Amber Digby: Here Come The Teardrops
Toll, es gibt sie noch. Countrysängerinnen, die man an ihrer Stimme und an einem bestimmten Sound erkennt. Die nicht in ein Einheitsschema gepresst werden. Ich gebe es zu, bei vielen der neuen Interpreten – egal ob männlich oder weiblich – mache ich mir nicht mehr die Mühe, mir die Namen zu merken. Unterscheiden kann man viele von ihnen ohnehin nicht mehr. Und meist sind sie genauso schnell wieder vergessen wie sie ins Rennen geschickt werden.
Auf diese Weise wurden bereits zu viele Talente verheizt – andere erhielten gar nicht erst eine Chance. Vor allem die großen Firmen produzieren auf Teufel komm raus, was gerade angesagt ist und aufgrund von Marktanalysen bessere Verkaufschancen haben soll. Besonders ins Auge gefasst sind dabei die jungen und ganz jungen potentiellen Käufer.
Doch abseits vom heißen Kampf um die kommerziellen Pfründe entwickeln sich interessante Alternativen. Insbesondere außerhalb Nashvilles. Wie in Texas. Das Indie Label Heart of Texas Records veröffentlicht seit einigen Jahren unter der ebenso fachkundigen wie cleveren Leitung von Tracy Pitcox herzerfrischende traditionelle Country Music. Vorwiegend von gestandenen Künstlern, die im großen Country-Business ihre Erfolge hatten und irgendwann nicht mehr ins dortige Konzept passten.Aber es ist zumindest ein neues, unverbrauchtes Talent darunter: Amber Digby. Gerade mal Mitte 20 hat sie bereits zwei Alben auf dem Label veröffentlicht.
Ausgestattet mit einer klaren, kräftigen Stimme singt sie klassische Country Songs im Stil und Sound der 1960er und 1970er Jahre. Ein wenig erinnert sie mich an Connie Smith und am eindrucksvollsten kommt sie bei Balladen rüber. Bei den flotteren Songs würde ein wenig mehr Druck nicht schaden. An den beiden Alben ist sehr schön zu erkennen, dass die junge Sängerin einen stimmlichen Reifeprozess durchmacht, sie ist auf dem besten Wege, sich zu einer Persönlichkeit zu entwickeln.
Für Amber Digby ist das fast schon eine Verpflichtung, denn wer aus einem solch fruchtbaren musikalischen Umfeld kommt, der kann eigentlich nichts anderes machen als Musik. Ihr Vater war rund 20 Jahre Bassist bei Loretta Lynn, ihre Mutter Dee war 7 Jahre Backgroundsängerin in der Grand Ole Opry. Ihr Stiefvater ist der renommierte Steel Guitarist Dicky Overby (der auch bei nahezu allen Produktionen des Labels mitspielt). Country-Ikone Darrell McCall schließlich ist ihr Onkel. Da wundert es nicht, dass Amber Digby Lieder singt, die man von Loretta Lynn und Connie Smith kennt – aber sie interpretiert nicht nur die Klassiker, auf ihrem aktuellen Album darf man sich davon überzeugen.
Fazit: Neben der prägnanten Stimme der Sängerin fällt besonders das grandiose Zusammenspiel von Steel Guitar (Dicky Overby) und Fiddle (Bobby Flores) ins Ohr, welches für mich sehr erfreulich ist. Wunderbar, dass es junge Künstler gibt, die noch traditionelle Country Music mit Shuffle und Honky Tonk singen möchten und dürfen. Es ist zu hoffen und wünschen dass Amber Digby ihren Weg gehen können wird.
Trackliste:
01. Hinges On The Door |