – Snipe Hunter. Bildrechte: RCA Records
Die Indie Country Heroen Charley Crockett und Margo Price wurden mit ihren aktuellen Alben in der neu geschaffenen Grammy-Kategorie Best Traditional Country Album für die am 1. Februar 2026 zu vergebenden höchsten Musikauszeichnungen nominiert.
Auf Prices aktuellem Album „Hard Headed Woman“ findet sich auch ein Song mit dem Mann, der in den letzten Jahren wie kein anderer das Raue, Ursprüngliche und Widerständige, das die Musik der Appalachen auch immer ausmachte, in die Countrymusik zurückbrachte. Dieser wurde ebenfalls nominiert, nur interessanterweise in der Kategorie Best Contemporary Country Album.
Immerhin kommt „Country“ im Namen vor, wird mancher denken, denn über einen Preis mit „Americana“ im Titel konnte er sich schon 2018 wenig freuen. Nachdem er bei den „Americana Music Honors & Awards“ seinen Dank ausgesprochen hatte und sich auch nochmal selbst vorgestellt hatte, da sein Name bei der Anmoderation falsch ausgesprochen wurde, betonte er: „I am an Appalachian artist from the foothills of East Kentucky and I play country music. As a man who identifies as a country music singer, I feel Americana ain’t no part of nothin’. It is a distraction from the issues that we are facing on a bigger level as country music singers. It kind of feels like ‘Purgatory’.“
Sein Name ist Tyler Childers. (gesprochen „Chill-ders“)
Oneida, I know that I’m younger than most
But I’m willing, if you’ve got the time
To buy us some wine
Countrymusik ist dann am besten, wenn sie aus dem Leben kommt und sich ihrer Herkunft bewusst ist. In Tyler Childers großartigem Song Oneida ist beides der Fall. In einfachen, aber geschliffenen Worten erzählt der Sänger von der Romanze mit einer ein wenig älteren Frau und lässt zugleich einen Klassiker der Countrymusik anklingen. Denn Lefty Frizzells Zeilen „If you’ve got the Money, I’ve got the Time“ werden hier auf sehr gekonnte und spielerische Weise gedreht. Dabei handelt es sich mit Sicherheit um kein bewusstes Zitat. Childers schöpft vielmehr aus seiner Country-DNA und damit aus der Tradition, in der alle Mountain-, Train- oder Worksongs, Folkballaden und Klassiker des Genres gemeinsam ruhen und sich als archaische Wiedergänger, Schatten gleich abermals manifestieren. So tritt das einst Erklungene erneut zu Tage, denn Childers schöpft seine Kunst aus der gleichen Quelle wie schon einst Hank Williams, die Carter Family, Jimmie Rodgers oder Johnny Cash.
Der Song „Oneida“, vermutlich bereits 2013 geschrieben, und 2016 von Childers bei seiner zweiten Session für Red Barn Radio erstmals aufgenommen und dann zumindest als Video veröffentlicht, hat Tyler Childers nun endlich im Studio aufgenommen und auf seinem im Sommer 2025 erschienenen Album Snipe Hunter veröffentlicht. Der Name des Songs könnte angelehnt sein an die promiskuitive Oneida-Sekte, in der etwas ältere Frauen die jungen Männer in die Liebe einführten. Deren Name wiederum stammte von einem Irokesenstamm, der einst am Oneida See im heutigen Bundesstaat New York siedelte, wo dann die Sekte in einer Kommune lebte.
Den Song spielte Tyler jahrelang hin und wieder in Konzerten. So sind Album-Idee und auch andere Songs älteren Ursprungs. Schon in der Vergangenheit hat Childers immer wieder Songs, die er zu Anfang seiner Musikerkarriere aufnahm, dann bei späteren Alben erneut eingespielt.
Als erste Single des Albums hatte Childers eine Neuaufnahme des Fan-Favoriten „Nose On The Grindstone“ veröffentlicht, das ebenfalls zuvor nur online herausgebracht wurde. Der Song, für den wie bei „Oneida“ von Fans eine Albumveröffentlichung ersehnt wurde, setzte eine falsche Fährte, die, wenn man nach den Videos zu diesen neuen Singles geht, mitten in die dunklen Wälder Kentuckys führte. Als die Fans schließlich das ganze Album erreichte, fanden sie nicht das, was sie erwartet hatten. Sie hätten gewarnt sein können, denn ein Snipe Hunter, ist im amerikanischen ein Jungjäger, der von den älteren ziemlich an der Nase herumgeführt wird und eigentlich nach einem Tier jagt, das es gar nicht gibt.
So stellt dieses Album nochmals einen gigantischen Schritt für Childers dar, da er nicht nur erstmals mit der Produzenten-Legende Rick Rubin ins Studio ging, sondern sich auch sound- und genremäßig breiter aufstellt. Eine Rechnung, die aufzugehen scheint. Rubin gilt heute in erster Linie als ausgewiesener Rock-Produzent, aber er kennt keine Genreschranken und hat sich selbst große Verdienste um die Countrymusik erworben durch seine Verantwortung für Johnny Cashs Comeback mit den American Recordings.
Manchem Hörer mit eher traditioneller Vorliebe könnte der nun eingeschlagene Weg jetzt doch ein wenig zu weit weg vom Country-Pfad führen. Doch es sind immer noch recht viele Stücke dabei, die ein eher traditionelleres Soundgewand haben und daher ist hier für jeden Geschmack etwas dabei. Dabei ist zu beachten, dass die allermeisten Indie-Country-Fans sicherlich auch etwas für gute Rockmusik übrig haben.
Wo man auf jeden Fall noch den Tyler Childers findet, der seit Jahren begeistert, ist live. Nur im deutschsprachigen Raum tourt der Musiker aus Kentucky freilich nicht. Wenn’s hochkommt, spielt er lediglich eine Show in Deutschland. Diesmal wird es einzig Berlin sein, wo Tyler am 15. März 2026 mit seiner grandiosen Band, den Food Stamps, gastieren wird. Das sollte sich niemand entgehen lassen.
Tyler Childers – Snipe Hunter: Das 2025er Album

Titel: Snipe Hunter
Künstler: Tyler Childers
Veröffentlichungstermin: 25. Juli 2025
Label: RCA Records
Formate: CD, Vinyl, Stream & Download
Tracks: 13
Genre: Americana
Trackliste: (Snipe Hunter)
01. Eatin‘ Big Time
02. Cuttin‘ Teeth
03. Oneida
04. Getting to the Bottom
05. Bitin‘ List
06. Nose On The Grindstone
07. Watch Out
08. Down Under
09. Poachers
10. Snipe Hunt
11. Tirtha Yatra
12. Tomcat and a Dandy
13. Dirty Ought Trill





