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Bill Monroe zum 100. Geburtstag

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Als Bill Monroe, der Sänger, Mandolinenvirtuose und Bandleader, am 16. und 17.09.1946 die Castle Studios in Nashville gebucht hatte, um für Columbia 12 weitere Songs einzuspielen, da war er sich wahrscheinlich selbst nicht bewusst, dass er damit eine Zäsur in der Geschichte der amerikanischen Volksmusik einleiten würde.

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Die Besetzung war zwar ähnlich wie jene erste Aufnahmesession für Columbia am 13.02.1945, doch diesmal fehlte die Akkordeonspielerin Wilene „Sally Ann“ Forrester und für den Banjospieler David Akeman (Stringbean), der sein Banjo noch im alten Clawhammer-Stil spielte, war Earl Scruggs engagiert worden, der einen s.g. 3-Finger-Picking-Stil weiter entwickelte und damit eine schnelle, synkopierte Spielweise erlaubte.

Bill MonroeFür den bisherigen Gitarristen Tex Willis war Lester Flatt dabei und für Bill Westbrook stand Howard Watts am Bass. Neben Bill Monroe war lediglich noch der Fiddler Chubby Wise von der 1945er Session übrig geblieben. Und an diesen beiden Tagen im September 1946 war es passiert, wie sich wenig später herausstellen sollte: Die Geburtsstunde der Bluegrass Music.

Doch starten wir ganz von vorne mit Bill Monroes einzigartiger Vita, die genau am 13. September 1911 mit seiner Geburt in Rosine, Kentucky, begonnen hatte und am 9. September 1996 mit seinem Tod in Springfield, Tennessee, zu Ende gegangen war.

William Smith Monroe war das 8. und jüngste Kind der Familie, die im wesentlichen von der Landwirtschaft und damit in recht ärmlichen Verhältnissen lebte. Als Bill 15 Jahre alt war, waren seine Eltern bereits tot. Seine Kindheit und Jugend war demnach nicht gerade glücklich. Er schielte auf dem linken Auge, wurde deshalb viel verspottet und war meist sich selbst überlassen. Er war ein ausgesprochen scheues und schüchternes Kind, so wird erzählt. Musikalisch geprägt wurde er von der heimischen Kirchenmusik und seiner musikalischen Familie.

Von seiner Mutter lernte er die alten Balladen und von seinem Onkel Pendleton Vandiver hörte er die alten Fiddletunes. Diesem Old-Time-Fiddler setzte er später mit „Uncle Pen“ dann auch ein musikalisches Denkmal. Und da seine Brüder Birch und Charlie Monroe bereits Fiddle und Gitarre spielten, wurde Bill geradezu gedrängt, auf ein anderes Instrument auszuweichen, auf die Mandoline, er war damals 8 oder 9 Jahre alt.

Die Einsamkeit des Landlebens prägte seinen Gesang, den „high lonesome sound“ und von dem schwarzen Musiker Arnold Shultz erhielt Bill Monroe schon sehr früh einen guten Schuss Bluesfeeling mit auf seinen Lebensweg. Shultz praktizierte eine bluesige Fiddle und spielte die Gitarre mit einem Flatpick. Ende der 20er Jahre folgte Bill Monroe seinen Brüdern Birch und Charlie in den Norden nach Chicago, um endlich mal in einer Fabrik richtig Geld zu verdienen. In ihrer Freizeit tingelten sie durch die Clubs und Kneipen des Nordens, wo sich die heimwehkranken Südstaatler etwas Abwechslung und Vergnügen leisteten.

1935 dann ein erstes festes Engagement für Bill und Charlie Monroe bei der Radiostation KFNF in Shenandoah (Iowa). Aus den bisherigen Amateuren war nun ein Profi-Duo geworden und dem Erfolg der beiden stand nichts mehr im Wege, denn sie lagen exakt im Trend der Zeit. Die Hillbilly-Duos waren en vogue und so wurden die Monroe Brothers in einem Atemzug genannt mit den Blue Sky Boys, den Delmore Brothers, den Allen Brothers, den Dixon Brothers oder den Shelton Brothers.

Die Monroe Brothers landeten bei RCA Victor und nahmen zwischen 1936 und 1938 ganz genau 60 Songs auf, alle auf RCA Bluebird veröffentlicht. Doch zwischen den beiden Brüdern Bill und Charlie knisterte es in diesen beiden Jahren gewaltig. Der eigenwillige Bill war mit den musikalischen Leistungen seines Bruders Charlie mehr als unzufrieden. Und so kam es schliesslich 1938 zur Trennung der beiden. Charlie Monroe gründete seine eigene Band, Charlie Monroe’s Boys, bezw. Charlie Monroe’s Kentucky Pardners und wurde auch sofort bei RCA weiter verpflichtet. Die erste Aufnahmesession datiert vom 29. September 1939 in Rock Hill (South Carolina). Charlie Monroe hielt sich weiterhin stilistisch an die Old-Time-Music.

Bill Monroe tat sich anfänglich etwas schwerer. Auch er gründete seine eigene Band, die „Kentuckians“ und wenig später die „Blue Grass Boys“. Er kam auch bei RCA Victor unter Vertrag und die erste Aufnahmesession fand am 7. Oktober 1940 in Atlanta (Georgia) statt. Und damit begann auch Bill Monroes Sturm- und Drangzeit. Im Gegensatz zu Bruder Charlie, der sich strikt an die Tradition hielt, begann Bill mit seinen musikalischen Experimenten. Schon im Rahmen seiner beiden Aufnahmesessions für RCA 1940 und 1941 mit den beiden Produzenten Frank Walker und Dan Hornsby (Grossvater von Nikki Hornsby), aber auch dreieinhalb Jahre später, als er am 13. Februar 1945 zum ersten Male für Columbia im Aufnahmestudio war (Bill Monroe hatte nach zwei Sessions RCA verlassen, weil er nicht beim selben Label sein wollte wie sein Bruder Charlie), da spürte man bei Bill Monroe die Experimentierfreude und die Suche nach etwas anderem, er wollte die bisherige Old-Time-Stringband-Music weiterentwickeln.

Die Bill Monroe Band spielte mit einem ungeheueren Drive, jazzmässig, swingend, rockig, dann wieder Blues in Reinkultur. In einigen Titeln war ein Akkordeon dominierend, was den jazzmässigen Charakter der Musik noch mehr betonte. Obendrein hatte Bill nun auch ein Banjo besetzt, das allerdings noch im alten Clawhammer-Stil gespielt wurde.

Bemerkenswert war jedoch vor allem, dass die einzelnen Musiker bei Bill Monroe zunehmend mehr solistische Freiheiten erhielten. War in der Old-Time-Music früher die Fiddle fast ausschliesslich das Leadinstrument, so wurde bei Bill Monroe immer häufiger jazzmässig improvisiert. Alle Instrumente waren gleichberechtigt, Bill Monroe hatte die Musik demokratisiert.

Ja, und dann kamen jene denkwürdigen Sessions vom September 1946. Bill Monroe hatte offensichtlich sein musikalisches Konzept und seine ideale Besetzung gefunden. Die Musik wurde beim Publikum und vor allem bei den Radiohörern immer beliebter und die Disc-Jockeys kündigten Bill Monroe & His Blue Grass Boys immer häufiger kurz als „Bluegrass Music with Bill Monroe“ an. Die Musik hatte ihren Namen, ein neuer Stil der Hillbilly Musik war geboren, eine Musik, die vor allem durch den prägnanten Klang des 5-String-Banjos, gespielt im 3-Finger-Picking-Stil, ein unüberhörbares Markenzeichen erhielt. Eine Bluegrass Band ohne Fiddle ist denkbar und wurde später von den Country Gentlemen jahrzehntelang praktiziert, doch bei fehlendem Banjo hat jede Bluegrass Band ein Problem. Dennoch hat Bill Monroe im Rahmen eines Interviews in Tübingen 1975 betont, das wichtigste Instrument in einer Bluegrass Band sei die Fiddle.

Die Keimzelle der Bluegrass Music, die Bill Monroe Band mit Lester Flatt (Gitarre) und Earl Scruggs (Banjo), hielt bis zum Frühjahr 1948. Dann verliessen Flatt und Scruggs die Bill Monroe Truppe und gründeten ihre eigene Band. Es muss für Bill Monroe ein schwerer Schlag gewesen sein, er war wütend und ging künftig den beiden aus dem Weg wo er nur konnte. Man muss wissen, dass neue Bluegrass Bands damals ab Ende der 40er Jahre wie Pilze aus dem Boden schossen und Monroe schneller als er wollte Konkurrenz bekam. Als schliesslich 1949 die Stanley Brothers bei Columbia unter Vertrag kamen, eine Bluegrass Band, die Monroes Komposition „Molly and Tenbrooks“ vor dem Maestro selbst auf den Markt gebracht hatten, da verliess Monroe verärgert Knall auf Fall Columbia und unterschrieb einen Vertrag bei Decca.

Bill Monroe war wieder einmal auf der Flucht vor Konkurrenten und irgendwie passte dies zu seinem Charakter und seiner Denkweise. Bill Monroe hat seine Kreation, die Bluegrass Music, viele Jahrzehnte lang als sein Eigentum betrachtet. Er war gegen neues Instrumentarium, wie etwa die Dobro Gitarre bei Flatt & Scruggs, er war gegen die Steel Guitar und das Schlagzeug bei den Osborne Brothers, er war gegen den neuen Sound der Country Gentlemen, die 1958 frischen Wind in die Bluegrass-Szene gebracht hatten und er war überhaupt gegen alles Neue, kurzum er war gegen eine Weiterentwicklung seiner Musik. Er selbst hielt an seinem Stil, den er einst geschaffen hatte, immer fest.

Das einzige Experiment, das er sich nach seiner Sturm- und Drang- Phase einmal erlaubt hatte, waren Ende der 50er Jahre die Twin- und Triple-Fiddles mit Gordon Terry, Tommy Jackson und Dale Potter. Erst ein paar Jahre vor seinem Tod soll sich Bill Monroe mit der Existenz so vieler Bluegrass Bands und der Tatsache einer Weiterentwicklung seiner Musik abgefunden und versöhnt haben. Sogar mit Lester Flatt und Earl Scruggs soll er in den 70er Jahren seinen Frieden geschlossen haben.

Aufgrund seiner Strenge und seiner Eigenarten unterlag Bill Monroes Band einem häufigen Besetzungswechsel. Nur relativ wenige, wie etwa der Fiddler Kenny Baker, hielten es viele Jahre bei den Blue Grass Boys aus. Wer einmal bei Bill Monroe gearbeitet hatte, der war durch eine strenge, aber gute Schule gegangen und war sozusagen musikalisch geadelt worden. Ansonsten war Bill Monroe ein Gentleman der alten Schule. Er war zurückhaltend, überaus höflich und besass Charisma, und man hätte kaum gewagt, ihn einfach mit „Bill“ anzusprechen. Nein, man sprach ihn mit „Mr. Monroe“ an und er antwortete mit „Sir“.

Die Ehrungen, die Bill Monroe zuteil wurden, sind fast nicht überschaubar. Um nur die Wichtigsten zu nennen:

1970 – Country Music Hall Of Fame
1971 – Nashville Songwriters Hall Of Fame
1991 – IBMA Hall Of Honor
1995 – National Medal Of Honor (durch Präsident Clinton)
1997 – Rock’n’Roll Hall Of Fame

Eine Ehrung der besonderen Art wurde Bill Monroe 1954 zuteil, als man auf der allerersten Single von Elvis Presley die Monroe-Komposition „Blue Moon Of Kentucky“ fand, aufgenommen am 5. Juli 1954, veröffentlicht am 19. Juli 1954. Elvis soll sich später bei Bill Monroe für den etwas rockigen Teil der Aufnahme entschuldigt haben. Bill nahm’s leicht und spielte darauf eine ebenso rockige Zweitversion ein.

Walter Fuchs & Bill Monroe

Ich hatte zwei Mal das Vergnügen Bill Monroe zu treffen und mit ihm Interviews zu führen. Das war 1973 in Nashville und 1975 in Tübingen, wo ich besonders viel Zeit hatte, mich mit ihm in einem Nebenzimmer eines Lokals zu unterhalten. Mr. Bill Monroe mag als Musiker und „Vater der Bluegrass Music“ schwierig gewesen sein, doch dies schmälert nicht seine Verdienste um diese Musik. Schliesslich gibt es kaum eine andere Musikströmung oder auch einen bestimmten Stil, der sich so extrem auf eine einzige Persönlichkeit fokussieren lässt, wie die Bluegrass Music. Deshalb: Hut ab vor Bill Monroe, der am 13. September 2011 genau 100 Jahre alt geworden wäre.

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Über Walter Fuchs (33 Artikel)
Walter Fuchs, der Experte für das Genre Bluegrass und Initiator des Bluegrass Festival in Bühl.
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