William Michael Morgan: Classic Country Vol. 1

Als William Michael Morgan im Jahr 2016 mit „I Met A Girl“ Platz 2 der Country Airplay Charts erreichte, hofften manche Countryfans, dass dieser junge Sänger mit traditionellen Klängen die moderne Countrymusik aufmischen könne. Doch nach einem Platz 29 mit „Missing“ wurde es wieder ruhiger um den jungen Mann aus Mississippi, obwohl das Album „Vinyl“ sich damals ganz gut verkaufte. 2024 war er gleich zweimal im Studio. Er veröffentlichte zu Beginn des Jahres die EP „Onto Something“ mit sechs Titeln, die Morgan mit der für ihn typischen Hinwendung zu klassischen Countryklängen zeigte.

Zudem hat der 31-jährige Morgan eine CD aufgenommen, mit Songs, die alle älter sind als er. Zwölf Hits von 14 Interpreten hat er neu eingespielt. Gibt es da ein Problem, wenn man sich die 12 Tracks in Morgans Versionen anhört? Nun, es sind Songs von sehr verschieden Sängern. Da ist die nostalgische Frage nach denen, die in die Fußstapfen der großen Stars treten könnten. George Jones nahm man 1985 in „Who’s Gonna Fill Their Shoes“ diese Sorge ab. Morgan ist sich dessen bewusst und er bleibt stimmlich in der Nähe des Originals. Aus einem einfachen Grund gelingt ihm dies bei „Let Your Love Flow“ sehr gut. Er hat nämlich die Bellamy Brothers dazugeholt und ich finde immer bemerkenswert, dass dieser Klassiker 1976 kein großer Countryerfolg, sondern eine Pop Nr. 1 für die Bellamys war. Sehr gut gefallen mir Morgans Cover von Mac Davis‘ „Baby Don’t Get Hooked On Me“, auch das 1972 übrigens eine Pop Nr. 1, nur Platz 26 in den Country Charts. Ein weiterer Popsong ist „Please Come To Boston“, 1972 eine Pop Nr. 5 für Dave Loggins, der vor wenigen Tagen gestorben ist. Morgans Coverversion wird dem Original gerecht.

Country- und Poperfolg für Glen Campbell war seinerzeit „Rhinestone Cowboy“, von dem es diverse Cover gibt und Morgan kann da gut mithalten. Don Williams war ein großartiger Stilist und wir erinnern uns an seine Samtstimme in „Good Ole Boys Like Me“, was auch zu Morgan gut passt. Wunderschön ist, wie Morgan den Tophit von Dan Seals „Everything That Glitters (Is Not Gold)“ singt. Morgan überzeugt wie einst Seals, wenn die traurigen Gefühle des verlassenen Mannes und seiner Tochter, die die Mutter, eine erfolgreiche Rodeoreiterin, vermissen, besungen werden. Ebenso vermissen wir diesen Dan Seals, der vor 15 Jahren mit nur 61 verstarb.

Gut gefallen könne auch seine Version vom Duett „Mississippi Man, Louisiana Woman“ von Conway Twitty und Loretta Lynn. Lorettas Part übernimmt Kylie Frey und das prima. „The Ride“, Markensong von David Allan Coe, Nummer 4 für ihn 1983, gelingt Morgan ebenfalls gut.

Ja, und wo hätten wir leise (oder laute) Kritik zu äußern? Charlie Rich beginnt „Behind Closed Doors” mit dem unverkennbaren Piano-Intro und hier fehlt Morgan ein wenig die Überzeugung, er kann die Tiefe des Originals nicht erreichen. Das gilt noch mehr für den Honky Tonk-Klassiker „She’s Actin‘ Single (I’m Drinkin‘ Doubles)“, der einzige Top Hit für Gary Stewart, der im Original die Verzweiflung fast herausbrüllt. Da klingt Morgan doch eher zurückhaltend. Das Album endet mit „Why Me Lord“, dem einzigen Nummer 1 Hit für Kris Kristofferson. Dieser gospelähnliche Ohrwurm braucht die Stimme des Meisters, Morgan hätte darauf verzichten sollen.

Fazit: William Michael Morgan hat interessante Lieder ausgesucht und interpretiert die meisten überzeugend. Obwohl nicht alle eigentlich Countrysongs waren, darf sich das Album gewiss „Classic Country“ nennen. Die Arrangements der Songs sind exzellent, die Produktion hat gut gearbeitet. Und es ist letztlich doch einfach schön, diese zwölf Songs mal wieder zu hören. Was hat unsere Lieblingsmusik für schöne Schätze zu bieten!

William Michael Morgan – Classic Country Vol. 1: Das 2024er Album

Künstler: William Michael Morgan
Album: Classic Country Vol. 1
Veröffentlichung: 12. Juli 2024
Label: William Michael Morgan
Formate: CD, Stream & Download
Tracks: 12
Genre: Traditional Country

Trackliste: (Classic Country Vol. 1)

01. Let Your Love Flow
02. Baby Don’t Get Hooked On Me
03. Rhinestone Cowboy
04. Behind Closed Doors
05. Good Ole Boys Like Me
06. Louisiana Woman, Mississippi Man – mit Kylie Frey
07. Who’s Gonna Fill Their Shoes
08. She’s Actin‘ Single (I’m Drinkin‘ Doubles)
09. Please Come To Boston
10. The Ride
11. Everything That Glitters
12. Why Me Lord