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Ricky Nelson: Das Teenage-Idol und die Country Music

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Die Bilder liefen auch im deutschen Fernsehen in den Nachrichten-Sendungen rauf und runter. Bei mir wurden unwillkürlich Erinnerungen wach an Hank Williams. Der war mehr als 30 Jahre zuvor auch auf dem Weg zu einem Neujahrs-Gig gestorben. Am 31. Dezember 1985 war Ricky Nelson tödlich verunglückt.

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Beim Absturz einer Douglas DC-3 in der Nähe von de Kalb, Texas unweit von Texarkana fanden insgesamt sieben Menschen den Tod. Neben Ricky Nelson starben seine Verlobte Helen Blair sowie die Musiker Bobby Beal, Patrick Woodward, Rick Intveld, Andy Chapin und der Techniker Chuck Russell.

Nelson und seine Stone Canyon Band hatten in Alabama drei Shows im Club eines ehemaligen Bandmitgliedes gespielt. Für Silvester stand ein Auftritt im Park Suite Hotel von Dallas an, ein Abend, der vom Sender KLUV-FM übertragen wurde. Was über den Äther kam, war bemerkenswert. Man spürte die Betroffenheit deutlich, vor allem bei DJ Hubcap Carter. Die Show fand statt, ohne den Star, es wurde eine Tribute Show. KLUV brachte unterdessen immer wieder Nachrichten zum Unglück und spielte Titel von Ricky Nelson. Die Musik-Welt hatte einen der ungewöhnlichsten Stars verloren. Seine Karriere passte in keines der bekannten Schemata. Manches aus seinem Leben wurde erst nach seinem Tod scheibchenweise bekannt. Wie es hinter der Fassade des strahlenden „Teenage Idols“ aussah, konnte man zu seinen Lebzeiten weitgehend im Verborgenen halten. Für sein Leben und seine Karriere kann durchaus die altbekannte Weisheit gelten, wonach nicht alles Gold ist was glänzt.

„Teenage Idol“, der Titel eines seiner größten Hits, kann man auch als Headline für einen großen Teil seiner Karriere setzen. Der gut aussehende Künstler war Liebling der Teenager nicht nur in seiner Heimat sondern auch in Europa, Australien und Japan. Aber er war auch eine tragische Figur.

Erwachsen geworden in aller Öffentlichkeit in der TV-Serie „The Adventures of Ozzie and Harriet“. Diese Familienserie lief von 1952 bis 1966 im amerikanischen Fernsehen. Hauptakteure neben Ricky Nelson sein Bruder David und die Eltern Ozzie und Harriet. Eine normale Kindheit war damit kein Thema. Dazu der allgegenwärtige und dominante Vater, der praktisch alles bestimmte. Die Söhne David und Rick gewöhnten sich daran, lernten aber irgendwann die Schattenseiten kennen. Nahezu sämtliche wichtigen Entscheidungen wurden ihnen abgenommen, lernen, auf eigenen Beinen zu stehen, selbständig zu werden, Verantwortung zu übernehmen, konnten sie so nicht. Übereinstimmend sagen Menschen, die länger mit Ricky Nelson zu tun hatten, er habe nie gelernt, um etwas zu kämpfen. Wenn er etwas brauchte oder haben wollte, Daddy hat es ermöglicht. Nelson selbst sagte einmal: „Ich habe mich lange schwer getan, einen Scheck auszufüllen. Wenn ich Geld brauchte, habe ich es von den Eltern bekommen, egal wofür.“

Auch im Laufe seiner Karriere gab es immer wieder Menschen, die bestimmt haben, was Nelson zu tun hatte. Ob als Schauspieler oder als Musiker. Insbesondere als Musiker hat er immer nach der eigenen Identität gesucht. Wenn er glaubte, sie gefunden zu haben, redete man ihm dies aus oder verbot es gar. Wenn es nicht der eigene Vater tat, dann ein Manager, Produzent oder die Plattenfirma.

Es hat im Laufe der Karriere aber durchaus Versuche gegeben, auszubrechen und zu rebellieren. Sowohl sein Bruder David als auch Ricky Nelson selbst sind dabei zumindest teilweise gescheitert. So zerfiel die TV-Bilderbuchfamilie am Ende in drei Lager. Das der Eltern, das des David Nelson und das des Ricky Nelson, der in der Musik die Möglichkeit sah, selbständig zu werden und einen eigenen Weg zu gehen. Dass dies nicht zum Erfolg führte, lag daran, dass er gegen die Übermacht nicht ankam. Im Gegenteil, Ozzie Nelson nutzte die Situation gnadenlos aus, um aus seinem Sohn den Star zu machen, den er brauchte, der sich optimal vermarkten ließ. So bekam Ricky Nelson nie das Image eines Rebellen sondern behielt eher das des angepassten Saubermannes. Es ist ungemein interessant, die Karriere des Ricky Nelson unter diesen Gesichtspunkten zu beleuchten.

Eric Hilliard Nelson wurde am 8. Mai 1940 in Teanack, New Jersey geboren. Vater Ozzie leitete eine Big Band und Mutter Harriet arbeitete als Sängerin in der Big Band. Damit war der Weg für Ricky Nelson und seinen 4 Jahre älteren Bruder David ins Music Business schon vorgezeichnet. Kurz nach seiner Geburt siedelten die Nelson um nach Los Angeles, Ricky Nelson blieb zunächst bei den Großeltern und kam 1942 nach. Von früher Kindheit an litt er unter Asthma, er war ein schmächtiges, unsicheres, in sich gekehrtes Kind, liebenswert aber auch unergründlich. Die Nelsons gehörten der Show von Red Skelton an. Als der 1944 zum Wehrdienst einberufen wurde, schuf man für die Nelsons die Radio Sitcom „The Adventures of Ozzie and Harriet“, die Anfang Oktober 1944 auf Sendung ging. Ozzie Nelson schrieb Drehbücher über die Familie, in deren Mittelpunkt er die beiden Söhne stellte. Deren Rollen übernahmen anfangs noch Schauspieler, ehe David (12) und Ricky (8) im Februar 1949 selbst in Aktion traten. 1952 feierte die Sitcom Premiere im Fernsehen, wo sie bis September 1966 gelaufen ist.

Das Rezept war relativ simpel, man zeigte in den Episoden im Grunde genommen das Leben der Familie Nelson, wobei Ozzie alles an Ereignissen und Entwicklungen einbaute, was die Nelsons tatsächlich erlebten und was gleichzeitig ins Konzept passte. Dass es in einer Musiker-Familie immer wieder auch um Musik geht, versteht sich von selbst. Ricky Nelson lernte früh, einige Instrumente spielen und sang zu seinem privaten Vergnügen. Dass aus ihm einmal ein Gesangsstr werden würde, lag außerhalb der Realität. Ein guter Sänger wurde er auch nie, alle, die mit ihm im Studio arbeiteten, sagen übereinstimmend, das sei richtig Arbeit gewesen. An der sie manchmal beinahe verzweifelt wären. Ein begnadeter Sänger sei Ricky Nelson nie gewesen, er habe wohl im Laufe der Zeit deutlich dazu gelernt und Routine gewonnen. Gemeinsam holte man das Beste aus Nelson’s Stimmbändern heraus.

Die Musik, die den Teenager Ricky Nelson brennend interessierte, war jener neue Sound, der auf gelben Etiketten aus den SUN Studios von Memphis kam und Rockabilly genannt wurde. Wenn es eine Konstante in Nelsons Platten-Karriere gab, dann die, dass er immer wieder zum Rockabilly Sound zurückkehrte, den er in der Jugend aufgesogen hatte. Die erste Platte, die er kaufte, war „Blue Suede Shoes“ von Carl Perkins. Vor allem dessen Gitarrenspiel wollte er imitieren. Zu seiner ersten eigenen Plattenaufnahme kam er – wenn die Biografien stimmen – nicht, weil er Plattenstar werden wollte sondern um eine Freundin zu beeindrucken. Als Ozzie Nelson davon Wind bekam, schaltete er sofort und sah die Möglichkeit, richtig Kohle zu machen. Er heuerte den Gitarristen Barney Kessel an, der so etwas wie der Session-Leiter wurde. Nelson erinnerte sich später an die Session: „Das war ein enormer Unterschied, ein Wagnis. Ich hatte bis dahin nur unter der Dusche gesungen und stand jetzt in einem Aufnahmestudio. Ich hatte einen Höllen-Respekt. Der einzige Song, den ich damals wirklich konnte, war „I’m Walkin'“ von Fats Domino. Den haben wir deshalb auch aufgenommen.“

Ozzie Nelson war in manchen Dingen eine Art Visionär. Er erkannte instinktiv, welchen Einfluss das Fernsehen auf Verkaufszahlen haben konnte. Er würde wenig später auch einen Vorläufer der Video-Clips erstellen lange bevor solche in Mode kamen. „I’m Walkin'“ erschien im April 1957 auf Verve Records, wurde wenige Tage vor Veröffentlichung in der TV-Sitcom gezeigt (Nelson sang Playback) und schlug ein wie eine Bombe. Die Rückseite „A Teenager’s Romance“ schaffte auf Anhieb die Top Ten der Pop Charts. Anders als die anderen Stars des Rock’n’Roll und Rockabilly war Ricky Nelson bereits ein Star als er seine erste Platte machte. Zwar nicht als Sänger aber als Schauspieler.

Prompt ergaben sich nach dem Raketenstart als Sänger erste Probleme. Nelson war noch nie vor Publikum aufgetreten. Die angeborene Schüchternheit und Lampenfieber erwiesen sich als beinahe unüberwindlich und sollten ihn zeitlebens immer wieder plagen. Die ersten Auftritte fanden mit den Four Preps als Begleitband statt. Nelson dazu: „Da waren teilweise 20.000 Zuschauer. Ich hatte Todesangst. Ich weiß nicht, wie ich das durchgestanden habe. Ich konnte gerade einige Akkorde auf der Gitarre spielen. Es waren viele Leute wohl nur gekommen, um mich zu sehen, nicht unbedingt wegen meines Gesanges. Dazu war es im Publikum viel zu laut. Aber ich erkannte schnell, dass ich eine eigene Band brauchte, die meine Songs konnte und zwar so, wie ich es brauchte.“

Dass er als Sänger unerfahren war, schadete ihm nicht. Schon 1957 handelte Ozzie Nelson einen Vertrag bei Imperial aus, der ihm weitgehend Kontrolle ermöglichte, für damalige Verhältnisse sehr ungewöhnlich. Dort kam Ricky Nelson in die Obhut von Produzent Jimmie Haskell. Der Akkordeonspieler erinnert sich an die erste Begegnung: „Ich hatte mit einigen Gruppen schon Erfahrung gesammelt, u.a. mit den Scholars, zu denen der noch völlig unbekannte Kenny Rogers gehörte. Ricky und ich fuhren in einen Plattenladen. Das erste, was er im Auto machte, er stellte einen Country-Sender ein. Ich wusste damals nicht, dass es so etwas überhaupt gab. Ricky mochte Country Music, noch mehr aber den Rockabilly. So etwas wie Elvis und Carl Perkins wollte er machen. Mir fiel auf, dass Ricky selbst damals kaum etwas dazu äußerte, was ihm gefiel. Für die erste Session wählten wir Be Bop Baby. Woran ich mich gewöhnen musste war Ozzie. Er hatte überall das letzte Wort, wollte hier was anders, dort was ändern, alles musste perfekt sein. Und nur sein Urteil galt.“ Für die Aufnahmen zum ersten Album wurde u.a. Gitarrist, Sänger und Songschreiber Merle Travis verpflichtet. Ab November 1957 war James Burton dabei, der zum vielleicht wichtigsten Musiker Nelson’s wurde.

Nelson hatte James Burton (und James Kirkland) in der Band von Bob Luman gehört und war sofort sicher, dies würden „seine“ idealen Bandmusiker sein. Burton, damals 18, hatte schon mit 15 zur Haus-Band beim Louisiana Hayride gehört. Auf Platte kannte man ihn von „Suzie Q“, dem größten Hit von Dale Hawkins. Ricky Nelson holte Burton und Kirkland ins Studio. Burton wohnte später eine ganze Weile bei den Nelson’s im Haus.

In der ersten gemeinsamen Session „Stood Up“ und „Waitin‘ In School“ spielte Merle Travis noch die Lead Guitar, die danach Burton übernahm. Der Titel „Waitin‘ In School“ stammte von Johnny und Dorsey Burnette, zwei hartgesottenen Musikern, die auch in der Country Music keine Unbekannten blieben. Nelson nahm später etliche weitere Songs von ihnen auf.

Schon mit dem ersten Album „Ricky“ etablierte Nelson seinen eigenen Sound. Nicht so urwüchsig wie der Rockabilly von SUN sondern einen etwas glatteren Sound mit einem instinktiven Feeling für die in der Country Music verwurzelte Spielart des Rockabilly. Burton und Kirkland verliehen dem Sound durch ihr Spiel die Glaubwürdigkeit. Damit traf Ricky Nelson genau den Nerv des Publikums. Auch seine sich bald einstellenden größten Hits enthalten unüberhörbar Elemente des Rockabilly und Country, nicht von ungefähr wurden sie von Country-Interpreten übernommen. Aus späterer, insbesondere heutiger Sicht würden selbst Nelson’s Originale als „Pop-Country“ durchgehen. Dafür spricht, dass er 1958 bereits mit fünf Songs in den Country Charts auftauchte, vier davon sogar in den Top Ten.

Ricky Nelson

Zurück ins Jahr 1957. James Burton erzählt, wie es weiter ging: „Wir bekamen Heimweh. Deshalb packten James (Kirkland) und ich unsere Sachen und fuhren zurück nach Louisiana zu unseren Familien. Das Geld, das wir in Kalifornien verdient hätten, war uns in dem Moment egal. Einen Monat später rief Ozzie an und holte mich als Gitarristen für Ricky’s Band. Anfang 1958 war ich zurück. Ricky und ich haben ständig Musik gemacht. Für ihn war das eine Möglichkeit, dem Alltag, Stress und Druck der TV-Show zu entkommen.“ Burtons prägender Stil wird erstmals bei „Believe What You Say“ deutlich. Dazu verwendete er die etwas weicheren Banjo-Saiten auf seiner Gitarre.

Burton und Kirkland blieben nicht die einzigen „Country-Einflüsse“ jener Jahre. Da gab es auch noch Lorrie Collins. Gemeinsam mit ihrem jüngeren Bruder Larry waren sie als „The Collins Kids“ Anfang der 50er Jahre zu Country und Rockabilly Stars geworden. Lorrie Collins wurde zu Nelsons erster großer Liebe. Man munkelte sogar von Heirat, doch letztlich war die Beziehung aufgrund des Umfeldes, in dem sie beide sich bewegten, zum Scheitern verurteilt. Durch sie aber lernte er eine Reihe von Country-Stars persönlich kennen.

Schon im frühen Stadium seiner Gesangs-Karriere, offenbarte sich ein Problem, mit dem Nelson sich lange herumschlagen musste. Während er sich ernsthaft mit Musik befasste und sich eher als Sänger denn als Schauspieler sah, nahm nahezu sein gesamtes Umfeld diese Einstellung entweder auf die leichte Schulter oder gar nicht zur Kenntnis.

1958 erschien nicht nur sein zweites Album „Ricky Nelson“, es gilt noch heute als eines der besten authentischen Rockabilly Alben überhaupt. Ihm gelang auch seine erste Nr. 1 in den von Billboard neu gestarteten Hot 100 Singles Charts. Der von Eddie Cochrans Freundin Sharon Sheeley geschriebene Song „Poor Little Fool“ fand mehr als 2 Millionen Abnehmer.

Die TV-Sitcom, in der Nelson nun regelmäßig seine neuen Songs vorstellte, erwies sich als idealer Werbeträger für den Sänger Ricky Nelson. Album Nummer 3 „Ricky Sings Again“ enthielt neben Songs von Baker Knight (von dem er eine ganze Reihe Lieder aufnehmen würde) auch Lieder aus dem Country-Genre wie „I Can’t Help It“ (Hank Williams), „Old Enough To Love“ (Merle Kilgore), „Be True To Me“ (Nat Stuckey) und Presleys „Trying To get To You“. Aber auch „Restless Kid“. Mit diesem Lied hat es eine besondere Bewandtnis. Ricky Nelson war für den Film „Rio Bravo“ verpflichtet worden und spielte an der Seite von John Wayne, Walter Brennan und Dean Martin. Eingebaut in die Handlung wurden das Duett „My Pony My Rifle And Me“ und eine kurze Passage von „Cindy“, einem alten Folk Song. Zwar nahm Nelson beide Songs für eine Single auf, die Imperial jedoch nicht veröffentlichte. Ricky Nelson veranlasste Johnny Cash, mit dem er inzwischen befreundet war, einen Song für ihn zu schreiben. Der lieferte ihm an nächsten Tag bereits „Restless Kid“. Für den Soundtrack war der bekannte und erfolgreiche Dimitri Tiomkin zuständig, der lehnte Cashs Song ab. Immerhin aber wurde er auf Nelsons drittem Album für die Nachwelt erhalten. Von Cash selbst gibt es ihn auch auf dem Album „Bootleg 2“.

Jetzt Anfang der 1960er Jahre erlebte Ricky Nelson seine erfolgreichste Zeit als Sänger. Die Tage des klassischen Rockabilly waren vorüber, die Rock’n’Roll-Welle ebbte allmählich ab. Insbesondere als die so genannte „Invasion der britischen Bands“ im Sog der Beatles und Rolling Stones einsetzte. Ricky Nelson machte unbeirrt weiter. Eingezwängt in das ihm von außen übergestülpte Korsett versuchte er, sich in der Musik persönliche Freiheiten zu nehmen. Sein Repertoire beinhaltete ständig der Country Music nahestehende Songs wie das schnörkellos gesungene „Halfbreed“ aus der Feder von John D. Loudermilk. Zum internationalen Star aber wurde er mit „Travelin‘ Man“, geschrieben von Jerry Fuller. Das Lied galt schnell als sein „Identifikations-Song“. Von Fuller bekam er noch weitere Hits geliefert. Etwa zwei Jahre lang war Ricky Nelson ohne richtige Hits geblieben. Zwar wirkte er natürlich ständig in der TV-Sitcom weiter mit, man versuchte ihn auch darüber hinaus als Schauspieler zu etablieren aber dem jungen Mann war die Musik wichtiger. Er befand sich in einem musikalischen Umfeld, in dem er sich offenbar richtig wohl fühlte. Dazu gehörten neben Jerry Fuller auch Dave Burgess und ein ebenfalls noch völlig unbekannter Glen Campbell. Das Quartett ging sogar gemeinsam ins Studio und machte die eine oder andere Aufnahme im typischen Doo wop oder Teenage Novelty Rock’n’Roll.

Bei Challenge erschien eine Single („Tears“, „Felicia“) unter dem Namen The Fleas. Beim gleichen Label gab es mindestens drei Singles unter dem Namen The Trophies. Als Jerry Fuller zum Wehrdienst eingezogen wurde, übernahm bei einigen Songs sein Bruder Bill den Gesangspart. Die Mitwirkung von Ricky Nelson musste geheim gehalten werden, da er bei Imperial unter Vertrag stand. Die Singles sind der Nachwelt erhalten geblieben und wurden von Sarabande Records unter dem Titel „The Lost 60’s Recordings“ mit weiteren raren Aufnahmen aus dieser Zeit auf CD veröffentlicht.

Jerry Fuller blieb vor allem als Songschreiber erfolgreich im Geschäft. Von ihm stammen z.B. „Young Girl“ und „Lady Willpower“ (beide gesungen von Gary Puckett & the Union Gap), „That’s All She Wrote“ (Eddy Arnold) und „A Woman’s Touch“ (Tom Jones, Glen Campbell).

Mit „Travelin‘ Man“ lieferte ihm Jerry Fuller den Song, der die Richtung weisen sollte. Als zweiten Titel für die Single nahm Nelson Gene Pitney’s „Hello Mary Lou“ auf, das in Europa sogar noch populärer wurde. Allein hierzulande gab es mindestens vier deutsche Versionen davon, die sich in den Hitparaden gut platzierten mit dem Dänen Duo Jan & Kjeld, mit Rene Kollo, Silvio Francesco und den Ricky Boys. Dahinter verbarg sich Peter Beil, der mit sich im Duett sang. Eine ganze Reihe weiterer von Nelson gesungener Songs wurden im Übrigen eingedeutscht. Gene Pitney’s „Today’s Teardrops“ übernahm Nelson später und feierte damit erneut einen Hit. Doch der ganz große Boom um ihn hielt nicht sehr lange an. Bis dahin war ihm praktisch alles in den Schoß gefallen. Nie hatte er wirklich um etwas kämpfen müssen, das wirkliche Leben ging weitgehend an ihm vorbei. Auch das übliche Dasein eines Musikers kannte er nicht. Eingebunden in die TV-Serie konnte er nur während der Sommermonate, in denen nicht gedreht wurde, als Sänger auftreten. Tourneen gab es nicht, man holte ihn zu Galas, in große Hallen und zu Fairs. Auf diese Weise konnte er im Live-Geschäft nicht von den Plattenhits profitieren. Die Folgen würde er bald spüren.

Das Privatleben Nelsons spielte sich weitgehend von der Öffentlichkeit unbeachtet ab. Der gut aussehende Star hatte nie Mangel an Freundinnen. Wilde Partys im Kreise seiner Kumpel gehörten zur Tagesordnung. Mit Beginn der Volljährigkeit wollte das Management den Erwachsenen-Status auch dadurch dokumentieren, dass das „y“ in seinem Vornamen gestrichen wurde. Folgerichtig hieß sein 6. Album „Rick Is 21“. Im April 1963 endete sein Junggesellenleben als er die bereits schwangere Kris Harmon heiratete. Es wurde eine stürmische Ehe, in der beide Partner es mit der Treue nicht wirklich hatten. Der Ehe-Alltag hätte reichlich Stoff für eine TV-Sitcom eigener Art geliefert. Beruflich wie privat verfolgten beide ihre eigenen Ziele und drifteten immer weiter auseinander. Wohl nur der Öffentlichkeit und der Kinder wegen hielt die Ehe erstaunlich lange, ehe sie dann doch geschieden wurde.

Ende 1962 wechselte Rick Nelson von Imperial zu Decca. Zwar handelte Ozzie Nelson einen großzügigen Vertrag über 20 Jahre aus aber der Wechsel kam zur ungünstigsten Zeit. Die Beatles mischten die Pop Music auf, ehemalige Rock’n’Roller und Teenager Stars waren nicht mehr gefragt und kämpften ums Überleben. Kämpfen aber kannte Rick Nelson nicht. Die Karriere hatte sein Vater bestimmt, der „neuen“ Musik stand der Sohn hilflos gegenüber, dem eigenen Bauchgefühl zu folgen hatte er nicht gelernt und an der TV Sitcom hatte er keine Freude mehr. Bei Decca wusste man mit ihm nichts anzufangen, er selbst suchte immer noch nach einer musikalischen Heimat. Zu den Versuchen gehörten auch weiterhin Country Songs und der Country-Sound wie z.B. „A Legend In My Time“ und „Fools Rush In“. Insgesamt eine frustrierende, unbefriedigende Situation, in der er kaum eine Bezugsperson hatte. Das hatte direkte Auswirkungen auf seine Musik. Mitte der 60er Jahre war er aus den Charts verschwunden, 1966 wurde The Adventures of Ozzie and Harriet eingestellt.

Noch gehörte James Burton zu Nelsons Musikern, er wurde jedoch spürbar unzufriedener. Burton: „Es tat sich kaum noch etwas. Rick wollte, dass wir nur für ihn spielten. Aber Gigs mit ihm gab es kaum noch, auch sonst war nichts los. Seit Rick geheiratet hatte, wurden wir uns immer fremder. Wochenlang war ich bei meiner Familie in Louisiana und wartete, dass es wieder einen Job mit Rick gab. Ich wollte arbeiten, Musik machen. Ich habe dann auch andere Jobs wieder angenommen, egal ob ihm das passte. Ich habe ihm geraten, ein Country-Album zu machen. Das konnte er, Country Music hatte er drauf, die hatten wir früher in unserer Party-Zeit gespielt, wenn wir unter uns waren. Rick hat dann „Bright Lights And Country Music“ aufgenommen. Ein richtig gutes Album wie ich finde.“

Natürlich spielte Burton Lead Guitar und Dobro, auch Glen Campbell gehörte zu den Musikern. Neben bekannten Songs aus Cajun, Country und Bluegrass steuerte Nelson auch einen eigenen Song bei: „You Just Can’t Quit“. In einem Interview bekannte er damals: „Viele meiner frühen Aufnahmen hatten starke Country-Einflüsse. Ich habe diese Musik immer gemocht, ich war und bin Fan von Johnny Cash, Jim Reeves und Marty Robbins.“ Man spürte, dass er es ehrlich meinte, man nahm ihm Country Music ab. Auch wenn er damit nicht an die erfolgreichen Zeiten in den Charts anknüpfen konnte. Vielleicht hat er es gespürt, er befand sich auf einem richtigen Weg in die Richtung, die ihn als Sänger überleben lassen würde. Ein Jahr später, 1967, veröffentlichte Decca mit „Country Fever“ ein zweites Countryalbum, das mit „Alone“ ebenfalls wieder einen eigenen Song enthielt.

Rick Nelson stand an einem Scheideweg. Noch konnte er es sich finanziell erlauben, zu experimentieren. Andere ehemalige Rock’n’Roller hatten es ihm vorgemacht und waren erfolgreich zu Country-Stars mutiert (Jerry Lee Lewis, Conway Twitty, Carl Perkins, teilweise sogar Elvis Presley). Oder sie traten bei Oldie-Shows und Revival-Shows auf, was Nelson partout nicht wollte. Er war sich ziemlich klar, dass er es nur mit etwas Neuem schaffen konnte.

Als Schlüsselerlebnis erwies sich der Auftritt der Gruppe Poco im Troubadour. Die Jungs um Jim Messina und Richie Furay (ehemals Buffalo Springfield) und Randy Meissner fusionierten Rock und Country zu einem aufregenden neuen Sound. Der Funke sprang über auf Rick Nelson, der die Haare nun lang trug, gewichtsmäßig zugelegt hatte und nicht mehr viel mit dem Teenage Idol früherer Jahre gemein hatte. Er sah eine Chance, sich endgültig auf eigene Beine zu stellen.

Poco gilt als eine der bahnbrechenden Gruppen in Sachen West Coast Country Rock, der große kommerzielle Erfolg aber blieb aus, schließlich brach die Gruppe auseinander. Um Randy Meissner stellte Ricky Nelson eine eigene Band zusammen, die er Stone Canyon Band (nach einem Tal nahe seines Wohnhauses) benannte. Damit trat er im Troubadour auf und testete praktisch vor Publikum. Die Musikszene in Kalifornien war im Umbruch. Bis zu Linda Ronstadt und den Eagles war es nicht mehr weit. Rick Nelson befand sich mittendrin aber nicht als Innovator sondern eher als Mitläufer. Er schrieb zunehmend eigene Songs, war besonders angetan von Bob Dylan, dessen Songs er gern aufnahm. Dylan hatte gerade mit seinen Alben „Blonde On Blonde“ und „Nashville Skyline“ einen Weg gewiesen. Nelsons Aufnahme von Dylan’s „She Belongs To Me“ brachte ihn 1970 immerhin erneut in die Charts. Die Stone Canyon Band war dabei durch Steel Guitar Legende Buddy Emmons verstärkt worden. Nicht Emmons stieß permanent zur Band sondern Steeler Tom Brumley, der bis dahin für Buck Owens gearbeitet hatte.

Mit seiner Stone Canyon Band trat er nun regelmäßig auf, man veröffentlichte 1970 das Live Album „Rick Nelson In Concert“ aber so richtig auf die Beine kam er nicht. Bis dahin hatte er sich stets geweigert, bei Revival Shows aufzutreten und sich wegen früherer Meriten feiern zu lassen. Das Leben eines echten Musikers on the road hatte er nie kennengelernt. Auch wenn es ihm nicht passte, er würde sich nicht nur äußerlich ändern müssen, er würde sich ein neues Publikum erobern müssen. Dass dies nicht einfach werden und ohne Schrammen abgehen würde, lernte er am 15. Oktober 1971 kennen. Er hatte sich überreden lassen, doch bei einem Revival aufzutreten und zwar im Madison Square Garden von New York. Ebenfalls im Programm standen Bobby Rydell, Chuck Berry, Bo Diddely und andere Rock’n’Roll Stars. Die ersten Songs, es waren seine alten Hits, kamen beim Publikum gut an. Dann legte Nelson die Gitarre zur Seite, setzte sich ans Piano und brachte den Rolling Stones Hit „Honky Tonk Women“. Im Publikum brach Unruhe aus, zuerst auf den billigen, hinteren Plätzen, dann wurde überall gebuht. Ziemlich geschockt verließen Nelson und die Musiker die Bühne in der Annahme, das habe Nelsons Aussehen und seiner neuen Musik gegolten.

Rick Nelson

Tatsächlich aber hatte die Polizei betrunkene Krawallmacher aus den hinteren Reihen entfernt und war dafür ausgebuht worden, wovon die Musiker erst hinterher erfuhren. Für Nelson war es ein so nachhaltiges Ereignis, dass er einige Wochen später den Song „Garden Party“ darüber schrieb, der zum Titelsong des anstehenden Albums wurde. In dem Lied verarbeitet er das Erlebnis aber auch seine eigene Situation. Direkt oder indirekt angesprochen werden John Lennon und Yoko Ono, Chuck Berry und George Harrison unter seinem Pseudonym „Mr. Hughes“. Der Ex-Beatle war lange Nelsons Nachbar gewesen. Im Song spricht er von sich über Mary Lou und über sein Aussehen. Man habe seine Musik erkannt, nicht aber ihn, weil er heute anders aussehe. Im Refrain meint er ziemlich sarkastisch: „Das ist jetzt alles in Ordnung, ich habe meine Lektion gelernt. Man kann nicht allen Leuten gefallen, deshalb muss man einfach sich selber gefallen.“

„Garden Party“ wurde der vielleicht wichtigste Song in Nelson’s eigenem Ranking. Hier hatte er sich verwirklicht, es ist der Song, in dem er am stärksten seine Gefühle nach außen transportiert. Es war so etwas wie seine eigene Unabhängigkeitserklärung. Und „Garden Party“ wurde vom Publikum verstanden, der Song brachte ihm das erhoffte Comeback in den Charts. Die Nr. 6 war der verdiente Lohn.

In der Folgezeit bekam Rick Nelson wieder häufiger und besser bezahlte Auftritte. So gastierte er u.a. auch in der Grand Ole Opry in Nashville. Aber die Probleme holten ihn rasch wieder ein. MCA Records wusste musikalisch nichts mit ihm anzufangen. Er befand sich in einer Sackgasse. Das Privatleben wurde immer turbulenter, vor allem die finanzielle Situation verschlimmerte sich. Die Ehe mit Kris Harmon bestand nur noch auf dem Papier. Sie gab das Geld mit vollen Händen aus, es hatte ein regelrechter Rosenkrieg begonnen. Dass Rick Nelson schon seit Jahren Drogen konsumierte, war ein offenes Geheimnis, konnte aber weitgehend aus der Öffentlichkeit gehalten werden. Seine Frau erwies sich auch in dieser Beziehung alles andere als ein Unschuldsengel.

Der Drogenkonsum beider Nelsons spielte dann auch in den Scheidungsauseinandersetzungen eine gewichtige Rolle. Damit nicht genug, auch die Musiker der Band waren unzufrieden und kündigten. Randy Meissner war längst eigene Wege gegangen und landete bei den Eagles. Von den Original-Mitgliedern der Stone Canyon Band blieb Tom Brumley ihm am längsten treu. Rick Nelson war gezwungen, nahezu alle ihm angebotenen Gigs anzunehmen und rund 200 Auftritte im Jahr zu absolvieren. Und das bei stetig sinkender Popularität. Mitte der 70er Jahre stand er ohne Plattenvertrag da, ehe Epic ihn übernahm. Das 1977 erschienene Album „Intakes“ gab keinen Anlass zu Hoffnung auf Besserung. Nelson wurde immer unzufriedener, die Musiker seiner Band kündigten ihm die Freundschaft. Mehrfach war er gezwungen, sie komplett neu zusammen zu stellen. Zeitweise gehörte auch John Beland dazu, der später u.a. Teil der Burrito Brothers wurde. Privat belastete ihn die eingeleitete Scheidung mehr als ihm lieb sein konnte.

Bei Epic hatte Rick Nelson ebenfalls keinen leichten Stand. Gemeinsam beschloss man, sich nach Memphis zu orientieren, zurück dorthin, wo Nelson seine musikalischen Wurzeln wähnte. Zurück in das Flair und Umfeld des Rockabilly der 50er Jahre. Erstmals nahm Rick Nelson außerhalb von Hollywood Songs auf. Man schaffte es tatsächlich, eine intime Stimmung zu erzeugen. Es wurden die vielleicht zwanglosesten, stimmungsvollsten, spontansten Aufnahmen, die Rick Nelson seit Jahren oder überhaupt gemacht hatte. Ganz auf ihn zugeschnittene Versionen z.B. von „That’s Alright Mama“, „Rave On“, „Dream Lover“, „Sleep Tight Goodnight Man“, „Almost Saturday Night“, „True Love Ways“ und „Send Me Somebody To Love“. John Beland erinnert sich gern an die Sessions: „Wir hatten wahnsinnig viel Spaß, es wurde gekokst, der Alltag war weit weg, es ging nur um Musik. Und Rick freute sich wie ein Kind, er war in dieser Musik zu Hause, er konnte die Musik machen, die er immer machen wollte. Und dann kam der Hammer.“ In Gestalt von Epic Records, denn man zeigte kein Interesse, das Album, das den Arbeitstitel „Rockabilly Renaissance“ trug, überhaupt zu veröffentlichen. Stattdessen ging man getrennte Wege – das Album wurde erst 1985 unter dem Titel „Rick Nelson Memphis Sessions“ doch noch veröffentlicht – der Künstler hatte nichts mehr davon.

Capitol Records nahm ihn nun unter Vertrag. Ursprüngliche Pläne, ihn in Nashville zu produzieren, wurden verworfen, auch weil Nelson es nicht wollte. Er hätte gerne John Fogerty als Produzenten gehabt, doch der stand nicht zur Verfügung. Man nahm unter Leitung von Jimmie Haskell eine country-gefärbte Version von „Tired Of Toein‘ The Line“ auf, geschrieben von Rocky Burnette, Johnny Burnette’s Sohn. Capitol gefiel die Aufnahme nicht, sie wurde nicht veröffentlicht. Schließlich einigte man sich auf Jack Nitzsche als Produzenten.

Derweil ging der Wahnsinn des Alltags für Rick Nelson weiter. Wenn er nicht im Studio arbeitete, trat er irgendwo im Lande auf. Seine Band war weiter personellen Änderungen unterworfen. John Beland hatte das Weite gesucht und gehörte inzwischen den Flying Burrito Brothers an. Daheim ging der Zoff mit Ehefrau Kris munter weiter. Als die Scheidung im Dezember 1982 amtlich wurde, setzten sich die rechtlichen Streitigkeiten noch einige Zeit fort. Am Ende hatten Rechtsanwälte und Verfahren deutlich über eine Million Dollar verschlungen.

Immerhin entstand das 1981 veröffentlichte Album „Playing To Win“, das neben „Call It What You Want“ ein zweites Nelson-Original enthielt: „The Loser Babe Is You“. In dem Song heißt es: „Ich weiß, du meinst ich sei verrückt, ausgebrannt, faul. Die siegreichen Tage sind vorbei. Liege ich falsch? Hast du dir mehr genommen als du verkraften kannst? Übrigens, der Verlierer, Baby, der bist du.“ Eine Vorahnung?

Nicht genug, dass er mit Noch-Ehefrau Kris im Dauer-Clinch lag, Nelson war kein Kostverächter. 1981 bekam Georgeann Crewe ein Kind von ihm, die Vaterschaft wurde durch Bluttest bestätigt. Zwar zahlte Nelson Unterhalt, zeigte ansonsten aber keinerlei Interesse an Mutter und Kind. 1980 trat Helen Blair in sein Leben, die nach der Scheidung 1982 bei ihm einzog. Ihr soll er treu geblieben sein, unklar ist, ob eine Eheschließung beabsichtigt war. Blair machte sich bei Nelsons Umfeld wenig beliebt, weil sie ihn total Beschlag belegt und nach außen hin völlig abgeschottet haben soll. Helen Blair war auch an Nelson’s Seite als das Flugzeug abstürzte und beide in dem Wrack den Tod fanden.

Aber Rick Nelson war auch ein Kämpfer. Er wollte die Flinte nicht einfach ins Korn werfen sondern suchte weiter nach einem Weg, Musik so zu machen wie er es sich vorstellte und ein Label zu finden, das voll hinter ihm stand. Wenn er nur erst einmal Einigung mit sich selbst finden konnte, wenn er sich darüber klar war, welche Musik er singen wollte. Immer wieder hatte er selbst seine Meinung geändert oder hatte sich nach der anderer richten müssen. Mitte der 80er Jahre hatte er vor, seine alten Hits neu zu produzieren, nicht mit den modernen technischen Hilfsmitteln sondern so primitiv wie möglich. Er konnte Jimmie Haskell einmal mehr als Produzenten gewinnen. Seine Band war bestens vorbereitet und spielte die instrumentalen Parts ein, zu denen Nelson später sang.

Das Ergebnis veröffentlichte das kanadische Label Silver Eagle 1985 als Doppel-Album unter dem Titel „All My Best“ und verkaufte es via Fernsehen. MCA veröffentlichte danach eine abgespeckte Version davon. Die Zeichen standen nicht schlecht für ein weiteres Comeback. Er war voller Tatendrang und bereitete das nächste Album vor. Dazu nahm er seine Versionen von „Singing The Blues“, von „As Long As I Have You“ von Elvis und die unbekanntere Beatles Nummer „One After 909“ auf. Zwischen einzelnen Live-Gigs ging er immer wieder ins Studio. Aber er traf auch jene fatale Entscheidung, die ihn wenig später das Leben kosten sollte. Er kaufte eine alte Douglas DC-3, Baujahr 1944, die zuvor u.a. Jerry Lee Lewis gehört hatte. James Burton soll geunkt haben: „Wenn Jerry Lee das Ding nicht fliegt, taugt es nichts. Dann kann es keiner fliegen.“ Noch aber deutete nichts auf die bevorstehende Katastrophe hin. Im Gegenteil, für Nelson stand ein absolutes Highlight auf dem Programm. In Memphis arbeitete Chips Moman an seinem Projekt Class of ’55, das die vier überlebenden SUN-Legenden Johnny Cash, Jerry Lee Lewis, Roy Orbison und Carl Perkins vereinte. Als Sahnehäubchen war vorgesehen, für den John Fogerty Song „Big Train From Memphis“ eine Reihe weiterer Stars einzuladen. Dazu gehörte auch Rick Nelson, der bei der Gelegenheit sein Idol Carl Perkins endlich kennenlernen konnte. Mit einigen seiner Musiker flog Nelson im neu erworbenen Flugzeug nach Memphis. Dort hatten sich bereits die Judds, Dave Edmunds, Paul Burlison, Sam Phillips und John Fogerty eingefunden. Rick Nelson war aufgeregt wie ein kleines Kind und sagte später, dieses Ereignis würde er für nichts auf der Welt eintauschen.

Am nächsten Tag wollte Nelson nach Champaign, Illinois fliegen, wo Willie Nelson’s erstes Farm Aid Festival stattfand. Jerry Lee Lewis hatte keine Lust, in seiner alten Maschine mitzufliegen, dafür war Marty Stuart an Bord. Wegen eines technischen Problems beim Start wurde der Flug abgesagt. Es sollte nicht das einzige Problem mit der DC-3 bleiben. Die meisten Menschen aus Nelsons Umfeld hatten schlichtweg Angst, damit zu fliegen. Auch die Musiker der Band. Einige von ihnen hatten deswegen bereits gekündigt. Aber Nelson blieb unbeirrt – und er brauchte Geld. Das konnte er am einfachsten auf der Bühne verdienen. Deshalb waren für die Tage zwischen Weihnachten 1985 und Neujahr einige Gigs gebucht worden. Es ging los am 28.12. in Orlando, Florida, dann weiter für zwei Abende nach Guntersville, Alabama. Am Nachmittag des 31.12.1985 startete die DC-3 zu ihrem letzten Flug. Vor den Passagieren lagen ca. 450 Meilen bis zum Dallas Love Field, wo am gleichen Abend ein Silvester-Konzert auf dem Plan stand. Nach etwa drei Stunden wurden Probleme mit der Heizung festgestellt. Nicht zum ersten Mal. Was genau dann an Bord geschah, konnte später nicht restlos geklärt werden. Am wahrscheinlichsten ist, dass Pilot und Co-Pilot nicht richtig reagierten. Es brach Feuer aus, Pilot Ferguson konnte die Maschine dennoch notlanden. Für sieben der Insassen gab es kein Entkommen aus den Flammen mehr. Darunter auch Ricky Nelson und Helen Blair.

Rick Nelson hatte bis auf die ersten zehn Jahre sein Leben größtenteils in der Öffentlichkeit gelebt. Von Natur aus ein schüchterner, in sich gekehrter und nachdenklicher Mensch hatte er gelernt, mit der Popularität zu leben. Auch damit, dass Vieles in diesem seinem Leben von anderen gelenkt und bestimmt wurde. In der Musik sah er ein Ventil, eine Nische, in der er versuchte, sich zu verwirklichen. Gelungen ist ihm dies nur teilweise – immerhin. Denn auch in der Musik gab es fast ständig andere, die ihm vorschrieben oder dies wollten, was er singen sollte. Vom Beginn seiner Gesangskarriere an hat ihn Country Music besonders interessiert und begleitet. Dass er diese Musik verinnerlichte, sie singen konnte und das richtige Feeling dafür besaß, hat Rick Nelson immer wieder bewiesen. Seine Alben legen Zeugnis dafür ab. Nicht zuletzt auch die 2004 vom britischen ACE Label veröffentlichte CD „Rick’s Rarities 1964-1974. Darauf findet sich das für meinen Geschmack wunderschöne „Peddler Man“, bis dahin nie veröffentlicht. Gleiches gilt für „Stop The World And Let Me Off“, „California Free“, „I Think It’s Going To Rain Today“ und das von Tim Hardin geschriebene „The Lady Came From Baltimore“.

Es bleibt Spekulation, was aus Rick (Ricky) Nelson geworden wäre, hätte er sich voll auf Country Music konzentriert. Wenn nicht auf die traditionelle Spielart dann auf die damals neue Variante, die man Country Rock, Westcoast Country oder ähnlich bezeichnete. Er war ganz nahe dran, er war dabei als der Boden bereitet wurde, aus dem Linda Ronstadt, die Eagles, Flying Burrito Brothers, Desert Rose Band und eine Reihe anderer sprossen.

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