Leroy van Dyke: Hat nichts von seinem Glanz verloren
Als ich unlängst Gelegenheit hatte, mich mit dem großen George Jones eine ganze Strecke zu unterhalten, kam auch die Situation im Countryradio zur Sprache. Die kann für die verdienstvollen, älteren Künstler nicht befriedigend sein. Sie haben dort einfach keine Chance mehr, egal, was sie produzieren. Allein das Geburtsdatum führt schon zur Aussortierung. Wenn ein Stonewall Jackson die Grand Ole Opry wegen Diskriminierung verklagt, weil man ihn – nach seinem persönlichen Empfinden – wegen seines Alters dort zunehmend auf’s Abstellgleis bugsiert, mag man darüber schmunzeln. Es kennzeichnet gleichwohl die Situation. George Jones, der nach wie vor einer der gefragtesten Künstler für Duette mit Kollegen aller Altersklassen und Musikrichtungen ist, meinte mit einer gehörigen Portion Sarkasmus: „Ich mache seit Jahren nur noch Alben. Wozu noch Singles, wenn die ohnehin nicht gespielt werden?“
Liebhaber meiner Generation fragen sich regelmäßig, wo denn die „Helden“ unserer Zeit geblieben sind, die Stars der 1960er, 1970er und auch noch 1980er Jahre. Meist hört man nur noch von ihnen, wenn sie verstorben sind. Aber es gibt sie noch, sie sind zum großen Teil auch noch aktiv und finden ihr Publikum. Auch wenn dies in viel bescheidenerem Rahmen und weitgehend unbeachtet stattfindet. So findet in Branson, Missouri das ganze Jahr 2007 eine Show unter dem Motto „The Grand Ladies of Country Music“ statt. Dort treten u.a. auf: Norma Jean, Leona Williams, Jean Shepard, Wanda Jackson, Margo Smith, Jody Miller, Helen Cornelius, Mary Lou Turner. Diese Künstlerinnen und eine ganze Reihe anderer kann man in ganz unterschiedlichen Zusammenstellungen unter dem Motto „Country Gold Tour“ erleben. Organisiert wird diese Tour von Gladys van Dyke, der Ehefrau des Countrystars Leroy van Dyke. Und der tourt natürlich selbst auch noch kräftig mit.
Leroy van Dyke erfreut sich bester Gesundheit, ist längst wieder ins heimatliche Missouri zurück gekehrt und macht das, woran er Freude hat. Dazu gehört es auch im Alter von 78 Jahren immer noch, ein Publikum zu unterhalten. Etwas, wovon dieser Künstler eine ganze Menge versteht, denn er war einer der Ersten aus der Country Music, der seine Qualitäten als Entertainer ausspielen konnte. Für ihn bedeutete es immer viel, Plattenhits zu haben … mehr aber noch, ein Publikum ganz individuell zu unterhalten. „Es reicht nicht, einige Hits zu singen, du musst die Menschen im Saal packen, du musst ihnen sowohl optisch als auch akustisch etwas für ihr Geld bieten. Hits helfen nur, die Leute neugierig zu machen, damit sie zum Konzert kommen. Dort aber musst du ihnen das bieten, was sie hören wollen. Jedes Publikum ist anders und wenn du dich nicht darauf einstellst, kannst du mit deinen Hits auch ganz schön baden gehen. Das ist aufregend, das hält mich in Spannung!“ So resümiert der sympathische Künstler seine Erfahrung in dem Job, den er aus dem Effeff beherrscht. Mit „The Auctioneer“ (Platz 9 im Jahre 1957), „Walk On By“ (Platz 1 im Jahre 1961) und „If A Woman Answers“ (Platz 3 im Jahre 1962) hatte er seine größten Hits – Erfolge, die Trends und Generation überdauert haben. Ebenso wie Leroy van Dyke selbst auch, der im Laufe seiner langen Karriere auch in ganz anderen Funktionen hinter den Kulissen dazu beigetragen hat, die Country Music aus dem Dornröschenschlaf zu wecken und ihr mehr Aufmerksamkeit zu verschaffen. Er genießt völlig zu Recht großes Ansehen in der gesamten Countryszene.
Gelegentlich gab es in den letzten Jahren auch ein neues Album von dem Künstler, den ich 1968 erstmals live erlebte und der für mich immer mehr Entertainer denn Sänger war. Wenn er auf einem Album bekannte Songs anderer Künstler singt, dann drückt er ihnen seinen ganz persönlichen Stempel auf und man darf sicher sein, ihn nicht so präsentiert zu bekommen wie man ihn vom Original her kennt. Vier seiner Alben aus dem letzten Jahrzehnt stellen dies nachhaltig unter Beweis.