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Iris DeMent: Workin‘ On A World

Die große Country-Singer-Songwriterin legt inmitten einer Welt der Gewalt und Abgründe ein Album voller Hoffnung vor: Ein Americana-Meisterwerk.

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Iris DeMent - Workin‘ On A World Iris DeMent - Workin‘ On A World. Bildrechte: Flariella Records

Mit dem Album „Infamous Angel“ wurde Iris DeMent 1992 bekannt. Eines der bis heute bemerkenswertesten Country-Singer-Songwriter-Alben. Die in einer Pfingstler-Familie aufgewachsene Dement greift auf diesem Werk in beeindruckender Weise Themen wie religiöse Skepsis, Kleinstadtleben und menschliche Gebrechlichkeit auf. Im Laufe ihrer Karriere hat sie immer wieder politische Themen angepackt. So vor allem auch auf ihrem dritten Album „The Way I Should“ von 1996. Sie setzt sich hier kritisch mit Themen wie sexueller Missbrauch, Religion, Regierungspolitik und Vietnam auseinander. 1999 arbeitet sie eng mit John Prine zusammen und singt mit ihm vier Duette auf seinem Album „In Spite Of Ourselves“.

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Sie singt Duette mit Steve Earle und Emmylou Harris, veröffentlicht mit „Lifeline“ ein Album mit Gospelsongs, nimmt an einem Tribute-Projekt für Merle Haggard teil und spielt einen Song für den Soundtrack von „True Grit“ der Coen-Brüder ein. 2012 erscheint dann ihr Album „Sing The Delta“, das erste seit 1996, das ausschließlich eigenes Material enthält. 2016 singt sie erneut zwei Duette mit John Prine.

Ansingen gegen die Traumata dieser Welt

Dieses Jahr war auch der Ausgangspunkt für Workin‘ On A World, ihr siebtes Album. Die Sorgen, die DeMent nach den Wahlen 2016 beschäftigten: Wie können wir das überleben? „Jeden Tag kamen neue Traumata zu den alten hinzu, die sich immer wieder wiederholten, und wie alle anderen versuchte ich nur, das alles auszuhalten“, erinnert sie sich. In einer Welt der Gewalt, des Rassismus, der Klimakatastrophe, der Bigotterie, der Frauenfeindlichkeit, der Verschwörungsideologien, der sozialen Ungleichheit, den politischen Lügen und Fake News erinnerte sie sich wieder an das Rezept ihrer Mutter: „Meine Mutter hatte immer einen Weg, den Song zu finden, der sich in jeder Situation, der wir gegenüberstanden, als gewachsen erweisen würde. Mein ganzes Leben lang haben mir Lieder geholfen. Lieder zu schreiben, Lieder zu singen, sie auf Schallplatten zu bringen, war für mich eine Möglichkeit, anderen diese Hand zu reichen.“

Und so ist dieses neue Album ein deutliches Zeichen des Engagements gegen die verheerenden Zustände in dieser Welt. Geleitet von der Weisheit des Titeltracks „Workin‘ On A World“: Die Einsicht, dass gesellschaftliches Engagement nie folgenlos ist, und so mancher für Veränderungen eingetreten ist, die er selber nicht mehr erleben konnte. „Jetzt arbeite ich an einer Welt, die ich vielleicht nie sehen werde. Verbünde mich mit den Kriegern der Liebe. Die vor dir kamen und dir und mir folgen werden“, heißt es im Song.

Beeindruckend offen und politisch konkret ist die lange Country-Ballade „Goin‘ Down To Sing In Texas“. Hier klagt sie den US-Waffenfetischismus an und dankt den „Chicks“ als Frauen gegen das Establishment aufgestanden zu sein. Und sie würdigt Musiker und Freigeister wie Willie Nelson und Merle Haggard, die sich nicht verbiegen ließen. Im Weiteren erhebt sie die Stimme gegen die Kirchen des Geldes, für die religiöse Toleranz gegenüber Moslems, gegen Kriegsverbrecher wie den Präsidenten der über Massenvernichtungswaffen gelogen hat, für die starken Frauen der „Squad“, den vier People of Color, die für die Demokraten im Repräsentantenhaus sind und eine informelle Gruppe bilden, gegen gierige Superreiche wie Jeff Bezos und gegen rassistische Polizeigewalt. Mit diesen klaren Aussagen über einer fröhlichen Melodie ist ihr vielleicht der beste zeitgenössische Protestsong gelungen. Klassikerpotential!

Überzeugt von der Versöhnung

Doch Iris DeMent ist alles andere als ein Racheengel. Sie ist gottesgläubig und zutiefst überzeugt von der Idee der Versöhnung. In „Say A Good Word“ ist es ihr wichtig auch Menschen mit unterschiedlichen Positionen die Hand zu reichen. Politisch eine klare Agenda zu haben, aber menschlich Grenzen und Lager überwinden zu wollen, ist in Zeiten, in denen politische Debatten in den „sozialen Medien“ allzu schnell in Rufmord und Hexenjagd abgleiten, eine wohltuende Haltung.

Überhaupt ist diese Platte immer auch beides: Wütend und sanft, kritisch und zärtlich, anklagend und hoffnungsvoll. „Warriors Of Love“, so der Songtitel, nennt Iris die Menschen, die sich für eine bessere Welt einsetzen und ihr eigenes Schicksal dabei oftmals ausblenden. Sie nennt im Song namentlich den US-Bürgerrechtler John Lewis, der 1965 sein Leben auf der Pettus Bridge in Selma riskierte, und Rachel Corrie, die vor gut 20 Jahren ihr Leben verlor, als sie sich an Protestaktionen beteiligte, die sich gegen Hauszerstörungen in palästinensischen Gebieten durch das israelische Militär richteten.

Auf dieser Platte gibt es keine Lückenfüller, jeder Song besteht auch als starker Monolith. Ob „Let Me Be Your Jesus“, in dem sie die perfiden Mechanismen der evangelikalen Manipulatoren anklagt oder „Mahalia“, ihre Ode an die US-amerikanische Gospelsängerin und Bürgerrechts-Ikone Mahalia Jackson. DeMents eindringlichste, faszinierendste Gesangsleistung auf diesem Album ist jedoch „Nothin‘ For The Dead“, das wie ein uraltes Lied aus Bürgerkriegszeiten klingt.

Meisterwerk des Americana

Es ist ein beeindruckendes Album, dessen 13 Songs bis auf zwei Ausnahmen von ihr geschrieben wurden. Ein paar davon in Partnerschaft mit ihrem Mann Greg Brown und dessen Tochter Pieta Brown. Musikalisch wurde sie u.a. von Bass-Legende Chris Donohue (Emmylou Harris, Steve Earle, Indigo Girls), und Richard Bennett an der Gitarre unterstützt. Bei „Walkin Daddy“ ist als Special Guest Marty Stuart an der Mandoline dabei. Auch einer, der stets versucht, Lager und Grenzen zu überwinden. Zusammen mit ihren Mitstreitern überzeugt Iris DeMent auch musikalisch mit viel Country-, Blues- und Soultönen. Dass ihr kraftvoller, expressiver Gesang ein faszinierendes Markenzeichen dieser Künstlerin ist, muss eigentlich gar nicht mehr gesagt werden.

Dabei können wir uns wirklich glücklich schätzen, dass es dieses Album überhaupt gibt. Denn durch die Pandemie ins Stocken geraten, dauerte es sechs Jahre, bis die Platte mit der Hilfe von drei Freunden und Co-Produzenten fertig war: Richard Bennett, Pieta Brown und Jim Rooney. Es war Greg Browns Tochter Pieta, selber eine beachtenswerte Singer-Songwriterin, die entscheidend dafür sorgte, dass diese Platte entstand. „Pieta fragte mich, was aus den Aufnahmen geworden sei, die ich 2019 und 2020 mit Jim und Richard gemacht hatte. Ich sagte ihr, dass ich es ziemlich aufgegeben hatte, eine Platte zu machen. Sie fragte, ob es mir etwas ausmachen würde, wenn sie zuhören würde. Also schickte ich ihr alles, was wir gemacht hatten, und nicht lange danach bekam ich eine SMS voller Ausrufezeichen: ‚Du hast eine Platte und sie heißt Workin‘ On A World!’“ Mit Bennett ging es zurück ins Studio, Brown und DeMent spielten weitere Songs ein und gaben dem Longplayer im April 2022 in Nashville den letzten Schliff.

Fazit: Ein großes Album, auf dem Iris DeMent ihr ganzes Können zeigt. Es berührt, es verstört, es regt zum Nachdenken an und ist ein Plädoyer dafür, die Verhältnisse zu ändern. Und es ist vor allem wirklich richtig gute Musik, eine rundum perfekte Sammlung fantastischer Songs. Ein Americana-Meisterwerk!

Iris DeMent – Workin‘ On A World: Das 2023er Album

Iris DeMent - Workin‘ On A World

Titel: Workin‘ On A World
Künstlerin: Iris DeMent
Veröffentlichungstermin: 24. Februar 2023
Label: Flariella (H‘art)
Formate: CD & Digital
Tracks: 13
Genre: Country, Americana

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Trackliste: (Workin‘ On A World)

01. Workin’ On A World
02. Goin’ Down To Sing in Texas
03. Say a Good Word
04. The Sacred Now
05. I Won’t Ask You Why
06. Warriors Of Love
07. Let Me Be Your Jesus
08. The Cherry Orchard
09. Nothin’ For The Dead
10. Mahalia
11. How Long
12. Walkin’ Daddy
13. Waycross, Georgia

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Über Thomas Waldherr (804 Artikel)
Redakteur. Fachgebiet: Bob Dylan, Country & Folk, Americana. Rezensionen, Specials.
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