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Zu Besuch in Nashville – Mein Traum wird wahr!

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Seit fast einer Stunde sitze ich in der Bridgestone Arena in Nashville, die sich nun völlig gefüllt hat. „Live aus Nashville Tennessee“ übertönt die Stimme des Moderators mit großer Laustärke die einsetzende Musik auf der Bühne. Die 47. Award Show der Countrymusic Association of America (CMA) ist eröffnet und ich bin dabei!

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Die Geschichte der Award Show begann 1967 und trug dazu bei, die Countrymusik noch populärer zu machen. Heute ist es selbstverständlich, dass der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika das Vorwort im Programmheft beisteuert. Das schwarze Staatsoberhaupt Barack Obama betont, welche große Bedeutung die Countrymusik für Amerika habe.

Countrymusik ist in den USA die am meisten gehörte Musikrichtung. Im Fachblatt „Billboard“ wird berichtet, dass der Anteil der jungen Hörer von Countryradios von 2010 bis 2012 um 40 Prozent gestiegen ist. Es zeigt die Fähigkeit dieser Musik, sich selbst zu erneuern, ohne die Identität zu verlieren. Keine Spur von volksmusikartiger Gemütlichkeit mit Schunkeleffekt, keine Lagerfeuerromantik und keine Marlboro-Cowboys, was den bekannten Klischees in Deutschland so gar nicht entspricht. Mit großen Verkaufszahlen, einer traumhaften Einschaltquote im Fernsehen, der erfolgreichen Serie „Nashville“, die auch bei uns im Kabel zu sehen ist, sowie mit jungen, talentierten Künstlern präsentiert sich die Countrymusik in den USA als modern und attraktiv. Country ist drüben einfach „cool“. Und in Nashville, der Geburtsstadt dieser Musik, wird das besonders deutlich.

Nashville – die Stadt

Was ist das Besondere am modernen Nashville, fragen wir im Büro der Presseabteilung des Touristenbüros Jenny Steuber, dessen jugendlich wirkende Leiterin, im fünften Stock eines modernen Geschäftshauses mit Blick auf die Innenstadt „Die Stadt hat viele Beinamen“, sagt sie. Der genaue Nachbau des griechischen Parthenons aus dem Jahr 1897, die 17 Colleges und die Universitäten verleihen der Stadt den Namen „Athen des Südens“. „Wir sind zudem das Silicon-Valley der Gesundheitsindustrie, weil die größten Krankenhausbetreiber und deren Zulieferbetriebe sich bei uns niedergelassen haben“, fährt Steuber fort. Aber am meisten habe sich die Stadt durch die Musikindustrie verändert.

Nashville, Downtown

Im vergangenen Jahrzehnt hätten Musiker, Songschreiber, Musikverlage und Plattenfirmen Nashville entdeckt. „In Nashville gibt es inzwischen 120 Lokale und Hallen, in denen Livemusik gemacht wird, jeden Abend der Woche.“ Kein Wunder, dass Nashville auch „Music City USA“ genannt wird. 1975 stellte der Regisseur Roger Altman im gleichnamigen Film „Nashville“ die Stadt als engstirniges Spießernest dar. „Heute ist Nashville zu einem liberalen, toleranten und multikulturellen Zentrum geworden, das zu den fünf beliebtesten Städten der USA gewählt wurde,“ sagt Jenny Steuber nicht ohne Stolz. In der Stadt sind die größten kurdischen und ägyptischen Gemeinden des Landes zu finden. Der Bürgermeister gehört der Demokratischen Partei an, was in den Südstaaten selten geworden ist.

Music Row – wo die Musik gemacht wird Besuch bei Thomas Rhett

Wenige Minuten von der Innenstadt entfernt stehen wir auf der 16th Avenue. Hoch gewachsene Alleebäume spenden Schatten für gepflegte Rasenflächen. Kurz geschnittene Hecken und Sträucher lassen Platz für Einfahrten direkt vor den Häusern, die der Geschäftsmeile das Flair einer amerikanischen Wohnstrasse geben. Hier sind fast alle großen Plattenfirmen und Studios zu finden. Wie das Haus der Plattenfirma Big Machine, die durch 28 Millionen verkauften Platten von Taylor Swift zum erfolgreichsten Label in Nashville wurde. Der junge Mann, der mich hereinlässt, zeigt unaufgefordert auf den exquisiten Marmorfußboden, die erlesenen Wandteppiche sowie Designermöbel in den schicken Büros und Konferenzräumen. „Das hat alles die Frau von Firmenchef Scott Borchetta entworfen“, lässt er mich wissen. Wir treffen Thomas Rhett, einen sympathischen junger Mann mit Dreitagebart. Auf seiner ersten CD singt er, dass er der typisch amerikanische, weiße Junge aus der Mittelschicht sei. „Ja“, sagt er, „dieses Lied ist autobiographisch und ich identifiziere mich damit.“ Da sein Vater ebenfalls Countrysänger ist, zog die Familie 1995 nach Nashville. Er habe als Kleinkind zuerst gesungen und dann gesprochen, witzelt er. Zusammen mit seinem Vater, der wie ein guter Freund für ihn sei, schreibt er Hits. „It Goes Like This“ heißt sein Debutalbum, das sich Mitte November ganz oben in der Verkaufsliste platzierte. „Ich spiele die Musik für meine Generation im Jahr 2013“, definiert er Countrymusik. Wie Thomas Rhett denken viele Sänger der jungen, erfolgreichen Musikergeneration. Kacey Musgraves‘ Texte sind frecher als die von Thomas Rhett. Ihr Debutalbum „Same Trailer Different Park“ ist mit Lob überschüttet worden. Mal kritisch und mal selbstkritisch singt sie von den Frauen, die nicht mit dem Rauchen aufhören in „Blowin‘ smoke“ oder vom öden Leben in der spießigen Kleinstadt in „Merry-go-round“. Als sie bei der Awardshow den Preis für die beste Newcomerin des Jahres gewinnt, singt sie in „Follow Your Arrow“, dass Mädchen Mädchen küssen dürfen, wenn sie das mögen. Nicht alle im Publikum sind da begeistert.

On Broadway – auch hier wird Country gesungen

Zurück in der Innnenstadt schauen wir uns auf dem vierspurigen Broadway um. Umringt von sich spiegelnden Wolkenkratzer aus Stahl und Glas blieben hier Backsteinbauten aus dem späten 19. Jahrhundert erhalten, jetzt mit bunten Fassaden und schriller Werbung. Am Broadway sind die Musikkneipen, Plattenläden und Straßenmusiker zu finden. Vor einem der Häuser steht Brent Cunningham an diesem sonnigen, aber kalten Morgen. „Ich mache noch richtige Countrymusik“, sagt der 57-jährige Brent überzeugt. Über einem roten Hemd trägt er eine abgetragene schwarze Lederweste. Der braune fleckige Hut wirft tiefe Schatten auf seine melancholischen Augen. Sein faltiges Gesicht wirft die Frage auf, wann er das letzte Mal gelacht und seine Zahnlücken gezeigt hat. „Hier, hör dir meinen neuesten Song an“, und es folgt eine Ballade mit Herz und Schmerz, ganz in der Tradition der Countryschnulze. Brent sagt nicht, warum er wie viele in Nashville scheiterte. Doch die Hoffnung gibt er nicht auf: „Ich habe eine CD mit richtiger Countrymusik fertig und sie wird bald veröffentlicht“, verspricht er. Aber zunächst hofft er, dass die Passanten ihn für seinen Auftritt belohnen. Er muss seinen Lebensunterhalt ersingen und zupft wieder an seiner Gitarre. Bis jetzt sind erst ein paar Dollar zusammen gekommen.

Countrymusikgeschichte – im Ryman Auditorium

Nur wenige Schritte sind es vom Broadway zum Ryman Auditorium. Die Hauptstadt Tennessees ist das Zentrum des Countrymusik geworden, weil in den 1920er Jahren eine große Versicherung die Radiostation WSM, kurz für „We Shield Millions“ (Wir beschützen Millionen), sponserte. Deren Show, genannt „Grand Ole Opry“, wird seit 88 Jahren live aus dem Ryman Auditorium ausgestrahlt. Gebaut als Kirchensaal erinnert der dreistöckige Bau an seine ursprüngliche Aufgabe mit einer eigenwilligen durch eine Reihe von weißen Bogenfenstern auf tiefrotem Grund aufgelockerten Fassade. Vor Konzertbeginn auf den harten, original von 1904 stammenden Kirchenbänken, spricht mich Billy Brewer an: „Wir sind aus Illinois gekommen, ist ja nur eine Fahrt von sechs Stunden“. Billy ist einer der vielen Touristen, für die der Besuch in Nashville etwas von einer Pilgerfahrt hat. Die heutige Liveshow gibt acht Künstlern Gelegenheit, drei Songs zu vorzutragen. John Conlee singt seine Hits aus 1970er Jahren, die kurzberockte Sarah Darling hofft noch auf den Durchbruch. Beide werden vom Publikum gefeiert.

Nochmal Geschichte – die Country Music Hall of Fame

Fünf Minuten vom Broadway entfernt steht das fünfstöckige Museum der Countrymusik, die „Country Music Hall of Fame“, ein imposanter Bau mit Durchgang zu einem angegliederten Luxushotel. In der lichtdurchfluteten Eingangshalle des Museums erwartet uns Mike Buck, Mitvierziger, einer der Direktoren des Museums. An der Kasse wird es laut. Eine 20-köpfige Gruppe von Besuchern aus Japan wartet drauf eingelassen zu werden, denn das Museum ist wie immer gut besucht. 1961 gründete die CMA das Museum. Heute wird es von einer Stiftung betrieben und finanziert sich durch Eintrittsgelder und Spenden. Selbst junge Künstler wie Taylor Swift unterstützen den umtriebigen Museumsdirektor. Sie hat gerade vier Millionen Dollar gespendet, mit denen eine Abteilung für Musikpädagogik aufbaut wird. Jede jemals hergestellte Countryscheibe wird im riesigen Archiv ebenso aufbewahrt wie Nachlässe und Erinnerungsstücke. Mike Buck entscheidet, was in den großen Vitrinen des Museums ausgestellt wird, in denen von den Anfängen der Countrymusik in den 1920er Jahren bis zur Gegenwart Künstler aller Epochen vorgestellt werden, vom Cowboyhut bis hin zum mit Pistolen geschmückten Cadillac von Webb Pierce aus dem Jahr 1962.

Das Johnny Cash Museum

Vom großen Ausstellungsgebäude zum kleinen Johnny Cash Museum in der 3rd Avenue sind es nur wenige Schritte. Chuck Bauman, der Direktor des Museums, ist Nachfahre einer Mennonitenfamilie aus der Schweiz, die 1707 in Pennsylvania einwanderte. „Aber deutsch kann ich nicht“, sagt er fast entschuldigend. „Zwei Jahre lang haben Bill Miller und ich gesammelt, erbettelt, geliehen und gekauft, was hier zu sehen ist.“ Er zeigt mir den Jahresfischereischein des Soldaten Cash, 1954 ausgestellt vom Landratsamt Landsberg für 5,70 Mark, auf dem oben erstaunlicherweise „für deutsche Staatsangehörige“ steht. In der Vitrine darunter liegt Johnny Cashs Grundkurs „Spoken German“ für Soldaten, nicht weit von Johnnys allerster Gitarre. Es werden Filmausschnitte und Livekonzerte, seine mehr als 100 goldenen Schallplatten, Familienbilder und seine meist schwarzen Kleidungsstücke gezeigt. Johnny Cashs Familie steht dem Museum eher gleichgültig gegenüber. Nur eine Nichte Cashs, Kelly Hancock, arbeitet an der Kasse des Museums. „Wir haben jeden Tag Besucher aus Deutschland“, erzählt sie.

Miranda Lambert – das Interview

Von der Tradition des Museums führt ein kurzer Fußweg zur modernen, imposanten Bridgestone Arena, Spielort des Eishockeyteams „Nashville Predators“. Backstage in den langen Gängen zwischen Boxen für Fernsehen und Presse drängen sich Fotografen, Fernsehteams und Radioreporter um Keith Urban, den Gatten von Nicole Kidman und Miranda Lambert, die von der Probe ihres Duetts kommen. „Als ich sah, dass ein deutscher Interviewwunsch vorlag, habe ich gleich zugesagt“, sagt Marion Kraft. Ihr Deutsch klingt etwas amerikanisch. Sie hat vor 25 Jahren ihren Geburtsort Heidenheim verlassen und ist seit Jahren Managerin der 30-Jährigen Texanerin Miranda Lambert. Marion Kraft stellt mich ihrem blonden, blauäugigen und sehr gut aussehenden Schützling vor. Miranda ist sehr freundlich ohne Starallüren. Sie erzählt, dass sie 2005 einen Plattenvertrag bei Sony bekam. Seither ging es trotz gelegentlich provozierender Texte und rebellischer Einstellung für sie nur aufwärts. „Ich bin in den vergangenen Jahren umgänglicher geworden, meine wilde Phase habe ich hinter mir gelassen“, erklärt Miranda. Sie definiert Country als die Musik, die vom wirklichen Leben handelt und dessen Geschichten erzählt. Viermal in Folge wurde sie bereits Countrysängerin des Jahres und dennoch meint sie: „Ich bin immer nervös vor solchen großen Auftritten.“ Ihre blauen Augen funkeln mich an, als sie zum Abschied „I like your smile“ sagt. Beschwingt verlasse ich die Halle, vorbei an Bodyguards und der Polizeistreife auf der abgesperrten Straße vor der Arena. „Have a good day“, ruft mir der Polizist zu.

Und als ich Miranda Lambert auch noch abends beim Konzert der Time Jumpers mit Leadsänger Vince Gill wiedertreffe, weiß ich: Ich bin in einer tollen Stadt, wo die Musik gemacht wird, die ich seit 40 Jahren liebe und sammle, und wo die beste amerikanische Countrysängerin einen deutschen Journalisten so freundlich grüßt, als ob man sich seit Jahren kennt.

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Über Franz-Karl Opitz (1117 Artikel)
Redakteur. Fachgebiet: Traditional Country. News & Storys, Charts, Rezensionen.
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