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City Lights: Bill Anderson

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Ein Song, der zum Honky Tonk-Klassiker geworden ist, der für seinen Autoren Bill Anderson die Eintrittskarte für eine großartige Karriere wurde, die bis heute (2011) anhält und deren Ende nicht abzusehen ist. Der damals 19-Jährige schrieb „City Lights“ 1957, es wurde seine zweite Single für das kleine Label TNT Records.

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Im Juni 1961 nahm er es auf Drängen seines Produzenten Owen Bradley erneut für Decca Records auf. Als Sänger hatte Anderson nie einen Hit mit diesem Lied, dafür aber andere Interpreten. Beispielsweise Ray Price, der 1958 eine Nr. 1 damit feierte. 1971 stand Johnny Bush damit in den Charts, 1974 landete es in der Version von Mickey Gilley erneut ganz oben, 1989 war es die letzte Notierung für Mel Tillis in den Charts.

„City Lights“ hat eine ganz besondere Geschichte, die Anderson mir vor vielen Jahren bereits erzählte. Nachzulesen ist sie auch im Buch zur aktuellen CD-Box „The First Ten Years 1956-1966“ von Bear Family Records. Bill Anderson, damals noch Student (Journalismus) in Athens, Georgia, arbeitete gleichzeitig als DJ beim Sender WJJC in Commerce. An einem Abend im August 1957 saß er nach der Arbeit auf der Dachterrasse des Hotels Andrew Jackson, in dem der Sender seine Studios hatte. Als er den sternenklaren Himmel betrachtete und darunter die Neonlampen der Kleinstadt, kam ihm die Idee zu diesem Lied. Er schrieb seine Gedanken gleich auf einen Zettel. Zunächst entstand die spätere zweite Strophe. Sein eigentlicher Gedanke dabei sei gewesen, so Anderson, sich zu fragen, ob derselbe Gott, der diesen wunderschönen Sternenhimmel geschaffen hat, auch für die dagegen eher schmutzigen Lichter der Stadt verantwortlich sei. In der Übersetzung lautete diese Strophe so: „Die Welt war dunkel und Gott erschuf Sterne, um die Nacht aufzuhellen. Hat der Gott, der die Sterne dort oben hingetan hat, auch diese Stadtlichter gemacht? Hat er einen Ort für Menschen geschaffen, an dem sie weinen können, wenn die Dinge nicht gut stehen? Sollen wir weglaufen und uns hinter diesen Stadtlichtern verstecken?“

Danach erst sei ihm die erste Strophe eingefallen, die in etwa so lautet: „Der helle Schein der Stadtlichter soweit man sehen kann, der Große Weiße Weg erleuchtet die Nacht für einsame Jungen wie mich. Die Cabarets und Honky Tonks, ihre glitzernden Schilder laden ein gebrochenes Herz ein, das sich im Glanz der Stadtlichter verliert.“

Bill Anderson war richtig aufgeregt, er spürte, hier hatte er etwas Besonderes zu Papier gebracht. Eine rasch anberaumte Session führte zu keinem Ergebnis, Anderson tauschte Musiker aus, dann hatte er ein Ergebnis, mit dem er zufrieden war. Doch zunächst stieß er damit nicht gerade auf Begeisterung. TNT produzierte die Single nur, weil Anderson selbst einige hundert Copies kaufte. Über Umwege gelangte der Song zu Chet Atkins, damals schon für Künstler bei RCA Nashville verantwortlich. Der überredete Dave Rich „City Lights“ aufzunehmen. Aber erst, nachdem die zweite Strophe abgeändert wurde. Rich, ein tief religiöser Mann, störte sich an den rhetorischen Fragen im Originaltext. Aus den Fragen wurden Behauptungen. Nun lautete der Text so: „Die Welt war dunkel und Gott erschuf Sterne, um die Nacht aufzuhellen. Aber Gott, der die Sterne oben hinstellte, hat wohl nicht diese Lichter erschaffen, denn das ist nur ein Ort, an dem Menschen weinen, wenn die Dinge schief laufen. Nur ein Ort, an den man wegläuft und sich hinter den Stadtlichtern versteckt.“

Die Aufnahme mit Dave Rich erschien 1958, Anderson freute sich zwar darüber, dass sein Song nun auf einem großen Label gelandet war, hatte sogar Verständnis für die Textänderung, verstanden konnte er es jedoch nie. Er selbst hat immer nur den Originaltext gesungen, weil der abgeänderte Text eigentlich gar nicht singbar sei. Ray Price hörte den Song im Radio, er nahm kurz darauf seine Version auf. Dazu hatte er die Musiker besonders auf die Stimmung eingestellt, in der er den Sound haben wollte. „City Lights“ erschien als Single, auf deren andere Seite „Invitation To The Blues“ gepackt wurde. Ein Lied, geschrieben von Anderson’s Freund, dem damals noch unbekannten Roger Miller. Beide Songs wurden Hits für Price, „City Lights“ – wie gesagt – auf Platz 1 und „Invitation To The Blues“ auf Platz 3. Price hatte übrigens auch den geänderten und nicht den Originaltext verwendet. Der Song „City Lights“ wirbelte viel Staub auf, Bill Anderson war plötzlich ein gefragter Autor. Der Wirbel um ihn sei so etwas wie seine erste Lehrstunde gewesen, wie Nashville funktionierte.

Das ist alles in der schon erwähnten CD-Box von Bear Family noch ausführlicher nachzulesen. Viel wichtiger aber, diese Box enthält sämtliche, noch verfügbaren Aufnahmen von Bill Anderson aus den ersten zehn Jahren seiner beispiellosen Karriere. In solch geballter Ladung präsentiert wird einem so richtig klar, wie viele Songs dieser Bill Anderson geschrieben hat. Für sich selbst und vor allem auch für andere Künstler, von Porter Wagoner über Conway Twitty, Ray Price, Connie Smith, Faron Young bis hin zu Jim Reeves usw. usw. Unter den nahezu 120 Tracks der 4 CDs finden sich einige bisher unveröffentlichte Aufnahmen, einige wenige Songs in verschiedener Version sowie 12 Demo-Aufnahmen aus Andersons privatem Besitz. Und darunter auch ein Duett mit einer noch sehr jungen, damals unbekannten Dolly Parton. Fünf Duette mit Jan Howard, die etliche Jahre seine ständige Duett-Partnerin war, sind ebenfalls enthalten.

Schon die Aufnahmen aus den ersten zehn Jahren dokumentieren, welche stilistische Vielfalt Anderson beherrscht. Seine Fähigkeit, zu Herzen gehende Balladen mit spärlicher Untermalung vorzutragen, brachten ihm den Beinamen „Whispering Bill“ ein – aber der Mann kann viel mehr. Egal ob Honky Tonk oder Texas Shuffle, ob Traditionals, Nashville Sound oder Pop Country, es ist alles vertreten. Dazu in exzellenter technischer Qualität. Das reichlich bebilderte Buch in LP-Format enthält eine Fülle an Information, inclusive einer detaillierten Discografie und aktiver Mithilfe von Bill Anderson in Form von Zitaten und Informationen zu vielen Songs und Begebenheiten.

Während man sich die abwechslungsreiche Musik zu Gemüte führt, kann man sich vergegenwärtigen, welche Karriere diesem so sympathischen Künstler vergönnt ist. Über ihn als Sänger und Songschreiber war schon die Rede, er war Gastgeber seiner eigenen, sehr beliebten TV Show, mit den Po‘ Boys hatte er die vielleicht beste Begleitband der 1960er und 170er Jahre, seit 1961 ist er ununterbrochen Mitglied der Grand Ole Opry, seit 2001 in die Country Music Hall of Fame aufgenommen. Anderson war Gastgeber diverser Game Shows, wirkte in TV Stücken als Schauspieler mit, schrieb drei höchst interessante Bücher (darunter seine Biografie), usw. usw. Aber er hatte auch private wie berufliche Tragödien und Enttäuschungen zu überstehen. So manches davon verarbeitet er in seinen Songs. Das tut er auch heute noch. Gern und regelmäßig schreibt er Lieder, zunehmend mit Partnern, die fast seine Enkel sein könnten.

Bill Anderson ist ein genialer Künstler, eine Persönlichkeit, die ihre Spuren nachhaltig in der Country Music hinterlassen hat, deren Bedeutung eigentlich immer noch zu wenig erkannt und gewürdigt wird. Umso besser, dass Bear Family Records sich dieses Bill Anderson angenommen hat und hoffentlich mit der Veröffentlichung seiner Aufnahmen fortfahren wird, denn in den Jahren seit 1966 ist noch einiges in seiner Karriere geschehen, das es wert ist, festgehalten zu werden.

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