25. Country Night Gstaad 2013: Erstmals beste Band der Welt auf der Bühne
Mit vier us-amerikanischen Music-Acts konnte die 25. Country Night Gstaad in diesem Jahr aufwarten. Die Musikfans durften sich somit freuen auf Formationen, die hier und anderswo in Europa nur selten bis gar nicht zu erleben sind, ein Markenzeichen der Country Night Gstaad seit dem Beginn im Jahr 1989 mit Conway Twitty und Loretta Lynn.
Das Jubiläums-Programm des ersten Vierteljahrhunderts erwies sich also unter dem Strich gesehen, als eine der besten Country Nights Gstaad überhaupt. Wie immer war im Zelt der Alpengala Konzertatmosphäre angesagt – gegessen, getrunken und gefeiert wurde in der angrenzenden Tennishalle.
An beiden Tagen pünktlich um 18.00 Uhr startete Moderator Jürg Hofer den Abend mit der Southern Rock-Formation Flynnville Train aus Indiana. 2011 hatten sie schon vor 10.000 Leuten im französischen Craponne gespielt, was sie auf die Idee brachte, die Kontakte nach Europa zu verstärken. Ihr Programm war Energie pur, ihre Ursprünge reichen 20 Jahre zurück. Die Gründung der eigentlichen Band fand im Jahr 2001 statt, als die Brüder Brian und Brent Flynn ihre musikalischen Ideen in diese Band einbrachten. Je nach Örtlichkeit klingen sie mehr nach Heavy Metal oder mehr nach Country.
Brent ist ein wahrer Meister der Saiteninstrumente, und konnte mit seinen Gitarrenriffs auch das Publikum in Gstaad überzeugen. Brian ist der Sänger, der außer einem gelegentlichen Waschbrett kein Instrument bediente, der aber durch seine Aktivitäten auf der Bühne einige Liter hinausschwitzte. Tommy Bales sitzt am Schlagzeug, Joseph Shreve bedient bei Flynnville Train den elektrischen Bass. Auf der Basis dieses eingespielten Rhythums-Teams fiel es den Flynn-Brüdern leicht, ihre Gesangs- und Gitarrenarbeit optimal einzubringen.
Die Musik klingt ein wenig nach „Hank Williams jr. meets Toby Keith“, gespickt mit Def-Leppard-Ansätzen. Echter Southern Rock also, der druckvoll daherkam, in der Lautstärke aber immer angemessen, nie dröhnend. Als Einflüsse nannten sie weiter Merle Haggard, George Jones, die Eagles und die Beatles. Kompliment an das Sound-Team, das diese energiegeladene Musik so sauber und differenziert wie auf CD in das Zelt zauberte, einschließlich des Gesangs. Da ging es durchaus rauh zu auf der Bühne, vier langhaarige Typen um die 40, Hintergrund christlich, hart arbeitende Eltern, Middletown, Indiana.
Bezeichnenderweise sangen sie gleich im ersten Lied von „Home“, sie haben schließlich zuhause eigene Familien, und Brian Flynn versäumte es nicht zu betonen, welch großartige Erfahrung der Trip nach Gstaad für ihn und seine Band war, auch bezüglich der Schönheit der Landschaft, „like stepping in a postcard“. Ihr Aufstieg hatte im Jahr 2006 begonnen, Toby Keith hatte die Band live gesehen und ihnen einen Vertrag angeboten bei seinem Show Dog Label, auf dem 2007 die erste CD „Flynnville Train“ erschienen ist. Da sie jedoch nicht bereit waren, ihre Musik nach den Vorstellungen von Toby Keith radiofreundlich zu gestalten, kam es 2009 zur Trennung und 2010 zur CD „Redemption“ auf einem kleineren Label. Mit „Back On Track“ haben Flynnville Train soeben eine starke dritte CD herausgegeben.
Ihr Auftritt war der gelungene Anheizer in Gstaad, wenig Worte, viel Musik, noch mehr Energie. Der Klassiker „Green River“ von Credence Clearwater Revival war zu hören, „Tell Mama“ und insbesondere „Nowhere Town“ referierten gleich wieder auf die Heimat im ländlichen Indiana. Bei AGR ist die neue CD in Deutschland erschienen, hieraus stellten sie die erste Single „Tip A Can“ vor. Ein Highlight aus der neuen CD wurde von Brian mit ein wenig Hintergrund versehen angesagt, „33 Steps“. Es sind genau 33 Schritte vom Ryman Auditorium in Nashville über die Straße zu Tootsie’s Orchid Lounge. Hank Williams, Hank Snow, Patsy Cline und all die anderen Legenden gingen nach ihren Auftritten in der Grand Ole Opry diesen Weg, Southern Rock meets Country. Spätestens hier musste dem Zuhörer klarwerden, dass die wilden Rocker ihre Musik nicht nur virtuos, sondern auch mit Herz und Verständnis für die Wurzeln spielen. „Black Grass“ war ein flottes Instrumental, das die Fähigkeiten der drei Musiker in allen Facetten offenbarte.
Die Single von der ersten CD „Your Last Good Time“ hat die Botschaft, lebe jeden Tag, es könnte die letzte Gelegenheit sein. Brian Flynn bat das Publikum, für dieses Lied aufzustehen, und mit den Händen über dem Kopf zu tanzen, wie es schon im Text des Liedes heißt. Bei bester Stimmung im Zelt durften sie als Zugabe den Southern-Rock-Klassiker „Midnight Rider“ von den Allman Brothers spielen. Nach dem Ende des offiziellen Teils haben Flynnville Train übrigens an beiden Tagen in der Tennishalle noch für die zahlreichen Nachtschwärmer gespielt.
Nach diesem in jeder Hinsicht gelungenen Auftakt folgte mit LeAnn Rimes die offizielle Headlinerin der diesjährigen Country Night, die von sieben Tattoos berichtet, die sie inzwischen hat. Neun Jahre ist es her, dass die in Mississippi geborene und in Texas aufgewachsene Sängerin erstmals in Gstaad gastierte. Seither hat sie eine unschöne Scheidung hinter sich. Ihre persönlichen Probleme scheint sie weitgehend bewältigt zu haben, augenscheinlich ist sie nicht mehr so hager wie noch vor kurzem, und ihre neue CD „Spitfire“ hatte die Top 10 der Country-Album-Hitparade erreicht. Dennoch stand ihre aktuelle Europatournee unter keinem guten Stern, war sie doch zuerst erkältet, und kurz vor ihrem Abflug nach Gstaad in England an der Hand verletzt worden. In einem Fitness-Studio waren ihr 10 Kilo auf die linke Hand gefallen, mit der Folge, dass zwei ihrer Finger gebrochen und daher gemeinsam verbunden waren. Ihren Ansagen merkte man an, dass die ziemlich aufgedreht war, und am Freitag musste sie alles geben, um den Auftritt zu bewältigen, am Samstag schien es ihr leichter zu fallen. Auch die Stimme hat sich zunehmend erholt, und so konnte LeAnn Rimes mit dieser Jahrhundertstimme wieder zaubern und das Publikum für sich gewinnen.
„Ich bin Southern Rock, LeAnn Rimes hingegen singt wie ein Vögelchen“ sagte Gretchen Wilson auf der Pressekonferenz über ihre rund neun Jahre jüngere Kollegin LeAnn Rimes. Und das tat sie denn auch, beeinflusst von Patsy Cline und Judy Garland (Broadway New York), sowie Bette Middler und Janis Joplin. Ihr Sound war Country-Pop, lediglich die Steel Guitar erinnerte an das Instrumentarium, das diese Stimme im Idealfall so herrlich Country einbetten kann. Dennoch, auch diese Band war hochklassig, und konnte von flott und lautstark bis balladesk. Das Zelt war inzwischen weitestgehend besetzt, so dass vom Publikumszuspruch her auch der Freitag sehr erfolgreich war, der Samstag war ja schon länger ausverkauft.
„Family“ hieß ihr erstes Lied, dann folgte „Swingin'“, jener mitreißende Millionseller von John Anderson aus den frühen 80er Jahren. Offenbar setzte LeAnn Rimes darauf, ihrem Publikum viel Spaß zu bereiten, und sie ist längst eine elegante Entertainerin geworden. So konnte sie abwechseln zwischen viel Bewegung auf der Bühne und sitzend singen wie bei der Ballade „I Need You“. Bei „Life Goes On“ sang das Publikum mit und der Titelsong der neuen CD „Spitfire“ kam auch sehr gut an, trotz der Bemerkung, sie habe das Lied geschrieben, als sie gerade „pissed off“ war. „One Way Ticket“ und einige andere Hits hat sie in ein Medley gefasst, „Blue“ erklang in voller Länge und voller Schönheit, einschließlich Steel Guitar. Mit dieser Bill-Mack-Komposition aus den frühen 60er Jahren hatte LeAnn Rimes im Alter von 13 Jahren 1996 den Durchbruch geschafft. Bill Mack hatte das Lied für Patsy Cline geschrieben, die es aufgrund ihres tödlichen Flugzeugabsturzes nicht mehr aufnehmen konnte. Erst LeAnn Rimes hielt Mack dann für geeignet, das Lied aufzunehmen, rund dreieinhalb Dekaden später.
Weiter gings mit „Can’t Fight The Moonlight“ aus dem Film „Coyote Ugly“, wo LeAnn Rimes auf dem Tisch getanzt hat, ein Ohrwurm, den man nicht aus dem Kopf bekommt, auch wenn er im Jahr 2000 über Platz 61 in den Country Charts nicht hinausgekommen war. „Last Thing On My Mind“ musste sie ohne Duettpartner Ronan Keating singen, „Gasoline And Matches“ stellte LeAnn Rimes als brandneue Single vor, eine flotte Nummer mit Rockabilly-Einflüssen im Stil von „I Feel Lucky“ von Mary Chapin Carpenter, und damit mit echtem Hit-Potential ausgestattet. Ein mehrfacher Millionseller war „How Do I Live“, kaum ein Lied war je so lange in den Hot 100 in Amerika notiert wie dieses, das hat schon Gänsehaut bereitet, und dass LeAnn Rimes ohne Einschränkungen gut ankam, bedarf keiner weiteren Erwähnung. Standing ovations waren die Belohnung, und als Zugabe hatte sie die ergreifende Nummer „Hallelujah“ von Leonard Cohen dabei, nur zu einer akustischen Gitarre vorgetragen. Auch wenn das vielleicht nicht alle mittragen konnten, war es doch ein Abschluss, der in Erinnerung bleibt, ähnlich wie ihr Duett mit Ronan Keating im Jahr 2004 auf der Bühne von Gstaad. Gefehlt hat ihr einziger Nummer 1-Hit „One Way Ticket“ von 1996, aber alle erklungenen Lieder hatten ihre Berechtigung.
Eine Stunde Pause folgte, Gelegenheit für Verpflegung und Stöbern im CD-Stand. Die Time Jumpers nutzen an beiden Tagen die Zeit, ihre Instrumente optimal einzustellen, insbesondere Vince Gill und Paul Franklin. Außer Vince Gill und Sängerin Dawn Sears, sowie Ranger Doug Green sind die übrigen Time Jumpers Studiomusiker, die in der Formation ihre eigenen musikalischen Vorstellungen verwirklichen können, was im Rahmen der Studioarbeit für andere Künstler kaum der Fall ist. Derzeit gibt es 11 Time Jumpers, 10 davon waren gekommen, nur Ranger Doug war mit seiner anderen Formation unterwegs, The Riders In The Sky. Vince Gill war ja ursprünglich als Vertreter von Ranger Doug, und auch von Gitarrist Andy Reiss zur Band gekommen, und wegen des gleichen musikalischen Interesses. Dabei bekundet Vince Gill, in seiner Zeit bei den Time Jumpers ein (noch, Anmerkung Unterzeichner) besserer Musiker geworden zu sein, und das mit jetzt 56. Außerdem wird sein nach 23 Jahren kürzlich ausgelaufener Vertrag bei MCA wieder erneuert.
„Bei uns geht es nicht ums Ego, sondern um die Liebe zur Musik“. Das ist das erklärte Motto der Time Jumpers, welches sie auf der Bühne in jeder Phase ihres Auftritts unter Beweis gestellt haben, alle von ihnen, ohne Ausnahme. 1998 hatte es übrigens begonnen, teilweise noch in anderer Besetzung, John Hughey an der Steel Guitar ist inzwischen verstorben und vor einigen Jahren durch Paul Franklin ersetzt worden. Jeden Montag spielten die Time Jumpers vor ausverkauftem Haus im weltbekannten Station Inn in Nashville, bis sie vor einigen Jahren auf die Idee kamen, sie könnten eigentlich in ein größeres Lokal umziehen, seither spielen sie im 3rd & Lindsley. Und wie Dawn Sears am Rande der Pressekonferenz verriet, immer noch jedes Mal vor ausverkauftem Haus, übrigens auch am Montag vor der Reise nach Gstaad und auch am Montag danach, der Zeitgewinn von sieben Stunden machte es möglich. Da sie künftig auch in den USA auf Tour gehen wollen, wird die Zukunft zeigen, ob sie es immer einrichten können, am Montag jeweils in Nashville zu sein.
Die Time Jumpers mit drei Fiddles (Kenny Sears, Joe Spivey, Larry Franklin), Steel Guitar (Paul Franklin, nicht verwandt mit Larry Franklin), zwei Gitarren (Vince Gill, Andy Reiss), Akkordeon und Keyboard (Jeff Taylor), Kontrabass (Brad Albin) und Schlagzeug (Billy Thomas), waren musikalisch die Big Band des Abends, dem Western Swing nahestehend, aber ohne Bläser. Auch wenn mit „Sugar Moon“ rasch ein Klassiker erklang, war ihre Musik doch meist neu, von den einzelnen Mitgliedern der Band verfassst und dann auch gesungen. Endlich richtiger Country bei der Country Night Gstaad, das haben sich viele Fans gesagt, denn es gab frenetischen Beifall für die einzelnen Performances. Dawn Sears sang aus der Feder von Jeannie Seely „Leavin‘ And Sayin‘ Goodbye“, das Faron Young 1971 auf Platz 9 der Country Charts getragen hatte. Dawn Sears hatte 1994 mit „Runaway Train“ einen einzigen Solo-Hit in Billboard’s Country Charts, aber ihre Stimme ist großartig, an Connie Smith erinnernd, und ihre warme Ausstrahlung erfüllte das gesamte Zelt. Sie ist mit Kenny Sears verheiratet, der die Band leitet und auch durchs Programm führt. Bei der Pressekonferenz hatte Kenny Sears sich vorgestellt mit den Worten „I’m Mister Dawn Sears“, woraufhin Vince Gill sich dort vorstellte „I’m Mister Amy Grant“.
Einfach genial, mit welcher Bescheidenheit die Musiker auftreten, kaum eine Schallplatte ist in den letzten 40 Jahren erschienen, auf der nicht mindestens einer der Musiker der Time Jumpers mitgespielt hat. Ihre zeitlos schöne Musik erfüllte das Zelt der Alpengala. Vince Gill (1989 beim Festival in Grindelwald in der Schweiz gewesen, 20 Grammy Awards, fünf Mal bester Sänger des Jahres bei der Country Music Association, zwei Mal Entertainer des Jahres bei der CMA, zahllose weitere Auszeichnungen und Awards, 25 Top 10 Hits, darunter fünf Nummer 1-Hits in Billboard’s Country Charts, Mitglied der Grand Ole Opry, Mitglied der Country Music Hall Of Fame, langjähriger Präsentator der CMA-Awards-Show, einer der erfolgreichsten Megastars der Musikgeschichte) sang „Corrine Corrina“ von Bob Wills, sein Spiel auf der halbakustischen Gibson-Gitarre aus den 40er Jahren war ebenso göttlich wie sein Gesang.
Neben ihm saß Steel Guitar Hall Of Fame-Mitglied Paul Franklin (11 Mal bester Steel Gitarrist bei der Academy of Country Music, 1972 in die Band von Barbara Mandrell eingetreten, seit 1981 einer der gefragtesten Studiomusiker in Nashville, aktiv im Studio und auf der Bühne für Dire Straits, George Strait, Barbra Streisand, Rodney Crowell u.v.a.). Vince Gill und Paul Franklin verstehen sich offenbar sehr gut, haben sie doch vor gut einem Monat die gemeinsame LP und CD „Bakersfield“ herausgegeben, mit Liedern von Buck Owens und Merle Haggard in Top-Qualität, das Album hat Platz 4 der Country-Album-Hitparade erreicht. Paul Franklin spielte seine Eigenkomposition „All On Board“, es swingt, es jazzt, virtuoser, besser und musikalischer geht nicht. Joe Spivey sang „I Hear You Talkin'“ von Bob Wills, Billy Thomas sang seine ruhige Eigenkomposition „Blue Highway Blues“, Larry Franklin sang den Klassiker „Big Ball’s In Cowtown“.
Die Formation ist offenbar ein Glücksfall für die Country Music, zeigt sie doch allen, wie echte Country Music gespielt wird. Die Country-Band der letzten gut 15 Jahre oder wie Dawn Sears über die neun Musiker um sich herum auf der Bühne urteilte: „The best band on the planet, die beste Band der Welt“.
Dem ist nichts hinzuzufügen, so ist es einfach, da kommt niemand dran vorbei, wer die beste Musik hören möchte, muss zuerst an die Time Jumpers denken, und in zweiter Linie an alle anderen Bands. Dawn Sears sang sodann mit ihrer großartigen Stimme „Don’t You Ever Get Tired Of Hurtin‘ Me“, bekannt von Ray Price oder auch Ronnie Milsap. Ihr Mann Kenny Sears, wie Vince Gill in Oklahoma aufgewachsen, sang aus der aktuellen im Haus von Vince Gill eingespielten und mit zwei Grammy-Nominationen versehenen CD „The Time Jumpers“ seine Eigenkomposition „Nothing But The Blues“, und Vince Gill sang, begleitet von Paul Franklin an der Steel Guitar, „Together Again“, nicht ohne zu erwähnen, dass OK-Präsident Marcel Bach gut befreundet war mit Buck Owens, was 1990 auch zu einem Auftritt von Buck Owens in Gstaad führte. Von der „The Time Jumpers“-CD brachte Larry Franklin sodann seine schmissige Eigenkomposition „Texoma Bound“ eine herrliche Instrumentalnummer, und wenn mal drei Fiddles gemeinsam spielen, und überhaupt alle Time Jumpers ihr geniales Zusammenspiel zeigen, dann ist das nicht mehr steigerungsfähig.
Joe Spivey fiel der Part zu, weiterzumachen, er brachte von Bob Wills den Klassiker „Who’s Heart Are You Breakin‘ Now“. Dawn Sears sang „The Roots Of My Raising“ aus der Feder von Tommy Collins, 1976 hatte Merle Haggard damit eine Nummer 1 in Billboard’s Country Charts landen können. Ewig könnte man dieser herrlichen und großartigen Musik lauschen, viel zu schnell ist die Zeit vergangen, als der Zeiger schon in der Kurve war, stimmte Vince Gill seine langsame Version von „A Six Pack To Go“ an, und Dawn Sears setzte mit „Back To The San Antonio Rose“ noch eins drauf. Das begeisterte Publikum holte sich als Zugabe von Vince Gill gesungen „My Window Faces The South“. Am Samstag gabs kleine Abweichungen im Repertoire: Dawn Sears sang ganz wundervoll „Someone Had To Teach You“, die Eigenkomposition „So Far Apart“ und Mickey Newburys „Sweet Memories“, Larry Franklin brachte den Western-Swing-Klassiker „That’s What I Like About The South“. Nach mehrfachen Standing Ovations sang Vince Gill am Samstag noch seinen eigenen Hit „Look At Us“, und Dawn Sears brachte Willie Nelsons „Night Life“, jeweils genial in Szene gesetzt, leidenschaftlich und zu Herzen gehend. Kaum einer wollte die Band gehen lassen.
25 Jahre Country Night Gstaad wurden vor dem Auftritt von Gretchen Wilson gefeiert, OK-Präsident Marcel Bach und Christa Hauswirth, die einzige Vollzeitkraft bei der Country Night, erhielten am Freitag neue Lederjacken, und es wurde ein kurzer Film mit Highlights gezeigt, u.a. mit Grüßen von Kenny Rogers, Lady Antebellum und anderen. Am Samstag übergab Trisha Walker Cunningham an Marcel Bach Gratulationsurkunden von der CMA, dem Bürgermeister von Nashville, dem Gouverneur von Tennessee und von der Grammy-Organisation.
Jeweils um Mitternacht begann der Auftritt von Gretchen Wilson. Hier vereinten sich Southern Rock mit Party, und man soll es nicht glauben, Gretchen Wilson ist schon 40, und hat eine zwölfjährige Tochter. Ihr Image ist das einer zähen Südstaatenfrau, die ihren Flüssigkeitsbedarf ausschließlich mit Jack Daniels deckt. Hinter vorgehaltener Hand verrät sie aber, dass sie im Übrigen auch ein wenig Light Beer trinkt, Wasser rührt sie nicht an. Seit ihr erster Hit „Redneck Woman“ im Jahr 2004 fünf Wochen auf Platz 1 in Billboard’s Country Charts stand, ist Gretchen Wilson ein Star, auch wenn sie im Laufe der Jahre im Radio sukzessive etwas vernachlässigt wurde. Sie hat nach sechseinhalb Jahren beim großen Epic-Label vor drei Jahren mit „Redneck Woman Records“ eine eigene Plattenfirma gegründet, auf der sie dieses Jahr bereits zwei CD’s veröffentlicht hat, im Oktober folgt eine Weihnachts-CD.
Auf der anderen Seite geht sie aber nicht mehr auf Tour durch die Radiostationen, wie das bei Epic früher für sie Pflicht war. Sie versendet ihre Musik wie das die professionellen Kollegen auch tun, in ihrem Fall in der Hoffnung, dass sie gespielt wird, ohne Besuche bei den DJs, nur einfach aufgrund der Qualität ihrer Musik. Sie möchte für die Fans Musik machen, nicht für die Radiostationen und deren Inhaber, ist ihre klare Aussage. Erfahrungsgemäß führt das dazu, so Wilson weiter, dass große Stationen sie kaum spielen, kleinere eher, Stationen, die auch George Jones und Travis Tritt noch spielen. Schließlich hört sie sich nicht im Radio um, was man kopieren könnte, ihre Musik muss eigenständig sein und eigene Erfahrungen beinhalten. Das ist dann eher „Patsy Cline meets Lynyrd Skynyrd“, konsequenterweise will sie in Zukunft mehr schreiben.
Mit zwei elektrischen Gitarren, Keyboard, E-Bass und Schlagzeug machte Gretchen Wilson im Rahmen ihrer beiden ersten Auftritte in der Schweiz von Anfang an Party, und „Here For The Party“ war in diesem Fall das richtige Lied. Künstlerisches Highlight war John Prine’s „Angel From Montgomery“, hier zeigte sie, weitgehend nur akustisch begleitet, dass sie eigentlich auch eine großartige Balladensängerin ist.
Sie stellte mit „Homewrecker“ Musik von der ersten CD vor, einmal erinnerte sie an Bob Segers „Against The Wind“, mit viel Freiheit für die Musiker zur Improvisation. „Grandma“ kam von der jüngsten Country-CD „Right On Time“, auf der anderen CD des Jahrgangs 2013, „Under The Covers“ hat sie Rock-Klassiker neu eingespielt. „Work Hard, Play Harder“ passte ins Schema, es war den hart arbeitenden Menschen gewidmet. Mit „Crazy“ brachte sie ihre aktuelle Single, und auch ein wenig Blues-Rock. „All Jacked Up“ und „Redneck Woman“ setzte sie an den Schluss, um die Stimmung hochkochen zu lassen, es ist ihr gut gelungen, was sie macht, macht sie konsequent, nur, dass bei der Zugabe dann die Musik im Verhältnis zum Gesang zu laut geworden war. Im letzten Viertel des Auftritts hat sie an beiden Tagen das Publikum nach vorne gebeten, das war so mit der Festivalleitung abgesprochen, denn zuhause ist sie es gewohnt, dass die Leute von Anfang an Party machen, und dabei auch stehen.
Die Reise nach Gstaad hat sich angesichts der großen musikalischen Bandbreite und der hohen musikalischen Qualität bei sehr gutem Sound gelohnt und man darf sich schon auf 2014 freuen, dann findet die 26. Country Night im Zelt der Alpengala vom 12. September bis 14. September statt. Ricky Skaggs & Kentucky Thunder sind schon gebucht, eine der heißesten Bluegrass-Formationen überhaupt, mit zwei bereits äußerst gelungenen Abstechern nach Gstaad.