Darrin Bradbury: Talking Dogs & Atom Bombs
Der Folksänger legt mit seinem neuen Longplayer eine schonungslose, satirische Analyse der US-Gesellschaft vor.
Das Album geht schon mal gut los. Der Titelsong ist ein fröhlicher Country-Walzer, so wie Bradburys Folkalbum überhaupt stets unterhaltsam ist. Der Singer-Songwriter ist also schon mal keiner, der Tiefgang mit Langeweile verwechselt. Talking Dogs & Atom Bombs gibt auch inhaltlich die Richtung vor. Darrin Bradbury ist ein scharfer Beobachter und ein großer Geschichtenerzähler. Und er hat Humor. So werden seine böse Geschichten über Amerika – über Fast Food, Kirchen, Gewalt und traurige Liebe, zu kleinen Kunstwerken. Die Betonung liegt auf klein, denn Bradbury singt über alles, nur nie über drei Minuten. Und das ist durchaus so gewollt. „Beim Schreiben dieses Albums war mir wichtig, dass der Song vorbei war, als der Gedanke vorbei war. Es ging nicht darum, eine bestimmte Menge Platz füllen zu müssen“, sagt Bradbury. „Wenn ich nicht motiviert bin, etwas mehr über diese spezielle Sache zu sagen, werde ich es nicht erzwingen. Ich hätte lieber einen anderthalbminütigen Song, der mir etwas Einzigartiges vermittelt.“
Bradbury ist seit gut zehn Jahren auf Tour. Mit einer Handvoll selbstfinanzierter EPs und Alben baute er durch ständige Tourneen sein Publikum stetig auf. Nachdem er einem Konzert in Nashville Kenneth Pattengale von den Milk Carton Kids kennengelernt hatte, blieben die beiden Musiker in Kontakt. Das führte zu einer Art Mentoring-Freundschaft, einer Einladung zur Eröffnung von Shows für die Milk Carton Kids und Pattengales Angebot, Talking Dogs & Atom Bombs zu produzieren. Nun ist „Talking Dogs & Atom Bombs“ Bradburys erstes Album für Anti Records. Sicher ein Traum für jemanden, der nächtelang in Nashville in Autos übernachtete und dort zu jedem Open-Mic-Abend rannte, den er ausfindig machen konnte. Und das nur, weil er mit 18 Jahren Bob Dylan, Jack Kerouac und Paul Simon für sich entdeckte und als Singer-Songwriter von seiner Musik leben wollte.
Mit Hilfe von Pattengale und den Musikern Jeremy Ivey, Alex Munoz und Dillon Napier sowie Margo Price – die Countrysängerin ist eine enge Freundin und einer der größten „Heldinnen“ für Bradbury, ist er dem Traum mit seinem Album wieder ein Stückchen näher gekommen. Wichtig dabei: Bradbury singt uns keine selbstbezogenen Lieder vor, sondern wie oben erwähnt, er erzählt, was er zu sehen bekommt. Über den Titeltrack sagt Bradbury: „Ich denke, dass niemand etwas wirklich weiß. Ich weiß nicht, wann es aufhören wird zu regnen. Es ist ein Lied, in dem es darum geht, vom Leben enttäuscht zu werden. Alle unsere Träume sind albern und niemand weiß, was passieren wird.“
Einer der Höhepunkte des Albums ist sicher „The American Life“, das in seiner Einschätzung des US-Alltags brutal ehrlich ist: Brathähnchen essen wird zum politischen Statement und Kirchen sind so groß wie Stadien. Doch Bradbury wäre nicht Bradbury wenn er das nicht alles mit Humor nehmen würde: „Es ist ein Album, das versucht, Depressionen zu bekämpfen, sich aus der Depression herauszulachen und ehrlich und genau mit dieser Depression umzugehen“, glaubt Bradbury. Dabei ist das Album ist jedoch auch stets optimistisch. „Den Humor in den harten Dingen des Lebens zu sehen, war schon immer mein Ziel“, sagt er. „Ich denke, der Sinn der Songs ist es, dass du dich besser fühlst.“
Und so fühlt man sich bei Bradburys Album tatsächlich. Trotz oder gerade wegen der Absurditäten von denen er erzählt: Zum Beispiel beginnt „Breakfast“ – hier erinnert er mit seinem Vortrag etwas an Phil Ochs, der ja auch so ein scharfer Beobachter war, mit einer realen Beobachtung, wie zwei Eichhörnchen in eine romantische Beziehung verwickelt zu sein scheinen, als plötzlich ein Falke herabstürzt und eines mitnimmt.
Weitere Anspieltipps sind „This Too Shall Pass“, „Nothing Much“ und „So Many Ways To Die“, das eine Selbstmordanleitung mit einer gefrorenen Pizza darstellt. Mit dem letzten Stück „Dallas 1963“ greift eines der größten amerikanischen Traumata überhaupt auf, die Ermordung John F. Kennedys in der texanischen Metropole. Hier träumt er im Schlaf, der Mörder zu sein. Ein bisschen Freud’sche Projektion und die Einsicht, dass auch der Mörder nur ein psychisch angeschlagener Jedermann war, führen zur Annahme, man selbst könnte der Mörder sein. Ein kurzer Song, der aber mehr über das heutige Amerika zwischen Waffenwahn, Amokläufen und rassistischer Gewalt aussagt, als manch lange Analyse.
Fazit: Darrin Bradbury ist ein richtig gutes Album gelungen. Mit der genau richtigen Mischung aus ernsten Themen, bösem Humor und Selbstironie. Klasse! Den sollte man im Auge behalten.
Darrin Bradbury – Talking Dogs & Atom Bombs: Das Album
Titel: Talking Dogs & Atom Bombs
Künstler: Darrin Bradbury
Veröffentlichungstermin: 27. September 2019
Label: Anti Records
Vertrieb: Indigo
Formate: CD, Vinyl & Digital
Laufzeit: 26:42 Min.
Tracks: 11
Genre: Folk, Americana
Trackliste: (Talking Dogs & Atom Bombs)
01. Talking Dogs & Atom Bombs
02. Breakfast
03. Hell’s More Or Less The Same
04. The Trouble With Time – mit Margo Price
05. Strange Bird
06. Nothing Much
07. The American Life
08. This Too Shall Pass
09. Motel Room, Motel Room
10. So Many Ways To Die (Frozen Pizza)
11. Dallas 1963