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Porter Wagoner (Biografie)

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Der Country Music haftet bei uns in Deutschland immer noch ein bestimmtes Klischee an, das seit Jahrzehnten mehr oder weniger energisch angegangen wird – mit allenfalls mäßigem Erfolg. Landläufig stellt man sich einen Countrysänger immer noch in glitzerndem, kitschigen Kostüm vor, der altbacken, ein wenig unbeholfen und unbedarft simple, von Gefühlsduselei triefende Lieder vorträgt.

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Mit einer beinahe schon strafbaren Ignoranz wird dabei nicht zur Kenntnis genommen, dass sich das Bild vor allem in den USA grundlegend geändert hat. Das, was dort heute als Country Music produziert und verkauft wird, was die Charts dominiert – es hat mit der Country Music wie man sie sich hierzulande zurecht legt, nicht das Geringste mehr zu tun. Weder optisch noch inhaltlich.

Porter WagonerGleichwohl, es gibt sie natürlich noch, jene Künstler, die alle Klischees in sich vereinen. Man verehrt sie heute wie damals aber es ist nur noch Nostalgie, die sie interessant bleiben lässt. Von der Zeit und den mit ihr einher gehenden Entwicklungen wurden sie entweder überrollt oder haben sich ganz bewusst dagegen gesperrt. Seien wir ehrlich, all diejenigen Countryfans, die etwas älter sind, die noch die 1950er und 1960er Jahre mitgemacht und in lebhafter Erinnerung behalten haben – sind froh und freuen sich wenn sie Gelegenheit haben, einen jener Künstler noch zu hören, die – einem Dinosaurier gleich – die Vergangenheit der Country Music lebendig erhalten. Denn die meisten jener Urgesteine haben uns inzwischen für immer verlassen oder sich zumindest aufs Altenteil zurück gezogen.

Porter Wagoner war einer dieser letzten großen „Hillbillies“. Ungeheuer seine Verdienste um die Country Music, denn ohne Persönlichkeiten wie ihn, hätte diese Musik nie auch ihren kommerziellen Höhenflug antreten können. Er hat die komplette Entwicklung nach dem 2. Weltkrieg nicht nur mitgemacht sondern sie auch ein gutes Stück weit mitbestimmt. Kontinuierlich rückte er in der Hierarchie weiter auf bis er ganz oben angekommen war. Wagoner darf sich als legitimer Nachfolger eines Roy Acuff fühlen, nicht nur in der Grand Ole Opry sondern was die Country Music-Tradition allgemein angeht. Sein Wort gilt, sein Einfluss ist nicht unerheblich – sein künstlerisches Lebenswerk mehr als beeindruckend.

„Hillbilly“ – das war lange Zeit in den USA ein Schimpfwort – es kümmerte einen Porter Wagoner nie sonderlich – er war stolz darauf, ein solcher zu sein. „Hillbilly“ – das war noch schlimmer als „Rockabilly“. Denn landläufig galt als „Hillbilly“ ein Sänger, der wie ein Zirkuspferd und in fantasievollen, mit falschem Glimmer bestickten Klamotten auf der Bühne stand (wer es sich leisten konnte, ließ sich solch ein Kostüm vom legendären „Nudie“ anfertigen), der in einem ländlichen Dialekt einfältige, harmlose Witzchen erzählte und mit nasaler Stimme Lieder sang, die vor Gefühlsduselei tropften, über immer die gleichen Themen wie Liebe, Familie, Heimat. Für Diejenigen, die sich für etwas Besseres hielten, weil sie sich in die Stadt abgesetzt hatten, klang das allzu bieder und einfältig. Jetzt, nach dem Ende des 2. Weltkrieges war einiges in Bewegung gekommen in den USA. Wer sich auf den Weg gemacht hatte, in der Stadt nach Wohlstand zu suchen, die soziale Leiter einige Sprossen höher zu klettern, der wollte nicht unbedingt auch noch an seine Herkunft erinnert werden. Dem vermeintlichen Erfolg konnte man die eigene Herkunft und am Ende auch Gefühle opfern.

Ein Blick auf die Countryszene jener Jahre zeigt, dass sich viele Countrysänger traditioneller Herkunft diesem Trend anschlossen und richtig erfolgreich damit wurden. Nicht so Porter Wagoner. Unbeeindruckt, kompromisslos, gradlinig zog er seine Bahnen. Wagoner verkörperte schon seit Jahrzehnten den Typ Countrysänger, der die auffälligsten, so genannten „Rhinestone“ Anzüge trägt, der, fast an die Schmerzgrenze gehende gefühlsbetonte Lieder singt – sie mitunter mehr spricht als singt. Dafür lieben ihn die Menschen – dafür handelte er sich immer wieder die Kritik bestimmter Kreise ein und musste als „Model“ für Spötter und Satiriker herhalten.

Hinter dem meist reservierten, zurück haltenden, höflichen Mann steckte ein akribischer, fleißiger Handwerker, der genau wusste, was er will und wohin ihn sein Weg führen sollte. Trotz aller Klischees brachte er jahrzehnte lang eine ungewöhnlich erfolgreiche Road Show auf die Bühne und TV Show auf die Bildschirme. Die „Porter Wagoner Show“ war ganz einfach ein Gütesiegel für familienfreundliche, Generationen übergreifende Unterhaltung. Wagoner offenbarte sich in all den Jahren immer wieder, welch grundlegende, bahnbrechende Gedanken er sich macht. So sagte er z.B. „Natürlich freue auch ich mich über Anerkennung, aber die ist nicht die treibende Kraft. Mir geht es darum, eine gute Arbeit abzuliefern. Kaum Jemand glaubt doch, wie schwierig es ist, eine Studioproduktion auch nur annähernd ähnlich auf die Bühne zu bringen oder umgekehrt. Dolly ist ein gutes Beispiel, sie hat eine ganz ausgezeichnete, natürliche Konzertstimme. Genau das aber bereitet im Studio Probleme, zumal sie auch eine Perfektionistin ist. Wir brauchten mehrere Jahre, ehe wir ihre Stimme und die Technik optimal aufeinander abgestimmt hatten.“

Über die Musik allgemein hat sich Wagoner natürlich auch seine Gedanken gemacht und eine Meinung gebildet, die er einmal so erläuterte: „Der Reiz der Country Music liegt darin, dass sie einfach ist, eine direkte Reaktion menschlicher Gedanken und Handlungen, die aus ganz unterschiedlichen Situation resultieren. Diejenigen, die dies am eindruckvollsten beschreiben und interpretieren können, sind die Stars.“ Damit lieferte er gleich die Begründung, warum er sich so ungebrochener Beliebtheit erfreut – er ist ausrechenbar, man weiß genau, woran man bei ihm ist. Weiter meinte Wagoner: „Country Music „made in Nashville“ steht in Konkurrenz mit sich selbst, Alt trifft auf Neu. Neue Dinge treten plötzlich stark in Erscheinung – meist verschwinden sie bald wieder. In diesem Umfeld zahlen sich Können, Übung und jahrelange Erfahrung aus. Ähnlich einem solide gebauten Haus, das ein Erdbeben oder einen Wirbelsturm ohne größere Schäden übersteht.“ All das vereinigt Porter Wagoner in reichlichem Maße in seiner Person, deshalb konnte er stolz auf eine beispiellose Karriere sein.

Porter Wagoner brauchte viel Zeit, um sich gründlich auszubilden, um die Grundlagen für seine Karriere zu finden. Es waren Jahre harter und scheinbar ergebnisloser Arbeit. Dann baute Wagoner mit derselben Vorsicht und niemals zu ungeduldig oder zu schnell auf dieser Basis eine Karriere auf. Gerade zu der Zeit, als die Country Music durch den Rock’n’Roll hinweg geschwemmt zu werden drohte. Zu genau diesem Zeitpunkt hatte er einen Abschnitt erreicht, der ihn für immer in die Country Music katapultieren und ihm, das darf man heute behaupten, einen festen Platz in ihrer Entwicklungsgeschichte sichern sollte. Porter Wagoner kommt aus dem Howell County in Missouri, aus dem Örtchen West Plains, wo er als eines von fünf Kindern der Eltern Charlie und Bertha Wagoner aufwuchs. Sonderlich gut ging es ihnen auf der kleinen Farm nicht. Eine schwere Erkrankung des Familienoberhauptes führte z.B. dazu, dass Porter Wagoner vorzeitig die Schule verlassen musste. Daran erinnert er sich: „Mein Bruder und ich, wir waren die Einzigen, die noch zu Hause waren. Später wurde mein Bruder auch noch krank und so lastete fast alle Arbeit auf der Farm auf meinen Schultern. Wie gut war es da, dass man ein gutes Verhältnis zu den Nachbarn hatte. Wir halfen uns gegenseitig, wenn irgendwo Not am Mann war. Heute mag manch einer sich das kaum noch vorstellen können, aber in solchen Situationen war die Schulausbildung einfach zweitrangig. Das Überleben der Familie hatte Vorrang.“

Wagoner lernte also das Leben gleich in allen Schattierungen kennen. Country Music ist dafür bekannt, dass sie ein karges Dasein des Durchschnittsbürgers mit seinen Freuden, Leiden und Schrecken zum Inhalt hat. Aber auch ein wenig Abwechslung und Ablenkung in den Alltag bringen kann, egal, ob man sie selbst spielt oder ihr zuhört. Wagoner wusste also stets, wovon er singt. Das Spielen auf Gitarre und Fiddle lernte er bei seinen Nachbarn. Sein Bruder Glen Lee Wagoner, ebenfalls Gitarrist, schnitzte sich sein Instrument selbst. „Als ich acht war, bat ich Mutter, mir eine Gitarre zu kaufen. Ich zahlte ihr das Geld zurück, indem ich Kaninchen fing und die verkaufte. Was war ich froh über diese Gitarre“, weiß Wagoner noch. Am heimischen Herd wurde er früh von der volkstümlichen Musik infiziert, denn die Familie machte diese Musik. Am Batterie-Radio lauschte man den regelmäßigen Übertragungen aus der Grand Ole Opry und versuchte, ähnliche Musik zu machen. Wenn er vor Publikum spielen sollte, war Wagoner scheu, ein Problem, an dem er sehr lange zu knabbern hatte. Durch die Krankheit des Vaters bedingt, zogen die Wagoners von der kleinen Farm in die Stadt nach West Plains. Wagoner’s musikalische Fähigkeiten sprachen sich dort bald herum. Tagsüber arbeitete er als Verkäufer in einem Lebensmittelladen, abends machte er Musik. Bruder Glen Lee handelte die Verträge aus, er war eigentlich die treibende Kraft. Als Porter Wagoner sein Selbstvertrauen endlich gefunden zu haben schien, starb sein Bruder an einem Herzleiden. Damit war die so zuversichtlich gestartete Musiker-Karriere erst einmal gestoppt.

Sid Vaughn, seinem Arbeitgeber, sollte es vorbehalten sein, diese Karriere erneut ins Rollen zu bringen. Vaughn überredete seinen Angestellten, eine einstündige Werbesendung beim lokalen Sender KWPM zu übernehmen. Dabei sollte er so singen, wie er es immer tat und zwischendurch Werbesprüche bringen. Zunächst sträubte sich Wagoner, dann begann er doch, eine Viertelstunde (darauf war die Sendung verkürzt worden), mit Leben zu erfüllen. Wagoner dazu: „Ich wusste ja, dass ich singen konnte, denn ich hatte diese Lieder schon so oft gesungen. Aber würde ich auch sprechen können, würde mir was Passendes einfallen?“ Seine Scheu und seine Hemmungen konnte er nicht verbergen, gerade die aber waren es, die den Hörern gefielen. Die 15 Minuten mit Porter Wagoner wurden so beliebt, dass man ihn nach Springfield holte und dort bei KWTO mit einem festen Vertrag ausstattete. Erstmals in seiner Karriere arbeitete Wagoner nun mit Berufsmusikern. Noch einmal Wagoner: „Viel verdient habe ich nicht, es waren halt die Spesen. Aber ich gewann deutlich an Selbstvertrauen. Ich traute mich, zu lachen am Mikrophon, ich wurde ein wenig lockerer. Diese Zeit im Radio schien mir wie eine Woche auf der Bühne. Ich war allein und konnte nur singen oder reden. Es war reiner Nervenkitzel!“

Nach der ersten Sendung bei KWTO in Springfield wartete Wagoner gespannt auf die Reaktion der Hörer, denn er hatte sie gebeten, ihm ihre Meinung mitzuteilen. Aber seine Postbox im Studio blieb leer. Es waren die womöglich schwersten Tage seiner Musikerkarriere, damals im September 1950. Nach drei Tagen schließlich fragte er, ob denn überhaupt keine Post für ihn gekommen sei, dies könne er dann doch nicht glauben. Fast wörtlich weiß Wagoner noch die Antwort: „Man sagte mir, es seien drei Kästen voll mit Briefen da, man habe sie nur nicht in mein Fach bringen können, weil es so viele waren. Ich war völlig sprachlos und konnte mir ein paar Tränchen nicht verkneifen. Für mich bedeutete das ungeheuer viel, auch wenn ich noch nicht wusste, ob es positive Reaktionen waren. Mit Siman hatte Wagoner nun auch ein Manager (er managte auch den Sender KWTO). Siman wandte sich an RCA, wo man sich für den jungen Mann interessierte, der in Springfield richtig Furore machte. RCA’s Steve Sholes hörte sich Wagoner persönlich in Springfield an und gab ihm auf der Stelle einen Vertrag. Am 19. September 1952 kurz nach 13:30 Uhr begann Wagoner’s erste Schallplattenaufnahme. Im Studio seines Senders. Sein Einstand war nicht gerade überwältigend. „Settin‘ The Woods On Fire“ und „Heading For A Wedding“ blieben kaum beachtet.

Im Februar 1953 fuhr Wagoner nach Nashville und nahm erstmals dort auf. Es dauerte bis Mitte 1954, ehe sich ein erster spürbarer Erfolg einstellte. Es war kein außergewöhnlicher Hit aber „Company’s Coming“ öffnete ihm viele Türen. Und mit Don Warden hatte er endlich seinen besten Freund zur Seite. Zu ihnen gesellte sich noch Speedy Haworth – im Trio wurden viele Dinge einfacher. Die drei Musiker bastelten an einem neuen Trio-Sound, dessen durchschlagendes Ergebnis die Aufnahme „Satisfied Mind“ wurde. Damit hatte Wagoner zweifellos einen entscheidenden Punkt in seiner Karriere erreicht. Endlich hatte er nicht nur einen echten Hit, darüber hinaus hatte er seinen Gesangsstil gefunden und eine genaue Vorstellung von dem, was das Publikum von ihm hören wollte. „A Satisfied Mind“ kostete lediglich 40,- Dollar und wurde der Song des Jahres 1955! Kurze Zeit später zog Wagoner ganz nach Nashville und traf mit Red Foley zusammen. Eine weitere entscheidende Begegnung. Foley riet ihm, sich seinem Publikum auf der Bühne vorzustellen, sich mit der weiteren Entwicklung Zeit zu lassen. Er half dem „grünen“ Porter Wagoner vor allem, sich auf der Bühne zu bewegen und zu sprechen. Foley brachte ihm bei, sich mit dem Publikum zu unterhalten.

Im Jahr 1956 gründeten Wagoner und Don Warden ihren eigenen Musikverlag, der ihnen drei Jahre später die finanzielle Absicherung gab, von der sie geträumt hatten. Die Warden Music Company hatte die Rechte am Song „Battle Of New Orleans“ erworben, das mit Johnny Horton ein Welthit wurde. Die beiden Freunde steckten das Geld in andere Unternehmen und verschafften sich so eine Rücklage, denn immer noch dominierte der Rock’n Roll den Musikmarkt. Langsam aber änderte sich das Blatt, mancher Musikfan entdeckte die Country Music wieder neu. 1956 übernahm Chet Atkins den Chefsessel von RCA Nashville, gemeinsam versuchten sie, einen weiteren Hit zu produzieren. Was sich als schwerer erwies als angenommen. Die Platten verkauften sich passabel, ein Hit war dennoch nicht dabei. Schließlich riet Atkins ihm, auf eigene Faust mal Platten zu machen, um so die eigenen Vorstellungen besser in das Produkt einfließen zu lassen. Also schrieb Wagoner die Arrangements, heuerte Studiomusiker an und nahm verschiedene Songs auf. Allein der Gedanke, völlig allein auf sich gestellt zu sein, in eigener Verantwortung produzieren zu dürfen, war nicht nur neu sondern auch Ermutigung genug für Wagoner. Das Ergebnis war entsprechend, denn beide Aufnahmen wurden zu Hits, „Your Old Love Letters“ im November 1960 und „Misery Loves Company“ im September 1961. Auch Chet Atkins gefiel die Arbeit von Wagoner. Er hatte erkannt, nur so konnte dieser Mann wirklich das ausdrücken, was er fühlte und was er in ein Lied hineinlegen wollte. Die gerade zitierten Aufnahmen sind perfekte Beispiele für den klassischen Porter Wagoner Stil. Jener legendäre Trio-Sound, geprägt von Don Warden’s Tenor-Harmonien sowie von Wagoner’s phrasierender Gesangsstimme. Es ist ein Sound, den man leider bei späteren Wagoner Produktionen vermissen wird.

Am 20. August 1962 nahm Wagoner Bill Anderson’s Top Song „I’ve Enjoyed As Much Of This As I Can Stand“ auf und überraschte wiederum mit einem neuen Sound in der Country Music. Buck Trent, damals das neueste Mitglied der Wagoner Gruppe, hatte ein elektrisches Five String Banjo entwickelt. Obwohl Trent dieses Instrument noch nicht perfekt beherrschte, erkannte Wagoner die Möglichkeiten, die es bot und die Bedeutung für die Zukunft. Das Jahr 1962 brachte eine weitere Neuheit, denn Skeeter Davis nahm eine Duett-LP mit Porter Wagoner auf bzw. ungekehrt. Schon damals deutete sich Wagoner’s besondere Fähigkeit als Duett-Sänger an. In den letzten Tagen dieses Jahres wurde die erste Wagoner-Live-LP aufgenommen. Damit setzte er gleichzeitig Zeichen für seine bald kommende eigene Fernseh-Show.

Der 10. August 1964 muss als nächster Meilenstein in der Karriere Wagoner’s festgehalten werden. Es war der Tag, an dem er einen weiteren Bill Anderson Song aufnahm: „I’ll Go Down Swingin'“. Bereits einen Monat später hatte dieses Lied Geschichte geschrieben. Es erreichte zwar nicht die Platzierung der vorherigen Single „Sorrow On the Rocks“ (#5), wurde auf Platz 11 gestoppt, blieb aber bis in die Gegenwart hinein einer der beliebtesten und typischsten Wagoner-Songs. Immer stärker trat nun Wagoner’s feines Gespür für junge Talente zutage und dafür, wie er dem Publikum eine möglichst abwechslungsreiche und unterhaltsame Live Show bieten konnte. Neben exzellenten und vielseitigen Musikern in der Band gehörte auch eine attraktive, stimmlich unverwechselbare Sängerin dazu. Eine solche fand er in der aus Oklahoma stammenden Norma Jean Beasler. Sie bekam einen Plattenvertrag bei RCA und gehörte etliche erfolgreiche Jahre zur Show Gruppe von Wagoner.

Porter Wagoner selbst war nun in der absoluten Erfolgsspur. Bis in die 1980er Jahre hinein blieb er in den Billboard Charts präsent. 1965 landete er mit „Green Green Grass Of Home“ und „Skid Row Joe“ zwei Top Ten Hits. „Skid Row Joe“ war ein Lied, das ein kaputtes, zerrissenes menschliches Schicksal festhielt. Für diese Art von Songs war Wagoner geradezu prädestiniert. Das brachte ihn auf die Idee, ein komplettes Album mit ähnlichen Songs aufzunehmen. Wieder half ihm Bill Anderson, mit dem er darüber gesprochen hatte. Anderson lieferte ihm wenige Tage später mit „Confessions Of A Broken Man“ gleich den Titelsong. Das Album wurde ein Klassiker – wenn auch nicht das kommerziell erfolgreichste. Wagoner nahm im Laufe der Jahre noch mehrere ähnliche Alben auf. (z.B. „Cold Hard Facts Of Life“). Schon 1966 ließ er eine LP mit Liedern über Gefängnisse und Sträflinge folgen. Eine Kategorie, in die auch „Green Green Grass Of Home“ gehört.
In dieser Phase entstanden übrigens auch Wagoner’s erste Gospel Alben, bei denen er von den legendären Blackwood Brothers unterstützt wurde. Noch 1960 war Porter Wagoner ein allenfalls mittelmäßiger Entertainer. Trotz der guten Schulung durch Red Foley fühlte er sich immer noch nicht als Entertainer – und das, obwohl er bereits Mitglied der Grand Ole Opry war. Er wusste genau um seine Schwäche. „Red Foley gab mir bereits viel Selbstvertrauen. Es war seltsam, hinter der Bühne konnte ich immer komisch sein aber sobald ich da draußen war, sah alles ganz anders aus. Ein Zufall brach endlich den Bann. In Calgary stellte ich dem Publikum Don Warden vor, er hatte gerade geheiratet. Ich sah ihn an und fragte dann einer Eingebung folgend plötzlich: Du hast doch noch keine Kinder oder? Dieser Gag kam so gut an, dass wir ihn fest ins Programm übernahmen. Und von da an ging mir alles leichter von der Hand.“ Wagoner brauchte keine Persönlichkeit zu entwickeln, er musste nur seine eigene durchsetzen. Im Unterbewusstsein hatte er gründlich darauf hingearbeitet.

Seine Fernsehshow bedeutete praktisch wieder einen ganz neuen Start. Die ersten Erfolge als Sänger waren Schnee von gestern, es galt, eine neue Karriere aufzubauen. Beim Fernsehen ging alles schneller. Man bekommt eine sehr zeitnahe Reaktion des Publikums Entweder es mag dich oder nicht. Schon damals spielten beim rein kommerziellen Fernsehen der USA Einschaltquoten die wichtigste Rolle. Porter Wagoner dazu: „Ich war schon vorbereitet aber einen derartigen Erfolg hatte ich beim besten Willen nicht erwartet. Und vor allem sehr ermutigend, denn ich musste das Meiste richtig gemacht haben.“ Porter Wagoner war zu einem der Pioniere der Road Shows geworden, wie man sie viele Jahre lang kannte – aber auch für Country Shows im Fernsehen. Delores Smiley, ehemalige Sängerin und langjährige Geschäftspartnerin Wagoner’s sagte einmal: „Porter war und ist ein wichtiger Mann für die Industrie, denn er hatte die erste landesweit ausgestrahlte Fernsehshow. Er begann mit den sogenannten „Package Shows“, er war als Erster in einem komfortablen Reisebus mit seiner Gruppe unterwegs.“ Dazu gehörte neben Norma Jean mit Speck Rhodes auch ein Komiker. In gleichem Maße wie die TV Show an Beliebtheit gewann, profitierte auch die Road Show davon. Wagoner’s Band „The Wagonmasters“ bestand aus Don Warden, Benny Williams und Jack Little. Als der 1964 genug vom ruhelosen Tour-Leben hatte, wurde Mack Magaha neuer Fiddler. Ende 1968 kam Little zurück, diesmal als Drummer. Den elektrischen Bass übernahm später Ronnie Blackwell.

1967 wurde Wagoner erneut gefordert, denn Norma Jean heiratete, stieg aus dem Show Business aus und ging ins Privatleben zurück nach Oklahoma. Das kam für den „hageren Mann aus West Plains“, wie man ihn gern nennt, einigermaßen überraschend. Es galt, eine Nachfolgerin für einen der wichtigsten Posten der Show zu finden. Viele Bewerberinnen liefen ihm die Tür ein, denn dass dieser Job ein echtes Sprungbrett sein konnte, hatte Norma Jean nachhaltig bewiesen. Wagoner’s Entschluss bedeutete eine echte Überraschung, er war zudem ungewöhnlich. Mit der bildhübschen Dolly Parton holte er ein absolutes Greenhorn. Und die hatte sich nicht einmal um diesen Job bemüht sondern ihm lediglich einige selbst geschriebene Songs angeboten. Wie Jeder heute weiß war Wagoner’s Entschluss Gold wert, denn Beide machten beispiellose Karrieren. Rasch, ganz rasch wurde Dolly Parton an Wagoner’s Seite ein Star. Beide zusammen wurden zum besten Country-Duett für einige Jahre. Die vielseitig begabte Sängerin, Autorin, Schauspielerin und Geschäftsfrau mit einer außergewöhnlich prägnanten Stimme und ebensolchen Persönlichkeit war die ideale Ergänzung für Porter Wagoner. Aber es wurde auch bald klar, dass das nicht von Dauer sein konnte. Und so gingen sie dann 1974 getrennte Wege – was aus Dolly Parton wurde, ist hinlänglich bekannt und Stoff genug, für eine andere Geschichte. Deshalb soll hier nicht weiter darauf eingegangen werden. Es war zumindest keine einvernehmliche oder gar harmonische Trennung. Wagoner spürte, welcher Verlust es für sich selbst und seine Show sein würde. Ein jahrelanger Rechtsstreit war die unerfreuliche Folge. Erst nach 1980 kann man von einer zumindest öffentlichen Aussöhnung sprechen als Wagoner in Parton’s TV Show auftrat.

Ein Jahr später endete die so erfolgreiche Platten- und TV-Karriere für Wagoner. Denn seine „Porter Wagoner Show“ verschwand von den Bildschirmen und sein Vertrag bei RCA wurde nicht verlängert. Zwar gelangen bei Warner-Viva noch zwei kleinere Hits, doch seit 1983 taucht der Name Porter Wagoner nicht mehr in den Charts auf. Keineswegs vorbei aber waren die Zeiten des Porter Wagoner als Entertainer. Jahrelang blieb er weiter auf Tournee. Damit der Gewöhnungsprozess nicht überhand nahm, ließ er sich durchaus Neues einfallen. So stellte er sich eine reine „Girl Band“ zusammen, die er „The Right Combination“ nannte und mit der er für etliche Jahre großen Publikums-Zuspruch erhielt. Auch Studio-Aufnahmen für kleinere Label streute Wagoner immer wieder mal ein. Vor allem wurde er ein Eckpfeiler im Bemühen um den Erhalt und das Ausweiten der traditionellen Country Music im immer kommerzieller und moderner werdenden Nashville. Dabei verschließt sich Wagoner bis heute der modernen Entwicklung keineswegs, er versucht sie vielmehr für seine Art der Country Music zu nutzen. Seit etwa Ende der 1980er Jahre wurde er eine überaus wichtige Persönlichkeit im Opryland Komplex, in der Grand Ole Opry und bei Nashville Network. Porter Wagoner war und ist Gastgeber vieler einschlägiger Radio- und Fernsehsendungen aus Nashville. Nicht zuletzt kurbelt er mit seiner Persönlichkeit und seinem nimmermüden Engagement für die Country Music auch den Nashville-Tourismus kräftig an. Es war auch dieser Porter Wagoner, der in einem Clint Eastwood Film eine kleine Rolle übernahm, der einen James Brown zum Gastspiel in der Opry animierte und sogar Sessions mit R & B Kultstar Joe Simon produzierte.

Was hat dieser Mann eigentlich noch nicht gemacht? Folgerichtig wurde Porter Wagoner im Jahre 2002 endlich in die Country Music Hall of Fame aufgenommen. Für neue Talente hat Wagoner hatte er einen untrüglichen Sinn – und er förderte sie. So gehörten seit Norma Jean und Dolly Parton weiter sowohl stimmlich als auch optisch attraktive Sängerinnen zu seinen Shows. Auch wenn keine von ihnen annähernd die Erfolge der beiden Vorgängerinnen erreichen konnte. Zuletzt brachte er die überaus talentierte Sängerin und Banjo-Pickerin Pam Gadd ihr Talent sowohl live als auch im Studio an der Seite Wagoner’s mit ein.

Wagoner hat nahezu alles erreicht, was in seinem Beruf möglich war. Vor allem als Songschreiber konnte er beeindrucken. Was er in einem Lied sucht, drückt er so aus: „Grundlage ist der Rhythmus. Ich habe nie ein Lied gehört, das ohne einen guten Rhythmus zum Hit geworden wäre. Das Arrangement ist sehr wichtig. Für den Sound ist der Baß das belebende Element. Ich bin froh, dass ich schon sehr früh den elektrischen Baß einbauen konnte. Ich bin ein Country Boy und deshalb singe ich am liebsten Lieder über das Leben, seine Tragik, das Unglück aber auch das Glück und die angenehmen, lustigen Seiten. Ich will keine schöne Stimme herausstellen sondern einfach so singen, wie ich bin und das singen, was ich fühle. Ich singe über etwas, das ich kenne.“

Dieses Motto überstrahlt seine Aktivitäten insgesamt. Nicht zuletzt deshalb war er bis zu seinem Tode so etwas wie die „graue Eminenz“ in Nashville. Seinem Einfluss, seinen Intimkenntnissen des Business und seiner Persönlichkeit ist es zu verdanken, dass es im auch vom „Jugendwahn“ befallenen und bisweilen schon schamlos offenen um die Gunst der jungen und ganz jungen Menschen buhlenden Nashville weiterhin Möglichkeiten für ältere, verdienstvolle Country-Künstler gibt. In der Grand Ole Opry wird das am deutlichsten. Da hatte Porter Wagoner längst die Nachfolge eines Roy Acuff angetreten. Ohne ernsthafte Gegenwehr versteht sich. Ein Mann mit seiner Erfahrung, der es seit Jahrzehnten gewohnt war, eine „Chef-Rolle“ zu übernehmen, es aber auch verstand, sich stets ein offenes Ohr für die Belange der Jüngeren und sogar der viel Jüngeren zu behalten, war für eine Institution wie die Grand Ole Opry unersetzlich.

Im Jahre 2007, rechtzeitig vor seinem runden Geburtstag, kam sein neuestes Album auf den Markt. Ein wirklicher Knaller. Auf „Wagonmaster“ bringt der Altmeister all das, was ihn groß gemacht hat. Jene Art von Country Music, die ihn über so viele Jahre Publikumsliebling bleiben ließ. Es sind keine Wiederveröffentlichungen sondern neue Songs der „Hausmarke Porter Wagoner“. Und er stieß damit auf ein erstaunliches Interesse, denn das Album konnte sich gegen die scheinbar übermächtige Konfektions-Country-Music dieser Tage behaupten. Porter Wagoner bleibt unvergessen. Ein Platz im Herzen jedes Countryfans ist ihm sicher. Der Sänger starb am 28. Oktober 2007 in Nashville an Lungenkrebs.

   
Wagonmaster
CD: „Wagonmaster“
Erscheinungsdatum: 2007
Label: Anti

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Trackliste:

01. Wagonmaster
02. Be A Little Quieter
03. Who Knows Right From Wrong
04. Albert Erving
05. A Place To Hang My Hat
06. Eleven Cent Cotton
07. My Many Hurried Southern Trips
08. Committed To Parkview
09. The Agony Of Waiting
10. Buck & The Boys
11. A Fool Like Me
12. The Late Love of Mine
13. Hot Wired
14. Brother Harold Dee
15. Satan’s River
16. Wagonmaster Reprise
17. Porter & Marty

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