28. Country Night Gstaad
Die Country Night Gstaad, Freitag 09. und Samstag 10. September 2016.
Angesagt im Zelt der Alpengala zur 28. Ausgabe der Country Night Gstaad waren Diamond Rio, Lee Ann Womack, Paul Mac Bonvin und Brett Eldredge. Der Ablauf war an beiden Abenden identisch, um 18.00 Uhr startete jeweils das Konzert mit Paul Mac Bonvin aus dem französisch sprechenden Wallis. Im Stil von Jerry Lee Lewis begannen seine Auftritte jeweils mit „Don’t Wanna Be Lonely Tonight“. Jerry Lee Lewis, The Killer aus Ferriday, Louisiana mag Paul deshalb so gern, weil man bei seinen Auftritten nie genau weiß, was passieren wird. Paul konnte nicht nur stimmlich dem Killer verblüffend gut nahekommen, sondern er hatte auch seinen Stil auf dem Piano in Perfektion drauf.
Da Paul Mac Bonvin aus dem französisch-sprachigen Teil der Schweiz kommt, liegt es nahe, dass er sich auch um die Musik der französischen Einwanderer in Louisiana kümmert, Cajun und Zydeco Musik. Hierzu bediente Paul gekonnt das Akkordeon. Seine solide Musik hat durchweg überzeugt und bekam am Samstag auch eine Zugabe. Seine aktuelle CD heißt übrigens „Brothers“. Ach ja, Bagpipes waren zeitweise auch auf der Bühne, insbesondere bei „Amazing Grace“, also ein Dudelsack.
Auftritt Nummer 2 in Gstaad begann mit „Lose My Mind“, das Brett Eldredge mitgeschrieben, und 2015 auf Platz 2 in Billboard-Country-Charts hochgetragen hat. Brett Eldgredge, ein großgewachsener, fröhlicher und lockerer Typ aus Paris, Illinois bekommt viel Radio Airplay in den USA, das konnte er mit seiner Band allerdings in Gstaad weder in Qualität, noch in gute Stimmung umsetzen. Seine Musik war vielmehr Gitarrenrock ohne Gnade, und das hatte nur wenig mit Country Music zu tun.
Wer Country Music im Stil von Don Williams, Emmylou Harris, Willie Nelson, George Jones oder Merle Haggard als Country definiert, wird Brett Eldredge schlicht nicht subsumieren können. Und dass er ausgerechnet Ronnie Dunn als Vorbild nannte, half ihm auch nicht weiter, Ronnie Dunn, der Sänger des ehemaligen Duos Brooks & Dunn, die während ihrer gesamten Karriere vornehmlich den Line Dance Beat ins Radio und unters Volk gepeitscht hatten, und noch heute, Jahre nach dem Ende ihres Duos, durch extremistische Äußerungen negativ auffallen.
Eine der ganz wenigen Ausnahmen war seine Nummer 4 aus den Country-Charts „Mean To Me“. Das konnte gefallen und war zumindest mit einem Fuß ein echter Country-Song. Am Tag seines Auftritts in Gstaad, also am Samstag, den 10. September war „Wanna Be That Song“ für Brett Eldredge von 31 auf Platz 24 in Billboard-Country-Charts hochgeklettert, aber schon in der Folgewoche gings wieder abwärts auf Platz 28. Brett Eldredge mag in den USA in Stadien bei Teenage-Girls ankommen, das Publikum in Gstaad war weniger begeistert vom Gitarren-Rock des Radiostars aus Illinois. Und auch der bis zu diesem Zeitpunkt an beiden Tagen jeweils perfekte Sound konnte Brett Eldredge nicht aufs Pferd hiefen.
Auftritt Nummer 3 an beiden Tagen gehörte der Gruppe Diamond Rio, die es bereits seit über 30 Jahren gibt, die seit 1989 im unveränderten Sextett zusammen ist, und die vor 25 Jahren ihr Hitparaden-Debüt feierte. Mit „Unbelievable“ gings für Diamond Rio am 31. Oktober 1998 in die Country-Charts, und rasch für zwei Wochen auf Platz 2. „Unbelievable“ war 1998 der Titelsong ihrer fünften CD, vergoldet seinerzeit und mit „Unbelievable“ starteten sie jeweils ihre Auftritte bei der Country Night Gstaad. Wars am Freitag mal ein wenig zu rockig ausgesteuert, hat am Samstag alles gepasst. Die Musikalität dieser Band und ihre Spielfreude kannten keine Grenze, die Gesangsharmonien von Marty Roe, Gene Johnson und Dana Williams waren umwerfend gut. Einziger Wermutstropfen war, dass sie viele ihrer Hits in zwei Medleys gepackt haben. „Norma Jean Riley“ war für Diamond Rio 1992 der vierte Top-10-Hit in Billboards Country Charts, und bei der Country Night Gstaad jeweils das zweite Lied der Auftritte.
Auch „Beautiful Mess“ erklang in voller Länge, und es war genüsslich zu sehen und zu spüren, wie locker die Musiker drauf waren und wie groß ihre Spielfreude und ihre Virtuosität nach all den Jahren immer noch ist. Das gilt auch für die Gesangsharmonien. Die Auftritte bei der Country Night Gstaad waren für Diamond Rio die ersten in der Schweiz, und ihr Newgrass-Medley machte auch viel Spaß, da kamen Bluegrass und 70s Rock zusammen, zum Beispiel bei „Born To Be Wild“ von Steppenwolf.
Dann folgte der Hit, mit dem 1991 alles begann, die zweiwöchige Nummer 1 „Meet In The Middle“. Diamond Rio waren seinerzeit die erste Band, die mit ihrer allerersten Single einen Nummer-eins-Hit in Billboards Country-Charts landen konnte, und wie immer mit der charakteristischen elektrischen Gitarre des 55-jährigen Jimmy Olander, der auch mal zum Banjo griff. Nach „Meet In The Middle“ gab es am Samstag standing ovations für Diamond Rio, und ihr Samstagsauftritt war wohl der beste von allen acht Auftritten der beiden Tage in Gstaad. „Meet In The Middle“ wurde sofort vom größten Diamond Rio Hit getoppt, dem dreiwöchigen Nummer 1 Hit „How Your Love Makes Me Feel“ von 1997.
Und auch am Freitag gabs hier standing ovations und als Zugabe an beiden Tagen ein gigantisch schönes Medley aus alten Western-Hits. Mit dabei „Way Out There“ von den Sons of The Pioneers, und Diamond Rio sangen das genauso gut wie die Sons of The Pioneers selbst.
Die 50-jährige Lee Ann Womack stand abschließend auf dem Programm, und ihre Auftritte begannen so, wie am 15. März 1997 ihre Karriere. An diesem Tag ist Lee Ann Womack aus Jacksonville, Texas mit „Never Again, Again“ erstmals in die Country-Charts eingestiegen, und dieser erste Hit hat es bis auf Platz 23 geschafft.
Lee Ann Womack hatte in ihrer Band dabei Kontrabass und E-Bass, Lap Steel, Mandoline, Fiddle, Schlagzeug, akustische Gitarre, also ganz andere Sachen als die drei Bands davor, Instrumente, die mehr in Richtung authentischen Country gingen, als das bei den anderen Bands der Fall war. Und genau so waren ihre Auftritte dann auch, am Freitag war Lee Ann Womack sicher die Nummer 1 des Abends, am Samstag hatten ihr Diamond Rio den Rang abgelaufen.
Lee Ann Womack braucht wenig Bewegung und schon gar keine Show, mit wenigen Worten führt sie durch ihre Lieder und Hits, und bewegt sich dabei kaum von der Stelle; „The Fool“ und dann “ A Little Past Little Rock“. Viele Balladen waren zu hören, das war sicher nicht jedermanns Sache beim Top Act des Abends, aber schön wars dafür in besonderem Maße, ohne Einschränkung.
Aus der Feder von Buddy und Julie Miller sang Lee Ann Womack mit „Does My Ring Burn Your Finger“. Dieses Lied hatte sie in Gstaad in der musikalischen Tradition der Appalachen arrangiert, nachdem sie zuvor schon „Wayfaring Stranger“ gesungen hatte.
Aufgewachsen ist Lee Ann Womack im Osten von Texas, dort wo auch Lightning Hopkins gelebt hat, der große Blues Musiker. Lee Ann Womack brachte dessen „Trouble In Mind“ zu Gehör. Dann gings mit voller Band weiter bei „I’ll Think Of A Reason Later“, 1998 vier Wochen auf Platz 2.
„Der Fokus ist auf der Musik, der Freude an den Songs und den Texten“, sagte Lee Ann Womack bereits im Vorfeld ihrer Auftritte in Gstaad. Die aktuelle CD von Lee Ann Womack heißt „The Way I’m Livin'“, hieraus brachte sie auf der Bühne den Titelsong. Dann folgten die beiden ersten Singles aus der CD „I Hope You Dance“, zuerst der Titelsong, der sich fünf Wochen an der Spitze der Country Charts halten konnte. Das war nicht nur der größte Hit in der Karriere von Lee Ann Womack, sondern auch der größte Hit des Abends.
Danach sang sie gleich „Ashes By Now“, die zweite Single aus der CD „I Hope You Dance“, Platz 4 in den Country-Charts in Nachfolge zum Grammy Superhit „I Hope You Dance“, der auch Single des Jahres wurde bei der CMA. Mit „Ashes By Now“ spielte Lee Ann Womack eines der wenigen schnellen Stücke, und durfte natürlich für eine Zugabe zurück auf die Bühne, nicht ohne standing ovations. Lee Ann Womack endete jeweils mit ihrer Zugabe, einem wunderbaren Cover des Don Williams Nummer-Eins-Hits von 1982 „Lord I Hope This Day Is Good“.
Am 08. & 09. September 2017 steigt die 29. Country Night Gstaad. Dieses Mal gehörte die Bühne ganz Diamond Rio und Lee Ann Womack, die beide authentischen Country gespielt haben, aber doch sehr unterschiedlich. Paul McBonvin aus der Schweiz konnte mit seinem Programm, das auch Rock’n’Roll, Cajun, Zydeco und Blues enthielt, voll überzeugen.