Bill Anderson: Seit über 40 Jahren erfolgreich
Ein Widerspruch ist es nicht, wenn in der Songschreiber-Rubrik ein Künstler auftaucht, der als Sänger mindestens ebenso bekannt und erfolgreich ist. Gerade in der Country Music vereinigen viele Künstler beide Eigenschaften in einer Person. Bill Anderson beispielsweise. Unglaublich – seit über 40 Jahren ist der Mann erfolgreich im Geschäft.
Im Jahr 1958 landete Country-Kultstar Ray Price einen Riesenhit mit „City Lights“ – geschrieben von eben diesem Bill Anderson. Schon 1963 war er der erfolgreichste Country-Songschreiber und gleichzeitig auch Countrysänger des Jahres in den USA. Auch im Jahre 2005 schreibt er weiter Songs, die gefragt sind. Meist mit anderen Kollegen zusammen.
So taucht er auf dem aktuellen Album „Be As You Are“ von Kenny Chesney mit dem Titel „Key Lime Pie“ auf. Als Sänger ist Bill Anderson zwar längst nicht mehr in den Charts vertreten (immerhin brachte er im Laufe der Jahre an die 100 Singles dort unter) aber ein aktuelles Album auf TWI Records gibt es dennoch. Da erkennt der Hörer, dass Anderson auch im Alter von 67 Jahren so gut bei Stimme ist wie eh und je.
Den Mann erkennt man immer noch am ersten Ton, sein Gesangsstil brachte ihm den Beinamen „Whispering Bill“ ein. Und Niemand hätte geglaubt, dass man damit Karriere würde machen können. Eigentlich wurde die ja auch durch die von ihm verfassten Songs möglich.
Am 1.11.1937 kam Bill Anderson, als James William Anderson zwar in Columbia, South Carolina, zur Welt, wuchs aber in Georgia auf. Schon in der Schulzeit tat er sich als Songschreiber hervor und verdiente sich als Discjockey ein Taschengeld. Auch während der Studienzeit, die er mit Diplom als Journalist abschloss. Diese Ausbildung hat ihm später geholfen, in meinen vielen Gesprächen mit ihm habe ich mich gewundert, wie nahezu druckreif er seine Interviews zu geben pflegt.
Bill Anderson startete als Sport-Journalist ins Berufsleben, blieb in der Musik zusätzlich weiter tätig. Das Jahr 1958 gab den Ausschlag für die Musik als sich dort der bereits erwähnte Erfolg einstellte. Der gleiche Ray Price hatte 1959 mit Anderson’s „That’s What It’s Like To Be Lonesome“ einen weiteren Hit. Der selbst hatte bei MCA einen Gesangsvertrag und diesen Song schon ein Jahr vorher in dei Top Twenty gebracht und damit sein Debüt in den Charts gefeiert, aus denen er runde 30 Jahre nicht wegzudenken sein würde. Zu einer seiner Spezialitäten sollten Recitations werden, Songs also, die zu musikalischer Untermalung mehr gesprochen als gesungen wurden. „Golden Guitar“, „Still“, „Where Have All Our Heroes Gone“ seien hier genannt. Zu seinen eigenen weiteren Hits gehören solche Klassiker wie „The Tip Of My Fingers“, „Po‘ Folks“, „8 x 10“, „I Get The Fever“, „Wild Week-End“, „But You Know I Love You“, „Don’t She Look Good“, „World Of Make Believe“ „Sometimes“ und viele ander!
Es ist unmöglich, in der gebotenen Kürze alle Erfolge dieses Bill Anderson aufzuzeigen. Er verstand es auch, jeweils angesagte Trends zu nutzen, wie das Disco-Fieber Ende der 70er Jahre als man kurzzeitig den Begriff „Country-Disco“ einführte. Anderson landete mit „I Can’t Wait Any Longer“ auch hier „seinen“ Hit. Im Live-Geschäft schwamm „Whispering Bill“ viele Jahre auf einer Erfolgswelle, weil er eine der besten Live Shows auf die Bühne zauberte, wesentlich mitgeprägt von seiner exzellenten Band, den „Po‘ Folks“. Auch in Europa sammelte er damit richtig Pluspunkte. Zur Band gehörte z.B. auch Sonny Garrish, der noch heute einer der gefragtesten Steel Gitarristen in Nashville ist. Integriert in seine Show blieb stets eine attraktive, stimmlich herausragende Sängerin, mit der er meist Duette aufnahm und ebenso in den Charts aufkreuzte. Jan Howard und Mary Lou Turner seien hier genannt.
Die wunderbare Connie Smith verdankt ihren Durchbruch diesem Bill Anderson, der sie nicht nur ermutigte, nach Nashville zu kommen sondern auch zahlreiche Hits auf den Leib schrieb. In dieser Eigenschaft ist Anderson für die Musik am wertvollsten geworden, denn endlos liest sich die Liste seiner Songs, die von nahezu allen Gesangsgrößen der Country Music aufgenommen wurden. Ich will gar nicht erst anfangen, die Hits aus seiner Feder für Andere zu notieren, nur stellvertretend seinen genannt: „I May Never Get To Heaven“, „When Two Worlds Collide“, „Once A Day“ bis hin zu „Wish You Were Here“ (Mark Wills) und „Two Teardrops“ (Steve Wariner). Man sollte sich aktuelle Alben genau anschauen, man wird dort den Namen Bill Anderson unter den Autoren immer wieder finden. Um das Bild dieses Alleskönners abzurunden muss man erwähnen, dass er natürlich in etlichen Filmen mitwirkte, Gastgeber mehrerer Spiele-Shows im Fernsehen war und mindestens zwei Bücher geschrieben hat.
Nimmermüde ist der agile Spätsechziger. Neben Porter Wagoner gehört Bill Anderson zu den Gurus der Grand Ole Opry. Oft übernimmt er dort die Funktion des Gastgebers, auch in der TV Sendung „Opry Backstage“ oder anderen Übertragungen aus der Opry.
Hin und wieder findet er dann sogar Zeit, ein neues Album zu produzieren, von denen er unterdessen über 50 veröffentlichte. Nach „Fine Wine“ 1998 im letzten Jahr also „The Way I Feel“. Es ist keine herausragende Produktion aber solide Country Music, die einmal mehr zeigt, warum dieser Künstler so dauerhaften Erfolg hat. Alle zehn Songs stammen zumindest teilweise von ihm. Er greift immer wieder Szenen aus dem Alltag auf, die den meisten von uns geläufig sind, von denen wir aber kaum soviel Notiz nehmen würden, ein Lied darüber zu schreiben (falls wir es könnten). Und dennoch sprechen die in eingängige Melodien verpackten Geschichten offenbar die Menschen aller Nationalitäten immer wieder an.