Reba McEntire: Stronger Than The Truth

Auf meinem Plattenspieler liegt noch die zweite LP von Reba McEntire „Unlimited“ aus dem Jahr 1982. Das eingängige und so country-typische Wältzerchen „I’m Not That Lonely Yet“ war eine Nummer 3 für Reba – und jetzt höre ich gerade „Can’t Even Get The Blues“, ihre erste Nummer 1. Mit Country-Songs wie diesen begann damals die große Karriere, die Reba schließlich auf die Filmleinwand, den Fernsehbildschirm und die Broadwaytheater führte. Stilistisch schöpfte sie dabei alles aus, was einer der Country Music verpflichteten Sängerin gerade noch erlaubt wird: Fetziger Rock wie beispielweise bei „Take It Back“, Oldies wie „Cathy’s Clown“, das die Everly Brothers einst sangen, oder popgeschwängerte Balladen wie „The Heart Is A Lonely Hunter“ oder „Consider Me Gone“ waren allesamt Toperfolge.

Was hat das nun mit Rebas neuen Album Stronger Than The Truth zu tun, das erste, das sie für ihre neue Plattenfirma Big Machine Records aufgenommen hat? Die Antwort ist erfreulich für jeden, der Country Music in der traditionellen Ausprägung liebt. Reba McEntire ist zu ihren Wurzeln zurückgekehrt und hat zwölf Lieder eingespielt, die allesamt überzeugen können. Sie hat renommierte Songschreiber gefunden und mit Buddy Cannon, einem der erfahrensten Spezialisten, einen kompetenten Co-Produzenten verpflichtet.

Los geht es mit dem munteren „Swing All Night With You“, in dem der Western Swing durchklingt: Steel Guitar, Fiddles und Piano sind zu hören. Später folgt ein weiterer Western Swing und dieses „No U In Oklahoma“ gefällt mir fast noch besser. Reba kann aber auch mit wunderschönen Balladen überzeugen. Der Titelsong „Stronger Than The Truth“ beschäftigt sich mit dem Kampf gegen Einsamkeit und der Tatsache, dass Whiskey die traurige Wahrheit des Scheiterns einer Beziehung nicht überwinden hilft. Man glaubt ihr das Leiden! Fast noch intensiver, der von Brandy Clark mitverfasste Titel „Tammy Wynette Kind Of Pain“, in dem die verlassene Frau einen Schmerz fühlt, den die unvergessene Tammy Wynette empfand: „Standing by your man, that’s a broken plan when he breaks your heart and trust“. So geht es weiter: In „The Clown“ hören wir im Sechsachteltakt, wie sie im Restaurant erfährt, dass er sie betrogen hat und verlassen wird. Der vielleicht traurigste Titel ist „The Bar’s Getting Lower“, in dem die Frau, deren Träume von Familie und Liebe nicht wahr wurden, abends in der Kneipe realisiert, dass sie älter und einsamer geworden ist. Sie wird die große Liebe soundso nicht mehr finden. Und das „schlimme“ ist: Reba singt das so glaubwürdig!

Und da ist noch „Cactus In A Coffee Can“, das Jerry Kilgore 1999 auf seinem Album sang und das Reba wiederentdeckt hat: Sie trifft nach langer Suche die Mutter, die sie einst nach der Geburt wegegeben hat – im Angesicht des Todes der Mutter versöhnen sich die beiden, das ganze musikalisch unterlegt mit modernem Bluegrass.

Doch dieses Album deprimiert keineswegs, im Gegenteil: Zum einen weil da Titel sind wie „Your Heart“, das optimistisch-dankbare „You Never Gave Up On Me“ und das herrliche, hymnisch sich steigernde „Freedom“, in dem Reba ein weiteres Mal ihre Stimmgewalt unter Beweis stellen kann. Zum anderen, weil Reba es geschafft hat, Emotionen, Gefühle und menschliche Schicksale überzeugend zu interpretieren. Für mich ist es musikalisch und inhaltlich ein weiteres Beispiel, wie schön und unterhaltsam Country Music sein kann. Und damit danke an eine der ganz großen Frauen dieses Genres.

Reba McEntire – Stronger Than The Truth: Das Album

Titel: Stronger Than The Truth
Künstler: Reba McEntire
Veröffentlichungstermin: 5. April 2019
Label: Big Machine Records
Vertrieb: Universal Music
Format: CD, Vinyl & Digital
Laufzeit: 47:20 Min.
Tracks: 12
Genre: Traditional Country

Trackliste: (Stronger Than The Truth)

01. Swing All Night Long With You
02. Stronger Than The Truth
03. Storm In A Shot Glass
04. Tammy Wynette Kind Of Pain
05. Cactus In A Coffee Can
06. Your Heart
07. The Clown
08. No U In Oklahoma
09. The Bar’s Getting Lower
10. In His Mind
11. Freedom
12. You Never Gave Up On Me