Karine Polwart: Traces
„Für mich ist es ein Album voller Liebeslieder“, sagt Karine Polwart, „keine romantischen Songs aber Songs, die all den anderen Arten von Liebe zur Ehre gereichen, den Sehnsüchten und den Nackenschlägen, die unser aller Leben prägen.“
Nicht von ungefähr trägt das neue Werk den Titel Traces (Spuren), denn auf Spurensuche hat sich die schottische Sängerin mit ihrem fünften Studioalbum begeben. Karine Polwart gehört zu den besten Vertreterinnen der modernen britischen Folk Music. Zunächst studierte sie und wurde Lehrerin, Hauptfach Philosophie. Nachdem sie in diversen Bands mitwirkte, machte sie sich schließlich selbständig und ist seither als Solistin unterwegs. Sie gehört zu den gefeierten Stars der britischen Folk Szene und gastiert regelmäßig auch bei Events in Kanada und USA. Stilistisch ist sie zu vergleichen mit Gillian Welch, Iris Dement oder Judy Collins.
Karine Polwart schreibt die Songs für ein Album in der Regel selbst. „Traces“ bildet keine Ausnahme. Das Album enthält ausschließlich Balladen, ihm fehlt dadurch ein wenig an Abwechslung . Neben der klaren, ausdrucksstarken Stimme wirken die Songinhalte am nachhaltigsten auf den Hörer. Beim Schreiben hat ihr das Philosophie-Studium ganz sicher nicht geschadet. Sie präsentiert Geschichten, in denen Lebenswünsche ebenso eine Rolle spielen wie schmerzliche Erfahrungen und Ängste. „Cover Your Eyes“ kann man sogar als Protestsong bezeichnen. Es geht um Werte, die entwertet werden. Mit „King Of Birds“ greift sie ein geschichtliches Thema auf, Charles Darwin steht im Mittelpunkt von „We’re All Leaving“ während es in „Tinsel Show“ um eine Erdölraffinerie geht.
Doch Karine Polwart wird auch sehr persönlich und gibt damit Einblicke in ihr Seelenleben. In „Salter’s Road“ besingt sie Molly Kristensen, eine nette, alte Dame aus ihrer Nachbarschaft. Den plötzlichen Tod ihres Cousins Ewan verarbeitet sie in „Strange News“. Mit dem, wie sie sagt, schwierigsten Song entlässt sie den Hörer, der dabei sehr nachdenklich bleibt und sich nicht gleich von der Thematik wird lösen können. „Half A Mile“ greift das Schicksal des Schulmädchens Susan Maxwell auf, das vor 30 Jahren missbraucht und ermordet wurde. Polwart dazu: „Ich erinnere mich sehr deutlich an Susan’s Schicksal, sie war gleichaltrig mit mir und wohnte in der gleichen Gegend. Ich bin dauernd vom Sportunterricht zu Fuß nach Hause gegangen. Sie wurde überfallen als sie das erste Mal von Tennis nach Hause ging. Ich kenne die Straße, auf der es geschah. Für die Eltern ist das ein furchtbarer Alptraum. Ich wollte Susan mit dem Lied einfach in Erinnerung halten.“ Polwart wechselt in „Half A Mile“ die Perspektive des Kindes und der Eltern , was dem Song besonderen Tiefgang verleiht.
Wie bei einem Folk Album üblich wird die Instrumentierung so knapp wie möglich aber auch exotisch gehalten: Gitarre, Percussion, Akkordeon, Keyboards, Piano, Flöte, Marimba, Vibraphon. Jeweils da eingesetzt, wo es angebracht und wirkungsvoll ist.
Fazit: Folk Music, die hohen Ansprüchen genügt. Eine Sängerin, die etwas zu sagen hat. Inhaltlich ausgesprochen starke Songs, musikalisch allerdings mitunter ein wenig eintönig.
Trackliste:
01. Cover Your Eyes |