Kevin Fowler: Loose, Loud & Crazy
Wirft man einen Blick in die aktuellen Countrycharts, dann findet man viel, aber nur wenig, das den Namen Country wirklich verdient. Um die wahre, unverfälschte Country Music zu finden, muss man sich als musikinteressierter Mensch also schon ein bisschen mehr einfallen lassen, als sich einfach nur an den Charts zu orientieren. Und wenn man dann lange genug gesucht hat, dann stößt man irgendwann auf so jemanden wie Kevin Fowler, einen Künstler, der schon seit Ende der 90er Jahre in den texanischen Honky Tonks sein Unwesen treibt.
Sein Song „100% Texan“, von seinem Debütalbum „Beer, Bait And Ammo“ (2000), hat sich inzwischen zu einer Art Nationalhymne aller Texaner entwickelt. 2004 erschien mit „Loose, Loud & Crazy“ sein drittes Studioalbum, von dem ich überzeugt bin, dass es selbst ein Jahr nach Veröffentlichung noch nicht die Beachtung bekommen hat, die es eigentlich verdient hätte.
Kevin Fowler zeigt auf diesem Album, dass er absolut keine Berührungsängste mit den verschiedenen Stilen der Countrymusic hat. So präsentiert er mit „Get Along“ lupenreinen Westernswing, bei dem selbst Bob Wills ins Wanken gekommen wäre. Bei „Triple Crown“ wagt er sich dann sogar bis in die Sümpfe Louisianas vor und lässt einige Cajunklänge einfließen. Auch sonst mangelt es keineswegs an Honky Tonk-Schunklern und diversen Drinking Songs, wie „Lord Loves The Drinkin‘ Man“, das durch Mark Chesnutt auch außerhalb von Texas bekannt wurde.
Ein verstecktes Juwel auf dieser CD ist der Song „Half“, in dem es um eine von Männern geschädigte Frau geht, die sich nun – dank der glorreichen Erfindung der Scheidung und des Ehevertrags – an der Hälfte des gemeinsamen Besitzes erfreuen darf. Wie so oft ist die Frau dabei der klare Gewinner: „Once she was crying, but she’s got the last laugh, she said: honey, honey, I take half“. Sowohl textlich als auch musikalisch ist dieser Song ein absoluter Hörgenuss, nicht zuletzt wegen der gar lustig anmutenden Phrasierungen, mit denen Kevin Fowler die Zeilen einer jeden Strophe beendet.
Inzwischen zu kleinen, aber feinen, Hits avanciert, sind „Hard Man To Love“, eine irgendwie rührende Entschuldigung für alle Männer, die sich gerne mal die Nächte um die Ohren schlagen, und „Don’t Touch My Willie“. Ein Schelm, wer Böses bei diesem Titel denkt …
Famous last words: Alle, die genug haben von dem auf Hochglanz polierten Nashvillesound, der die Charts in Beschlag genommen hat, sollten sich diese CD zulegen, um das wahre Countryfeeling zu erleben. Dieses Album gehört an die Spitze der Countrycharts und nicht in die Playlist eines regionalen Countrysenders. Also, macht von eurer Stimme als mündiger CD-Käufer Gebrauch und zeigt den Herrschaften, dass Country niemals „too country“ sein kann.
Trackliste:
01. Loose, Loud & Crazy |