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Zum 100. Geburtstag von Woody Guthrie

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„This Land Is Your Land, Little Darling Pal Of Mine!“ – Eine Ikone zwischen Folk und Country. Er ist Folk-Urvater, Hobo-Legende und eine Ikone des „anderen“ Amerika: Woodrow Wilson Guthrie, genannt Woody, wurde am 14. Juli 1912 in Okemah, Oklahoma geboren und starb am 3. Oktober 1967 in New York.

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Country.de-Redakteur Thomas Waldherr geht dem auf die Spur, was dazwischen lag, versucht die popkulturelle Bedeutung des politischen Folksängers Guthries zu verdeutlichen und zeigt auf, dass Woody nicht nur wegen seines Cousins Jack Guthrie eine nachhaltige Beziehung zur Countrymusik hatte und dass er stets sich auf die Wurzeln der amerikanischen Volksmusik stützte.

Woody wird Hundert

Denkt man an Woody Guthrie, dann ruft die Vorstellung Bilder von Sandstürmen, Güterzügen, von mit Musik begleiteten Arbeitskämpfen, vom Spruch „This Machine kills fascists“ auf seiner Gitarre und dem Besuch Bob Dylans an seinem Krankenbett ab. Damals als Guthrie in seinen letzten Jahren schon an Chorea Huntingdon litt.

Woody Guthrie

In diesem Jahr seines 100. Geburtstages ist die Art und Weise, wer und wie man ihm gedenkt über- und vorausschaubar. Es sind die kritischen Geister, die Musikwissenschaftler, die gewerkschaftlich orientierten Künstler, die ihm mit Symposien, Konzerten und Retrospektiven ehren.

Für den Mainstream scheint Guthrie kein Thema. Dabei war genau das seine Stärke. Woody verkehrte nicht in Hörsäälen und Diskussionszirkeln, sondern auf der Straße. Er wusste, was das Volk hören wollte. Und so „plünderte“ er – wie sonst nur noch einige Jahre später sein Apologet Bob Dylan – das traditionelle amerikanische Liedgut für seine Zwecke. Und die waren politisch.

Der politische Folk und die „kommerzielle“ Countrymusik hatten dieselben Wurzeln und erfuhren ihren Aufstieg zur selben Zeit. Damals, als die Arbeiter und Landarbeiter, die Pflanzer und Tagelöhner plötzlich als Produzenten und Konsumenten ebenso verkaufbarer wie wissenschaftlich erforschbarer Musik interessant wurden. Damals in den 1930er und 1940er Jahren in den USA. In den Zeiten des Roosevelt’schen New Deal. Als die amerikanische Linke einen bis heute nicht mehr erreichten Einfluss auf den gesellschaftlichen US-Mainstream hatte. Das waren die Rahmenbedingungen für den Aufstieg des Woody Guthrie.

Schrecknisse in Kindheit und Jugend

Woodys Familie in Okemah (Oklahoma) war alles andere als unvermögend. Woodys Vater war Landspekulant und Lokalpolitiker. So wuchs Woody in Wohlstand auf dem Land auf. Doch für den heranwachsenden Woody sollte die Idylle nicht lange anhalten. Katastrophen bestimmten seine Jugend. Seine Lieblingsschwester Carla erlag schweren Brandverletzungen, Vater Guthrie verlor seinen Besitz wegen skrupelloser Ölspekulanten und seine Gesundheit, weil ihn seine geistig kranke Frau Nora mit Kerosin angezündet hatte. Sie wurde in die Klinik eingewiesen, er in die Pflege. Woody ist 17 Jahre alt, als er zu seinem Vater nach Pampa, Texas, zieht.

Die Wanderjahre

Doch es hält ihn nicht lange dort. Er geht nach Kalifornien, zieht durch die Lande. Er ist Schildermaler und macht dies und das – vor allem aber singt er. Auf der Straße, in Bars und Kneipen und immer wieder auch für die auf der Straße lebenden, die aus der Dust Bowl entflohen sind, und nur die kärglichen Reste ihrer Habe besitzen. Die 1930er Jahre stehen in den USA unter den Zeichen der wirtschaftlichen Depression und ökologischen Katastrophen wie große Sandstürme und Dürreperioden. Und Woody singt für die Opfer dieser Umstände und ist daher immer wieder „on the road“. Zwar heiratet er 1933 Mary Jennings, die Schwester seines Freundes Matt Jennings, mit dem er zusammen in seiner ersten Band spielt, und hat mit ihr drei Kinder. Doch das hält ihn nicht davon ab, immer wieder aufzubrechen und durch die Lande zu ziehen. Diese Ehe sollte dann auch 1941 geschieden werden.

Mit Cowboysongs fängt alles an: Woody und Jack

1937 findet Woody beim Radiosender KFVD in Hollywood eine Anstellung. Gemeinsam mit seinem Cousin Jack singt er in der „Oke & Woody-Show“ Cowboy Songs, hat also keine Berührungsängste zur Countrymusik. Woody weiß, wie viele diese Musik den einfachen Leuten bedeutet. Cousin Jack tritt jedoch bald wieder aus der Sendung aus, um sich ganz auf seine Musikerkarriere zu konzentrieren. Mit der von ihm bearbeiteten Fassung von Woodys „Oklahoma Hills“ hat er dann 1945 einen veritablen Hit, dem 1947 mit „Oakie Boogie“ ein weiterer folgt. Leider stirbt er, kaum dass er endlich einen Karrierehöhepunkt erklommen hat, bereits 1948 im Alter von nur 32 Jahren an Tuberkolose.

Mit der neuen Partnerin Maxine Chrissman setzt Woody die Sendung unter dem neuen Namen „Die Woody and Lefty Lou-Show“ fort. Sie wird sozialkritischer und findet besonders bei den zahlreichen aus dem Great Plains von den Sandstürmen nach Kalifornien Vertriebenen großen Anklang.

Mit den „Dust Bowl Ballads“ findet er seine Bestimmung

1940 kommt Woody nach New York. Nachdem er mit dem Musikforscher Alan Lomax Songs für das Archiv der Library of Congress aufgenommen hatte, spielt er bei RCA Victor seine während der Zeit in Kalifornien entstandenen „Dust Bowl Ballads“ ein. Lomax hatte ihn RCA empfohlen, die zeitgenössische Folk-Künstler suchten. Innerhalb eines Tages spielte er die Songs ein. Im Folgejahr entstehen 27 Songs aufgrund seiner Tätigkeit für dieBonneville Power Administration, die im staatlichen Auftrag den Columbia River an mehreren Stellen stauen lässt, um Strom für die ländlichen Gegenden und breite Bevölkerungsteile zu erzeugen. Woody reist an die Baustellen und besingt mit dem „Grand Coulee Dam“ ein Vorzeigeprojekt des New Deal.

In New York hatte er sich mittlerweile der Folk-Szene angeschlossen, wurde ein Freund von Pete Seeger und stieg bei den Almanac Singers ein. Mit Leadbelly, Cisco Houston, Sonny Terry und Brownie McGhee sowie Seeger entsteht ein fester Folkfreundeskreis. Woodysteht politisch den Kommunisten nahe, ist aber kein ordentliches Mitglied der Partei. 1943 wird er in den Kriegsdienst eingezogen und dient bei der Marine. In seinen Heimaturlauben spielt er Platten für Moses Aschs Folkways Label ein.

1945 wird dann sein größter und erfolgreichster Song, „This Land Is Your Land, This Land Is My Land“, den er bereits 1940 und 1944 aufgenommen hatte, veröffentlicht. Obwohl als Gegenentwurf zu Irving Berlins „God Bless America“ entstanden und oftmals auch als Hymne des „anderen Amerika“ bezeichnet ist der Song in den letzten Jahrzehnten so sehr Mainstream geworden, dass selbst konservative Politiker wie George W. Bush den Song des Kommunisten Woody Guthrie gerne für ihre Zwecke nutzen.

Die letzten Jahre

Ende der 40er Jahre beginnt Chorea Huntingdon Woody immer mehr einzuschränken. Er kann kaum noch arbeiten, seine letzten Aufnahmen aus dem Jahr 1952 werden aus Rücksichtnahme nicht veröffentlicht. Ein jahrelanger Leidensweg durch Sanatorien und Hospitale beginnt. Unterdessen hatte Woody mit Majorie Mazia 1945 eine zweite Ehe eingegangen, aus ihr stammen die Kinder Arlo und Nora. Majorie teilte seine politischen Ansichten. Arlo wurde mit Alice’s Restaurant ebenfalls ein bekannter Folkmusiker und Nora kümmert sich heute um den Nachlass Woodys. Woody heiratete bereits schwer erkrankt 1953 ein drittes Mal: Anneke Marshall heißt seine letzte Frau. Ihr gemeinsames Kind Lorina Lynn kommt zu Pflegeeltern und stirbt bei einem Autounfall.

Während Woody dahinsiecht, kommt es Ende der 50er/ Anfang der 60er Jahre zu einem großen Folkrevival und New York ist wie schon in den 30ern und frühen 40ern das Zentrum der neuen Folkies. Also schnappt sich Anfang 1961 auch ein junger Mann namens Robert Zimmerman, der als Bob Dylan weltberühmt werden sollte, seine Gitarre und trampt zum Big Apple. Einer seiner ersten Wege führt ihn zum Krankenlager seines großen Vorbildes Woody Guthrie. Er spielt ihm einige Songs vor und Woody ist sehr angetan von dem Nachwuchskünstler. Bob schreibt voller Bewunderung und Respekt den „Song To Woody“ und das Gedicht „Last Thoughts On Woody Guthrie“.

1967 endet dann Woodys Leidensweg. Der Tod erlöst ihn. Doch vergessen wird man ihn nie, den Jungen aus Oklahoma, der den amerikanischen Folksong revolutionierte und der Vater des politischen Protestsongs wurde.

Woody Guthries popkulturelle Bedeutung

Woody ist und bleibt der Übervater des politischen Folk. Direkt beeinflusste er Musiker wie Pete Seeger, Ramblin‘ Jack Elliot, Bob Dylan und Phil Ochs. Und heutzutage berufen sich Künstler wie Billy Bragg, Wilco, Jay Farrar und Will Johnson auf ihn. Jüngst machte Tom Morello (ehemals „Audioslave“ und Rage against the machine“) auf sich aufmerksam, als er Guthrie Songs vor Occupy-Demonstranten in New York spielte. Woody wird immer dann wieder entdeckt, wenn politische Bewegungen einen musikalischen Ausdruck suchen. Mögen auch Bob Dylan, Joan Baez und Pete Seeger universellere – Guthrie hatte nur die Zeit des New Deal zur aktiven künstlerischen Betätigung zur Verfügung – und kommerziell erfolgreichere Protestsongs geschrieben haben, Woody ist bleibt der Archetypus des politischen Protestsängers ebenso wie des Hobos, des über die Lande fahrenden „Unruhestifters“. Woody Guthrie ist eine große amerikanische Persönlichkeit. Teile seines Werkes werden zwar durchaus auch von konservativen Kreisen in den USA gerne patriotisch vereinnahmt, eine große amerikanische Ehrung bleibt ihm aber noch immer versagt. Darüber mehr im letzten Abschnitt unserer Geschichte.

Woody Guthrie und die Countrymusik

Woody Guthrie war ein Folkmusiker, der sich deshalb natürlich immer an den Schnittstellen zur Countrymusik aufhielt. Er nutzte die Volksmusik, die Old Time Musik und überlieferten Balladen für eigene Zwecke. So wie das fahrende Troubadoure, Folkmusiker und Volkssänger immer schon gemacht haben. Von Walther von der Vogelweide über Carl Michael Bellman bis zu Pete Seeger und Bob Dylan. Woodys Zwecke waren oftmals politisch. Sein berühmtestes Lied „This Land Is Your Land“ basiert eindeutig auf der Melodie des Gospels „Oh, My Loving Brother“, den die Carter Family als „When the World’s On Fire”. aufgenommen hat und dessen Melodie sie dann auch für den Song „Little Darlin‘, Pal of Mine nutzten. Und die ersten Songs, die Woody im Studio in ein Mikrofon gesungen hat, waren Cowboylieder für den Sender KFVD. Er begab sich ins kulturelle Umfeld eines Jimmie Rogers oder der Carter Family. Und wie damals üblich sprach und sang er auch kommerzielle Werbebotschaften.

Auch als er schon linker Aktivist und Hobo-Agitator war, schrieb er Songs, die bald Standards der Countrymusik werden sollten: „Oklahoma Hills“, das zum Hit für Jack Guthrie und Hank Thompson wurde oder „Philadelphia Lawyer“, das von Rose Maddox, Willie Nelson und Merle Haggard gecovert wurde. Und „This Land Is Your Land“ wurde zur patriotischen Hymne, die sogar vom Hillbilly-Gentleman Tennessee Ernie Ford im Fernsehen gesungen wurde.

Aber Woody grenzte sich später auch eindeutig von der kommerziellen Countrymusik ab. In seiner Autobiographie „Bound For Glory“ gibt es die hübsche Szene, als er für den Rainbow Room im Rockefeller Center vorspielt und er sich gegenüber dem Management weigert, sich entweder als „Sumpfbewohner Lousianas oder als „Weißclown“ zu verkleiden. Die mitunter überzeichnete Bühnenkleidung für die Darbietung dieser ländlichen Musik war sein Ding nicht.

Neben seiner linken Gesinnung haben ihm die Bosse in Nashville vielleicht solche Abgrenzungen nicht verziehen. Bis heute ist er trotz seines ernormen Einflusses auf die Countrymusik nicht in die „Country Music Hall Of Fame“ berufen worden. Im Jahr 2003 wurde eine ganze „Woody Guthrie-Woche“ in Nashville gestaltet. Und obwohl sich Marty Stuart, Spiritus Rector der Countryszene und langjähriger Vorsitzender der „Country Music Foundation“ vehement für seine Aufnahme aussprach – „Woody Guthrie gehört in die Country Music Hall Of Fame. Dieser Typ hat „This Land Is Your Land“ und „Pretty Boy Floyd“ geschrieben und wenn das nicht zwei verdammt gute Countrysongs sind, dann weiß ich auch nicht“ – trotzdem ließ sich das Auswahlgremium nicht erweichen. Ob sich jetzt zum 100. Geburtstag daran etwas ändert, dafür gibt es bis jetzt keinen Anhaltspunkt.

Das wäre schon ein versöhnliches Zeichen großer Wertschätzung, aber wir wissen ja: Was sind schon Preise und Auszeichnungen gegenüber der wirklichen Bedeutung eines Künstlers. Dylan ist auch ohne Literatur-Nobelpreis der bedeutendste und einflussreichste Songschreiber und Rockpoet unserer Zeit. Und sein Vorbild Woody Guthrie, dessen 100. Geburtstag wir in diesem Jahr feiern, für immer eine amerikanische Ikone. Happy Birthday, Woody!

Veranstaltungen zu Ehren Guthries

In diesem Jahr gibt es eine ganze Reihe Veranstaltungen zu Ehren Guthries. Ein großes Ereignis fand bereits am 14. April statt: Das „Woody Guthrie Centennial Concert“ in Los Angeles mit Ramblin‘ Jack Elliott, Kris Kristofferson, Jackson Browne, David Crosby & Graham Nash, Tom Morello, Van Dyke Parks und vielen anderen. Im Juli werden dann noch mal Arlo Guthrie und Family in New York City musikalisch gedenken. Tribute-Veranstaltungen in Deutschland gibt es u.a. in Potsdam, Rudolstadt, Münster und Bad Honnef. Eine Veranstaltungsübersicht findet sich hier: www.woody100.de

Compilation

Es gibt unzählige Zusammenstellungen von Woodys Songs. Das beste Preis-Leistungs-Verhältnis bietet vielleicht die 5-CD-Box „Anthology-Definitve Gold – Woody Guthrie“. Vier Stunden Musik und eine Songauswahl, die alle wichtigen Werke und auch einige Raritäten enthält.

Anthology: Definitve Gold

Titel: Anthology: Definitve Gold
Künstler: Woody Guthrie
Veröffentlichungstermin: 15. Oktober 2006
Label: Deja Vu (H’art)
Format: CD-Box

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Info: 85 Songs, inkl. Raritäten – die 5er CD-Box!

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Über Thomas Waldherr (838 Artikel)
Redakteur. Fachgebiet: Bob Dylan, Country & Folk, Americana. Rezensionen, Specials.
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