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Die Carolina Chocolate Drops beleben die schwarzen Wurzeln des Country

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Die Carolina Chocolate Drops sind eine der interessantesten Country-Folk-Gruppen dieser Tage. Neben ihrer musikalischen Inspiration und Perfektion ist einer der wichtigsten Gründe dafür: Sie zeigen, dass die Country Music schwarze Wurzeln hat.

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Rhiannon Giddens, Dom Flemons und Hubby Jenkins (und vormals Justin Robinson) beleben die Zeit vor der Trennung von „weißem Country“ und „schwarzem Blues“. Die Zeit der Old Time Musik der String Bands (Gitarre, Banjo, Geige, Mandoline), als sich weiße und schwarze Klänge vermischten. Gleichzeitig nehmen sie Einflüsse moderner weißer und schwarzer Populärmusik wie Indie oder Rap auf.

Und so sind sie seit ihrem Entstehen 2005 zu einem der angesagtesten Live- und Show-Acts geworden. Ob in der Grand Ole Opry, beim Johnny Cash-Tribute oder in der Marty Stuart Show: Sie sind lebendige Zeugen einer gleichsam schwarz-weißen Countrymusik-Kultur in den USA. Erst kürzlich waren sie mit ihrer Musik zum ersten Mal in Deutschland.

Die große Trennung

Als es weder eine Plattenindustrie noch flächendeckende Radiostationen gab, da wurden die Grundlagen für die ländliche amerikanische Populärmusik gelegt. Durch die Vermischung weißer und schwarzer Musik. Nach Ende der Sklaverei im Süden fanden sich oftmals weiße und schwarze Pflanzer und Tagelöhner in ähnlichen Lebensbedingungen wieder. Zwar war in größeren Städten die Rassentrennung perfektioniert und von den Behörden argusäugig überwacht, doch in den Dörfern und verstreuten Siedlungen entlegener Landstriche wie den Bergtälern der Appalachen oder dem kargen Mississippi-Delta mischten sich auch mal die Rassen. Und gerade auch was die Musik betrifft. Schwarze Gruppen wie die Mississippi Sheiks spielten zum Square Dance oder im Juke Joint auf. Die weiße Old Time Musik hatte neben der europäischen Geige auch das afrikanische Banjo adaptiert und so mancher Folksong sangen schwarze wie weiße Musiker. Die Carter Family wäre ohne ihr schwarzes Gedächtnis Lesley Riddle gar nicht denkbar.

Als die Plattenindustrie die ländliche Populärmusik entdeckte und vermarktete, da packte sie diese in Schubladen und trennte: Hier die weiße Countrymusik, dort die Schwarze „Race Music“, der Blues. Zwar hallten die alten Zeiten noch ein paar Jahre nach, als mit DeFord Bailey ein schwarzer Old Time-Musiker einer der Stars der Grand Ole Opry war. Doch mit der Zeit wurden seine Auftritte immer mehr verkürzt, er zu einer Art Maskottchen degradiert und 1941 schließlich gefeuert. Es sollte mehr als ein Vierteljahrhundert vergehen, bis mit Charley Pride 1967 wieder ein Schwarzer in der Grand Ole Opry auftrat. DeFoster Bailey, Charley Pride und der jüngst aufgenommene Darius Rucker sind die einzigen schwarzen Mitglieder der Grand Ole Opry.

Gemeinsames Interesse an den Wurzeln

Vor diesem Hintergrund muss man die Leistung der Caroline Chocolate Drops sehen. 2005 trafen sich Dom Flemon, Rhiannon Giddens und Justin Robinson beim Black Banjo Gathering an der Appalachian State University in North Carolina. Ihr gemeinsames Interesse an den Wurzeln der Countrymusik führte sie zusammen.

„Wir sind zu allererst Entertainer und Musiker“, sagt Rhiannon Giddens. „Alles andere bereichert und vertieft das Erlebnis, aber wenn Dir die Musik nicht gefällt, kann man unseren Job nicht machen“, erklärt sie, um ihrer Art von Musik die geschichtlich-kulturelle Deutungsschwere zu nehmen. Schließlich hat sie in dieser Musik Entspannung, ja sogar Rettung erfahren, als sie mit ihrer bisherigen Identität als auf dem Konservatorium klassisch ausgebildete Sängerin irgendwie in der Sackgasse steckte. Die Musik ihrer ländlichen Heimat in North Carolina war es, die ihre neue Kraft gab. Dass sie mit ihren Kollegen dabei war Grenzen ausloten und Gräben zuschütten, das kam erst später zu Bewusstsein.

Als sich die drei jungen Schwarzen damals 2005 mit der Roots Music der afroamerikanischen String Bands beschäftigen, da ist eine Person ganz wichtig für sie: Joe Thompson. Von dem in diesem Jahr verstorbenen schwarzen Old Time-Geiger aus North Carolina lernen sie einiges. Jeden Donnerstag treffen sich die drei jungen Musiker in ihren Anfängen bei Joe, ehe sie sich dann zur Band Carolina Chocolate Drops formieren. Und dies „vor allem Joe zu Ehren“, wie sie sagen. Unter seinem Einfluss vergrößert sich ihr Repertoire stetig. Er bringt ihnen die Stücke für Banjo und Geige bei, die er seit seiner frühesten Kindheit mit seiner Familie nach der Feldarbeit gespielt hat. So werden sie zu direkten Erben der afroamerikanischen Old Time-Tradition und eine begehrte Rarität auf Folk-, Bluegrass- und Country-Festivals.

Von Indie-Label-Künstlern zu Grammy-Gewinnern

Beim Independent Label Music Maker bringen die Chocolate Drops 2006 ihr erstes Album heraus. Der Titel „Dona Got A Ramblin Mind“. Mit „Heritage“ (2008/ Dixiefrog) und einem Live-Album mit Joe Thompson (2009/ Music Maker) bringen sie zwei weitere Alben auf Independent-Basis heraus. Dazwischen spielen sie 2007 bei Atlantic mit Alvin Youngblood Hart, Sharon Jones und Teenie Hodges den Soundtrack für Denzel Washingtons Film „The Great Debaters“ ein.

Ihre Plattenkarriere bekommt in diesen Jahren einen rasanten Schub. 2010 erhalten sie endlich einen Plattenvertrag bei einem großen Label: Nonesuch/Warner. Durch dessen Vertriebs und Promomöglichkeiten ernten sie den verdienten Lohn ihrer Arbeit. „Genuine Negro Jig“ steigt auf Platz 1 der US-Bluegrass-Charts, auf Platz 2 der Folk-Charts und gewinnt einen Grammy für das beste traditionelle Folk-Album. Dadurch wird sogar der große Bob Dylan auf die drei aufmerksam und lässt sie 2011 im Vorprogramm seiner Konzerte spielen.

2012 wird dann das bislang erfolgreichste Jahr: Die neue CD Leaving Eden klettert auf Platz 1 der Bluegrass-Charts und auf Platz 6 der Folk-Charts. Für den von T-Bone Burnett zusammengestellten „Hunger Games“-Soundtrack spielen sie „Daughters Lament“ ein, und auf der 4-CD-Tribute Box von Amnesty International für Bob Dylan sind sie mit dessen „Political World“ vertreten. Die Carolina Chocolate Drops sind auf ihrem ersten Karrierehöhepunkt angekommen.

TV- und Konzertereignisse und erste Europatournee

Bereits 2008 treten die Chocolate Drops erstmals in der Grand Ole Opry auf und sind damit die erste afroamerikanische String Band überhaupt, die die Bühne des Country-Heiligtums seit seinem Bestehen betreten hat. In der Folge ergeben sich dort immer wieder auf Auftritte. Beispielsweise anlässlich des 50. Geburtstages von Marty Stuart. Der holt die drei aus North Carolina dann auch in seine TV-Show. Und im Mai diesen Jahres wird ihnen wieder eine große Ehre zuteil: Beim großen Johnny Cash Tribute-Konzert „We Walk The Line“ spielen sie „Jackson“.

Den June Carter/Johnny Cash-Hit haben sie auch mit im Gepäck als sie im Herbst auf eine große Europatournee aufbrechen und erstmals drei Konzerte in Deutschland spielen. Zwar spielen sie vor den Punch Brothers, doch sie werden ebenso begeistert gefeiert wie die Progressive Bluegrass-Jungs um Chris Thile. Sprich: Die Chocolate Drops haben bereits eine starke Fangemeinde hierzulande.

Diese durfte dann auch eine sichtbar schwangere Sängerin Rhianna Giddens bei den Konzerten erleben. So steht den Chocolate Drops wohl bald eine Babypause bevor. Und danach sicherlich eine weitere Fortsetzung ihres Erfolgsweges. Konzerte sind jedenfalls erst einmal bis in den Dezember hinein angesetzt.

   
Carolina Chocolate Drops: Leaving Eden
CD: „Leaving Eden“
Veröffentlicht: 2012
Label: Nonesuch (Warner)

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Trackliste:

01. Riro’s House
02. Kerr’s Negro Jig
03. Ruby, Are You Mad at Your Man?
04. Boodle-De-Bum-Bum
05. Country Girl
06. Run Mountain
07. Leaving Eden
08. Read ‚Em John
09. Mahalla
10. West End Blues
11. Po‘ Black Sheep
12. I Truly Understand That You Love Another Man
13. No Man’s Mama
14. Briggs‘ Corn Shucking Jig / Camptown Hornpipe
15. Pretty Bird

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Über Thomas Waldherr (806 Artikel)
Redakteur. Fachgebiet: Bob Dylan, Country & Folk, Americana. Rezensionen, Specials.
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