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Zeitenwende im Country? – Ein persönlicher Jahresrückblick!

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Das Jahr 2013 könnte als Zeitenwende in die Geschichte der Countrymusik eingehen. Es ist das Jahr, in dem die stilprägenden Legenden George Jones und Ray Price die Szene für immer verlassen haben. Auch der Tod von Lou Reed und J.J. Cale als prägende Einflussgeber lässt die Fangemeinde der Singer & Songwriter um einiges ärmer zurück.

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Doch wie im richtigen Leben bringt jeder Abschied auch einen gewissen Neuanfang mit sich. Während sich der große George Strait im bevorstehenden Jahr mit seiner „The-Cowboy Rides-Away-Tour“ endgültig von seinem Live-Publikum verabschiedet und als frisch dekorierter CMA-Entertainer des Jahres in den Ruhestand geht, meldet sich der Gründervater der New-Countrybewegung nach Jahren der Abwesenheit wieder zurück. Mit seiner 2014 beginnenden World-Tour und einer bestselling Albumbox im Gepäck eifert Garth Brooks mit ungebrochener Sympathie seinen alten Rekorden nach und kehrt Seite an Seite mit den Co-Legenden Kenny Rogers & Dolly Parton 30 Jahre nach „Islands In The Stream“ in die Radiocharts zurück.

2013 war auch das Jahr, in dem die Countrymusik als stilübergreifende Kunstform ihren kommerziellen Siegeszug der letzten Jahre ungebremst fortsetzen konnte. Staunend bis ungläubig beobachten wir Europäer, wie sich das Nischengenre jenseits des Teiches durch mediale Dauerpräsenz zu einem Massenphänomen entwickeln konnte. Der von den Pionieren um Brooks, Black , Diffie & Co. Anfang der 90er entwickelte New-Country hat sich zu einem Stilblüten treibenden Gewächs fortentwickelt, das den Schulterschluss zu anderen, eher wesensfremden Stilrichtungen ohne Berührungsängste sucht und darauf seinen eigenen Personenkult begründet. Wer einmal einem Kenny-Chesney-Konzert beigewohnt hat oder die medienwirksame Präsenz von Blake Shelton als erfolgreicher The Voice-Juror mitverfolgt, muss feststellen, dass sich Country zur zielgruppenumspannenden All-American-Music gemausert hat. New Country 2013 steht – von einer Taylor Swift mal ganz abgesehen – gerade bei den Unter-Dreizigern hoch im Kurs und hat sich als der Stimme der Partygeneration quasi neu erfunden.

2013 ist das Jahr, in dem sich das Duo Florida Georgia Line aus dem sonnigen Südosten quasi von Null in das Zentrum der US-Musikszene katapultiert hat. Just in diesen Tagen wird ihr Partykracher „Cruise“ die Marke von 6,3 Mio. Sales übertreffen und damit die Bestmarke von Lady Antebellums Grammygewinner „Need You Now“ pulverisieren. Dieser kommerzielle Erfolg eines New-Country-Songs, durch den über die Zusammenarbeit mit dem Rapper Nelly neue Fanpotenziale erschlossen werden konnten, ist letztlich ein Ergebnis grenzüberschreitender Vorarbeiten. So hatten bereits im Jahr 2011 drei Rednecks aus der neuen Countryhochburg Georgia das Experiment gewagt, den weißen Country-Rock mit dem schier unvereinbaren schwarzen Hip-Hop zu kreuzen. Singer & Songwriter Brantley Gilbert und Rapper Colt Ford schrieben den Song „Dirt Road Anthem“, der in der Version von Jason Aldean als Country-Rap sensationell bis auf Rang 7 der Hot-100 aufsteigen konnte. Auf diese Weise wurden dem „Black-Hip-Hopper“ und dem “ White Country Boy“ eine gemeinsame Ausdrucksform zuteil, um als „Brothers-In-Mind“ den Sorgen des Alltags beim Feierabendbier auf den ländlichen Tailgateparties wie in den Hinterhöfen der Vorstädte zu entfliehen. Im Schatten dieser erfolgreichen grenzüberschreitenden Pionierarbeiten kann 2013 auch als das Jahr der gesellschaftspolitisch bedeutsamen Gemeinschaftsprojekte bezeichnet werden. Nachdem Ex-Indian-Outlaw Tim McGraw mit R&B-Star Ne-Yo bereits auf dem Album „Emotional Traffic“ ein Duett gewagt hatte, schoss Brad Paisley auf seinem sozialkritisch unterlegten „Wheelhouse“ den Vogel ab, indem er sich gegenüber Duettpartner LL Cool J als „Accidental Racist“ eigenverantwortete.

Florida Georgia Line

Was sind die Konsequenzen dieser neuen Entwicklung? Die musikalische Mason-Dixon-Linie zwischen Nord und Süd ist im abgelaufenen Jahr noch durchlässiger geworden und gestattet es dem neuen Southern-Superstar und Georgia-Native Luke Bryan, den an sich countryresistenten Madison Square Garden binnen weniger Minuten zwei Mal komplett auszuverkaufen. Die Triebfeder solcher Phänomene ist wie so oft in der Musikgeschichte das Radio, mit dem die geschmeidigen Songthemen aus den Airplay-Stationen in die Webradios des nach Zerstreuung suchenden Freizeitpublikums gespült werden.

Natürlich ergibt sich vor dem Hintergrund dieser Stilüberlagerungen die Frage, ob das noch als Country im Sinne der Würdenträger um Johnny, Merle, Waylon und Willie bezeichnet werden kann. Die Frage lässt sich zunächst dadurch beantworten, dass der letztgenannte Willie Nelson in seinem 80. Lebensjahr durch Duette mit Kenny Chesney (Coconut Tree) und Billy Currington (Hard To Be A Hippie) den neuen Ausdrucksformen grundsätzlich seine Absolution erteilt hat. Dennoch gilt es, trotz der Gewinnung neuer Zielgruppen, den Bogen nicht zu überspannen und die mahnenden Stimmen eines Alan Jackson und Tom Petty zur Kritik an der Genreentwicklung Ernst zu nehmen. So belebend die aufkommenden Stilmixe auch sein mögen, wenn Fiddle, Banjo und Pedalsteel keinen Platz mehr finden und von Studiosounds überlagert werden, scheint die flexible Grenze der Countrytoleranz überschritten.

Auch den Songwritern um die Lairds, Gorleys, Beavers, Davidsons & Co. kommt bei der Auswahl der Themen eine besondere Verantwortung zu. Die Kultivierung des Feierabendbieres auf der „Tailgate-In-the-Moonlight-Party“ nachdem der „Jacked-Up-Truck“ mit dem „Pedal-To-The-Metal“ die „Dirt Road“ aufgewirbelt hat, mag dem Zeitgeist des partywilligen Publikums entsprechen, lässt jedoch viel von der ureigenen Intensität des Countrygenres vermissen. Die lyrische Eindimensionalität der Nashviller Themenfabrik ist der eigentliche Störfaktor dieser freizügigen Entwicklung und kann nicht in allen Fällen durch die „catchy melodies“ und „strong vocal deliveries“ der Interpreten aufgewogen werden. Blicken wir hingegen in den Lone-Star-State Texas, so schält sich dort eine eigenständige, traditionsbehaftete Musikszene innerhalb des regionalen Radios heraus, die viel von der countrytypischen Songthematik in authentischer Verarbeitung wiedergibt. Im Unterschied zu den Nashviller Auftragsarbeiten sind Songwriter und Interpret hier im Regelfall die gleiche Person.

    Bei genauerer Betrachtung gibt es jedoch hinreichende Belege dafür, dass die Countrytradition diesen grenzerweiternden Schub quasi unbeschadet überstanden hat:

  • Traditionsbewahrer Toby Keith, hat sich in seiner Multifunktion als Barkettenbesitzer, Plattenlabelboss und jährlicher Albumproduzent mit Jahreseinnahmen von 65 Millionen Dollar an die Spitze des Verdienstrankings gesetzt und damit der aufstrebenden Country-Pop-Generation deutlich das Nachsehen gegeben. Der Recke aus Oklahoma dürfte es vor diesem Hintergrund mit einem Lächeln quittieren, dass seine Songs im modernen Countryradio nur noch mühevoll den Weg in die Top 20 finden.
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  • Kenny Chesney, ebenfalls ein Kind der 90er, hat es 2013 zum wiederholten Mal mit seiner „No-Shoes-Nation-Tour“ an die Spitze der Live-Venue-Seller geschafft und ist neben Taylor Swift der wohl (noch) einzige Country-Star, der in der Lage ist, eine Football-Stadium- Summertour vollständig mit Leben zu füllen.
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  • Bei den Singleverkäufen hat Darius Rucker mit dem authentischen Countrysongcover „Wagon Wheel“ hinter dem Megaseller „Cruise“ die Spitze eingenommen. Doppelplatin mit 2,5 Mio. verkauften Einheiten für den klassischen Countryhit des Jahres können sich wahrlich sehen lassen.
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  • Apropos Hit: Die beste Radiosingle des Jahres kommt ebenfalls von einem alten Bekannten. Billy Currington hat mit „Hey Girl“ aus seinem bemerkenswerten Album „We Are Tonight“ den meist gespielten Radiosong abgeliefert und damit nach über 2 Jahren Abwesenheit ein gelungenes Comeback gefeiert.
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  • Comebacks gelangen auch zwei etablierten Interpreten, bei denen sich der Wechsel der Plattenfirma als Erfolgsbringer herausgestellt hat. Tim McGraw konnte nach dem Rechtsstreit mit seinem alten Label Curb unter den Händen von Byron Gallimore bei Big Machine 3 Charttopper in Folge landen. Auch Joe Nichols verließ Show Dog Records um bei Broken Bow mit “Sunny And 75” Goldstatus zu erreichen und die Radiocharts zu toppen.
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  • Und dann wäre da noch der hoffnungsvolle Nachwuchs, der im Jahr 2013 den Durchbruch geschafft hat. Neben den erwähnten Florida Georgia Line, die allen kommerziellen Vorbehalten zum Trotz etwas stilistisch Eigenes geschaffen haben, sind Hunter Hayes, der hochtalentierte Sänger und Songschreiber Thomas Rhett sowie Brett Eldredge und Dustin Lynch, die es in Sachen Stimmfarbe mit so manch hartgesottenem Outlaw aufnehmen können, lobend zu erwähnen.
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  • Ein besonderes Lob gilt auch den Damen, die – bei den Singles eher vernachlässigt – mit ihren tiefgängigen Albumproduktionen der männlichen Partyfraktion zum Teil das Nachsehen gegeben haben. So wurden Ashley Monroes „Like A Rose“ und „Same Trailer Different Park“ von Shooting Star Kacey Musgraves noch vor allen männlichen Kollegen vom Rolling Stone-Magazin unter die 50 besten Alben aller Genres gewählt. Auch „12 Stories“ von Brandy Clark oder „The Woman I Am“ von Kellie Pickler sind leider unter Wert verkaufte Schmuckstücke, die Kritikerherzen höher schlagen lassen.

Zieht man einen Strich unter all diese Entwicklungen, so darf man festhalten, dass das Countrygenre mit Blick auf das kommende Jahr 2014 zu den Gewinnern zählt, weil es Toleranz bewiesen und wesensfremde Stilrichtungen in seine Familie aufgenommen hat. Neben Rock, Blues, Folk, Texmex und Americana sind neue Spielarten des Pop und des Hip-Hop als Verbindungsformen hinzugekommen. Dies hat nichts mit Traditionsfälschung zu tun. Der traditionelle Country vom Honkytonk bis zum Bluesgrass darf sich gestärkt fühlen, weil durch seine Elemente andere, weniger authentische Musikrichtungen angereichert werden und die Strahlkraft der großen Helden um Johnny, Waylon & Co. weitere Kreise zieht.

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Über Bernd Wenserski (602 Artikel)
Redakteur. Fachgebiet: New Country. Rezensionen und Specials.
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