Valerie June: Owls, Omens, And Oracles
Das neue Album der Americana-Künstlerin ist ein erstaunliches, fast schon überirdisches Statement für Liebe, Empowerment, Widerstand und Weisheit zugleich!

Wenn Rhiannon Giddens in der afroamerikanischen Americana-Community so etwas wie die Rolle der Historikerin und Intellektuellen einnimmt, dann ist Valerie June, ebenso die erdverbundene Kämpferin wie magische Zauberin und Träumerin. Ihre Musik kommt aus Bauch, Kopf und Seele und daher ist ihr neues Album Owls, Omens, And Oracles nicht nur ihr reiftstes und schönstes bislang, sondern auch genau das Album, das wir in diesen Zeiten brauchen. Dieses Album ist ein radikales Statement, um mit der Skepsis, der Überwachungsangst und der Untergangsfurcht zu brechen. Stattdessen geht es um Lebendigkeit und Verbindungen zu anderen, um Verletzlichkeit und Stärke zu gleich.
Kämpferin, Zauberin, Träumerin
„Die Grammy-nominierte Singer-Songwriterin und dreimalige Nominierte für die Americana Music Honors and Awards verwebt Liebe, Süße, Güte und Freude mit Songs, die seit Jahren durch sie hindurchfließen. Auf halbem Weg durch ein Jahrzehnt immenser und schneller globaler Veränderungen behauptet sie eine multidimensionale Blackness, die von Lachen, Wahrheit, Magie, Freude, Liebe, Süße, Güte und gegenseitiger Abhängigkeit durchdrungen ist“, heißt es im Promotext und der bringt es im Großen und Ganzen auf den Punkt. Valerie Junes Musik speist sich aus afroamerikanischen Volkstraditionen und Alltagsüberlieferung, ergänzt durch das musikalische Erbe solcher Größen wie Mavis Staples und Bob Dylan.
Und mit Mavis Staples beginnt auch die Geschichte dieses Albums. Während der Produktion von Mavis‘ 2016er Album „Living On A High Note“ lud Produzent M. Ward June ein, einen Song beizusteuern, der zum Titelsong wurde. „Ich war schon seit Jahren ein Fan von The Staple Singers und She And Him (Zooey Deschanel und M. Ward), also war es ein wahr gewordener Traum, mit Mavis und Ward ins Studio zu gehen. Ich liebte seinen Produktionsstil und die Art und Weise, wie er die verschiedenen Frauenstimmen einfing. Ich kann mich noch gut an den Geruch des Raumes und das Gefühl der Luft erinnern, als ich Mavis und Zooey zum ersten Mal singen hörte. Wenn man solche Stimmen hört, kann man sie mit niemandem da draußen verwechseln.“
Mavis Staples und M. Ward waren Paten für dieses Album
Die Zusammenarbeit trug weitere Früchte. So schloss sich June im Spätsommer 2023 Ward für spontane Gastauftritte während seiner Auftritte beim Newport Folk Festival und bei Hardly Strictly Bluegrass an und setzte damit den Plan in Gang, gemeinsam im Studio zu arbeiten. „Eines der Dinge, die ich an M. Wards Musik mag, ist, dass er ein unglaublich guter Gitarrist ist. Er kann zwar schreddern und rocken, aber er versteht auch den Blues. Nachdem ich ihn bei diesen Live-Sets begleitet hatte, schworen wir uns, eines Tages zusammen an einer Platte zu arbeiten.“ Und so kam es und so schufen die beiden zusammen das nun vorliegende Album.
Das Album hat einen charakteristischen analogen Produktionssound, der Altes und Neues miteinander verbindet. „Bands und Gruppen von den Strokes bis zu den Ronettes haben immer mein Herz erobert. Bei vielen dieser Songs wollte ich einen düsteren Low-Fi-Sound. Ich wollte grungy werden, aber ich wollte auch die Sanftheit eines Singer-Songwriters mit einer Gitarre bei einer Open-Mic-Nacht bewahren.“ Und das hat auf beeindruckende Weise funktioniert. Ihre dynamische und unverwechselbare Stimme steht im Mittelpunkt eines besonderen Kreises von Mitwirkenden, darunter eben Produzent M. Ward, aber auch besondere Gäste wie Blind Boys Of Alabama, Norah Jones und DJ Cavem Moetavation.
Bei jedem Song ragt eine andere musikalische Wurzel heraus
Das Album beginnt mit „Joy, Joy“ und der ausgelassene Song mit Ohrwurmqualitäten gibt die Richtung vor. Kein Grund in Sack und Asche zu gehen. Und er gibt auch Valeries Sound vor, der aus ihr psychedelisches Folk-, Indie-Rock-, Appalachen-, Bluegrass-, Country-Soul-, Orchester-Pop- und Blues-Wurzelsystem zu einem unglaublich homogenen Ganzen zusammenfügt. Bei jedem Song ragt eine andere Wurzel heraus und fügt sich doch zwingend und bestechend mit den anderen zusammen.
Bei „All I Really Wanna Do“ wird es soulig und Junes Stimme erinnert an eine eigenwillige Version der Supremes. „Trust The Path“ ist eine berührende Klavierballade, in der es darum geht, an den eigenen Weg zu glauben. „Endless Tree“ ist ein hymnischer Rocksong und „My Life Is A Country Song” ist ein Banjo-getriebenes Roots-Stück über ihr Leben, das damit begann, als das älteste von fünf afroamerikanischen Geschwistern in Humboldt, Tennesee, einer Kleinstadt mit rund 8.500 Einwohnern, aufzuwachsen.
Und dann wandelt June, die von Bob Dylan bewundert wird, auch noch auf dessen Spuren von amerikanischer Rockmusik zu folkigen Songs wie „Sweet Things Just For You“, bei dem sie von Norah Jones begleitet wird, bis hin zu „Missin‘ You“, bei dem Ward die Fingerpicking-Gitarre im Stil von Mississippi John Hurt und John Fahey spielt.
Ein Album, das die Welt zu einem besseren Ort macht
Um Ende entlässt sie uns mit „Love And Let Go“, einem weiteren hymnischen Song wieder in die Welt. Die sich nach dem Hören dieses Album definitiv besser anfühlt. Es liegt an uns, daraus etwas nachhaltiges zu machen.
Fazit: Was für ein wunderschönes, betörendes, fast schon überirdisches Album. Kandidat für eines der Top-Americana-Alben des Jahres. Valerie June auf dem vorläufigen Höhepunkt ihres Schaffens. Was wird uns diese Künstlerin noch alles geben? Wir bleiben dran und glauben ganz fest an sie. Fantastisch, liebe Valerie June!
Valerie June – Owls, Omens, And Oracles: Das 2025er Album
Künstlerin: Valerie June
Album: Owls, Omens, And Oracles
Veröffentlichung: 11. April 2025
Label: Concord Records (Universal Music)
Formate: CD, Vinyl & Digital
Tracks: 14
Genre: Americana
Trackliste: (Owls, Omens, And Oracles)
01. Joy, Joy!
02. All I Really Wanna Do
03. Endless Tree
04. Inside Me
05. Trust The Path
06. Love Me Any Ole Way
07. Changed – feat. The Blind Boys Of Alabama
08. Superpower
09. Sweet Things Just For You
10. I Am In Love
11. Calling My Spirit
12. My Life Is A Country Song
13. Missin’ You (Yeah, Yeah)
14. Love And Let Go