Das Debütalbum von Willie Watson

Schon der erste Song zeigt an auf welchem Fundament Willie Watson steht. Er ist geerdet in der großen amerikanischen Folkmusiktradition. „Slim And The Devil“ klingt wie eine uralte Ballade und ist ein Folksong voller Humor und Ironie über das angeblich so lasterhafte Leben in New Orleans und Memphis. Seine Liebe zur Musik besingt er dann in „Real Live“ zu einer Musik, die irgendwo zwischen Dylans „Nashville Skyline“ und „Desire“ verortet ist. Eine überirdische Stimmung macht sich hier breit, getragen vom großartigen Geigenspiel von Sami Baran, die sozusagen, um im Dylan-Bild zu bleiben, die Scarlet Rivera dieses Albums ist.

Ganz im Folk verwurzelt

Viele Songs wie „Already Gone“, „Sad Song“ oder „One To Fall“ sind langsam und werden von einer gewissen nachdenklichen Melancholie getragen. Watson ist ein Zweifler, ein Grübelnder, einer der immer wieder die Liebe und seinen Platz in der Welt zu ergründen sucht. Das passt zu seiner Selbsterkenntnis, die er uns zum Erscheinen dieses Albums erläuterte. Watson, so sagt er selbst, hat immer gegen seine eigenen Minderwertigkeitsgefühle angekämpft und sich erst jetzt dazu entschlossen, ein eigenes Werk in die Welt zu entlassen. „Nachdem ich 30 Jahre lang professionell Musik gemacht habe, ist dies mein Debütalbum. Mit dieser Platte habe ich den Teufel besiegt, oder die Geschichte dessen, was es letztendlich doch getan hat. Ich habe keinen speziellen Pakt oder so geschlossen, aber ich weiß, dass wir die meiste Zeit meines Lebens miteinander verstrickt waren. Jetzt, wo er weg ist, kann ich mich wieder selbst lieben“, sagt Watson über die Platte.

Ein Sänger findet den Songwriter in sich

Ein bisschen schneller, leicht hüpfend wird es dann bei „Mole In The Ground“. Ein Song, der von seiner Anmutung und vom Titel her geradezu direkt von der „Anthology Of American Folk Music“ stammen könnte. Dabei ist er nicht weniger als die Geschichte vom jemanden, der sich am Liebsten vor der Welt versteckt. Doch all die Songs steuern dem großen Höhepunkt zu. Watsons letzter Song auf diesem Album heißt „Reap ‘Em In The Valley“ und ist ein Talking-Blues-Gospel-Meisterwerk. Wie er hier die Begegnung als Jugendlicher mit den klassischen Folksongs als Erweckungserlebnis anhand einer „göttlichen Begegnung“ mit einem Typ mit Gitarre namens Ruby Love schildert, ist ganz große Kunst. Diesen Ruby Love hat er seitdem nie mehr gesehen. Aber wenige Monate später wurde er Gründungsmitglied der Old Crow Medicine Show.

Nachdenkliche Songs und ein furioses Finale

Es ist das furiose Finale von Watsons selbstbetiteltem Debüt als Songwriter und als Mensch, der endlich zu sich selbst gefunden hat. Watson hat zwei Alben veröffentlicht, seit er vor einem Dutzend Jahren die Old Crow Medicine Show verließ und seit seiner langjährigen Zusammenarbeit mit David Rawlings und Gillian Welch. Aber diese Platten, die beide den Titel „Folk Singer“ trugen, waren Zusammenstellungen von alten Songs, die er seit Jahren kannte. Mit 44 Jahren hat er jedoch das Gefühl, dass „Willie Watson“ sein erstes richtiges Album ist, nachdem er endlich genug gelebt und verloren hat und einfach genug gesehen hat, um zu wissen, dass er mit seinem Tenor etwas zu sagen hat. Nun erst konnte er wohl zurückkehren und bestritt im Frühjahr einige Gigs als Support für die Old Crows.

Fazit: Es ist ein schönes Album geworden. Man spürt, da ist endlich einer bei sich angekommen. Noch dazu einer, der die amerikanische Folkmusik so gut kennt und auch so sehr lebt, wie kaum ein Zweiter!

Willie Watson – Willie Watson: Das 2024er Album

Titel: Willie Watson
Künstler: Willie Watson
Veröffentlichungstermin: 13. September 2024
Label: Little Operation Records (Membran)
Format: CD, Vinyl & Digital
Tracks: 9
Genre: Folk, Americana

Trackliste: (Willie Watson)

01. Slim And The Devil
02. Real Love
03. Already Gone
04. Sad Song
05. One To Fall
06. Harris And The Mare
07. Mole In The Ground
08. Play It One More Time
09. Reap ‘Em In The Valley