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Eric Church: Mr. Misunderstood

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Eric Church (Mr. Misunderstood)

Ein gutes Marketing ist im modernen Countrybusiness heutzutage unverzichtbar. Dazu gehört, dass der Veröffentlichungstermin eines neuen Albums frühzeitig bekannt gegeben wird, um die Vermarktungsmaschinerie ans Laufen zu bringen. Die Leadsingle hat währenddessen die Aufgabe, den Verkauf zu promoten und die Fans in entsprechende Vorfreude zu versetzen.

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Glücklicherweise gibt es in der New-Country-Szene Künstler, die sich um solche Gesetzmäßigkeiten wenig Gedanken machen, sondern einfach ihrem Gespür, das Richtige zu tun, folgen. Country-Rock-Freigeist Eric Church hatte sich bereits auf seinem schräg-düsteren Geniestreich „The Outsiders“ über Grundprinzipien der Szene hinweggesetzt und das Nashviller Establishment aufs Korn genommen. Dazu passt ganz aktuell auch die Tatsache, dass die Mitglieder des „Church-Choir“-Fan-Clubs am 3. November diesen Jahres ohne jede Vorankündigung ein flammneues Album ihres eigenwilligen Idols in den Mailboxen vorfanden.

Wer dem Modern-Outlaw aus North-Carolina hier verfehltes Marketing unterstellt, liegt zwangsläufig falsch. Allein der Überraschungseffekt am Vortage der CMA-Awards-Verleihung hatte die Aufmerksamkeit der Szene auf seine Person gelenkt und mit der Live-Premiere von Mr. Misunderstood einen musikalischen Paukenschlag ausgelöst. Das Blitzrelease seines fünften Studioalbums erklärt der Künstlers wie folgt: „Ich habe immer Zeit gebraucht, um die Inspiration für ein neues Album zu finden. Dieses Mal hat die Inspiration mich gefunden und das Ergebnis war Mr. Misunderstood.“

Die Entstehung dieses 10-Teilers, den Church in gewohnter Zusammenarbeit mit Produzentenguru Jay Joyce vom ersten Federstrich bis zur letzten Aufnahmesession in nur 40 Tagen vollzogen hat, könnte man auf den ersten Blick als Schnellschuss interpretieren. Doch bereits die ungewöhnlich kreative Titelauswahl spricht Bände und schaltet jeglichen Verdacht von Beliebigkeit von vornherein aus.
„Mr. Misunderstood“ ist ein an Inhaltsstoffen reiches Album, das an den Outlaw-Habitus seiner Vorgänger anknüpft. Im Vergleich zu dem 2011er Breakthrough-Album „Chief“ wirkt es soundmäßig gereift, gegenüber „The Outsiders“ deutlich geerdeter und weniger experimentell. Kurz gesagt scheint Eric Church hier die goldene Mitte getroffen zu haben; ein Umstand der sich beim Anhören der Einzeltitel durchgehend bestätigt.

Der Titeltrack ist bereits das was man einen Signature-Song nennt, der in der Tradition von „Homeboy“ oder „The Outsiders“ all denen gewidmet ist, die in die Klischeemuster der Gesellschaft nicht so recht hineinpassen. Auf fünfeinhalb Minuten präsentiert Church mit Tempowechseln unterlegten, herzhaften Country-Rock und schafft es dabei, seinen Namen mit der Message des „Unverstandenen“ untrennbar zu verbinden. Ein Knallerauftakt, dem mit „Mistress Named Music“ der wohl komplexeste Song des Albums folgt. Dieses blueseingefärbte Bekenntnis zur Musik ist von beinahe hypnotischer Intensität getragen, wechselt fließend von zirpenden Akustikstrings zu fetten Rockriffs und wird im letzten Drittel von einem wuchtigen Gospelbackgroundchor nach Hause geführt.

Danach dreht sich die Szenerie komplett und der Zeremonienmeister aus Granite Falls präsentiert uns das verrucht-mitreißende „Chattanooga Lucy“, dessen rhythmischer Kraft man sich nur schwerlich entziehen kann. Im Kontrast dazu zeigen die berührenden Slow-Tracks „Mixed Drinks About Feelings“ an der Seite von Bluessängerin Susan Tedeschi und „Holdin‘ My Own“ die verletzlich-emotionale Seiten eines bedingungslos Liebenden, die auf Songs wie „Like Jesus Does“ oder „Like A Wrecking Ball“ bereits zur Geltung gebracht wurden. Das melodisch unwiderstehliche „Knives Of New Orleans“ über eine Verfolgungsszenerie im Stadtdschungel von „The Big Easy“ hätte auch einem Springsteen Ende der 1970er gut zu Gesicht gestanden und darf man ohne Übertreibung zu den stärksten Modern-Country-Songs des laufenden Jahres zählen. Mit „Kill A Word“ hat Eric Church an der Seite von Luke Dick und Jeff Hyde in Sachen Textkomposition einen kleinen Geniestreich geschaffen, in dem sich der Interpret von negativen Umschreibungen auf seine ganz spezielle Art zu trennen vermag.

Die melodischen Sahnestücke „Round Here Buzz“ und „Record Year“ sind perfekte Radiosongs, die die Fangemeinde jenseits des Church-Choir weiter vergrößern dürften. Nachdem die letzten Töne des zärtlich-bekennenden „Three Year Old“ verklungen sind, bleibt festzuhalten, dass Eric Church sein Spontanrelease mit allerhöchster Songqualität ausgestattet und „Mr. Misunderstood“ zu einem Standout des Countryjahres 2015 entwickelt hat.

Fazit: Die musikalische Vielfalt und lyrische Intensität auf „Mr. Misunderstood“ grenzt Eric Church von der Masse der New-Country-Acts ab und führt ihn in eine Liga, die den großen Singer-Songwritern vergangener Jahre vorbehalten war. Bodenständig, zeitlos, melodiös und voller Inspiration hat das Team Joyce/Church ein mit Highlights gespicktes Album entwickelt, das Musikfreunden innerhalb und außerhalb der Szene ein Lächeln ins Gesicht zaubert. Das „Rolling-Stone-Magazine“ spricht schon heute von einem Klassiker der modernen Country Music.

Eric Church - Mr. Misunderstood

Titel: Mr. Misunderstood
Künstler: Eric Church
Veröffentlichungstermin: 11. Dezember 2015 (D)
Label: EMI Nashville
Vertrieb: Universal Music
Laufzeit: 38:35 Min.
Format: CD, Vinyl & Digital
Tracks: 10
Genre: Country
Bewertung: 5 von 5 möglichen Punkten!

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Trackliste:

01. Mr. Misunderstood
02. Mistress Named Music
03. Chattanooga Lucy
04. Mixed Drinks About Feelings – mit Susan Tedeschi
05. Knives Of New Orleans
06. Round Here Buzz
07. Kill A Word
08. Holdin‘ My Own
09. Record Year
10. Three Year Old

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Über Bernd Wenserski (609 Artikel)
Redakteur. Fachgebiet: New Country. Rezensionen und Specials.
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