Richard Thompson: Electric
Vorzustellen braucht man diesen erfolgreichen Künstler wohl nicht mehr. Der in London geborene, heute 63-Jährige, kann auf eine inzwischen 45 Jahre andauernde Karriere zurückblicken, in der er fast alles erreicht hat. 1967 gehörte Richard Thompson zu den Gründungsmitgliedern der progressiven englischen Folk-Gruppe Fairpot Convention.
1971 begann er eine Solo-Karriere, die er zeitweise mit seiner damaligen Frau Linda Thompson teilte. Er entwickelte sich zu einem bemerkenswerten Sänger, einem herausragenden Gitarristen und exzellenten Songschreiber. Auf diesem Gebiet wurde er, zumindest für mich, am stärksten. Thompson durchlebte einige Tiefen aber vor allem viele Höhen, die zu einem unverkennbaren Reifeprozess führten und ihn zu dem machten, was er heute ist; ein Künstler mit Ecken und Kanten, der etwas zu sagen hat.
Mehr als 40 Alben stehen zu Buche, davon allein 20 Solo-Langrillen. In diesem Tagen erscheint sein 21. Album mit dem Titel Electric. Natürlich ist das keine Country Music. Es finden sich Spuren von Folk Music aber vor allem bärenstarke Songs. Und einige davon könnten durchaus in der Country Music auftauchen. Das gab es in der Vergangenheit immer wieder, Richard Thompson ist ein gern gesehener Gast bei Country-Sängern, die über den Tellerrand hinausschauen. Es kommt nicht von ungefähr und ist daher keine Überraschung, dass er ab kommendem Frühjahr mit Emmylou Harris und Rodney Crowell auf Tournee geht, zur Unterstützung von ihrem neuen Album „Old Yellow Moon“ sowie seines eigenen neuen Werkes.
„Electric“ wurde produziert und aufgenommen von Buddy Miller in dessen heimischen Studio in Nashville. Thompson begründet das so: „Ich bin nicht dorthin gegangen, um Country Music zu machen. Ich mag diese Musik und stehe ihr nahe, ich wollte einfach das besondere Flair und Feeling dort auf mich wirken lassen. Wir haben viel weniger Zeit gebraucht als ich angenommen hatte. Es ist ein richtig munteres, lebhaftes Album geworden. Folk-Funk würde ich es nennen.“ Und Buddy Miller, selbst kein heuriger Hase in Sachen Gitarre, ergänzt: „Ich habe ein wenig die Rhythmus-Gitarre gespielt. Während Richard in meinem Haus kampierte, bekam ich kostenlos eine zweiwöchige Gitarren-Lehrstunde!“
„Electric“ zeigt Richard Thompson einmal mehr als genialen Gitarristen. Mit Bassist Taras Prodaniuk (arbeitete mit Dwight Yoakam und Lucinda Williams) und Drummer Michael Jerome aus Texas hatte er seine beiden eigenen Musiker zur Seite. Aber er holte sich auch Nashville’s Bluegrass-Fiddler Stuart Duncan hinzu. Am nachhaltigsten wirken die Songs selbst auf mich. Bei „Stony Ground“ geht es um einen Kleinstadt-Skandal bzw. Dorfgetratsche. „Stuck On The Treadmill“ spiegelt das aufreibende Arbeitsleben wieder. „Where’s Home?“ bewegt sich eindeutig im Country-Flair und auch „Another Small Thing In Her Favor“ und „The Snow Goose“ kann ich mir sehr gut auf einem Album von Emmylou Harris, Nanci Griffith oder Willie Nelson vorstellen. Bei „Snow Goose“ erweist sich Alison Krauss als ideale Duett-Partnerin. Aber auch die Harmoniestimme der Britin Siobhan Maher Kennedy ist nicht zu verachten und setzt wiederholt Akzente. Obwohl insgesamt ein lebhaftes Album, stellen die Balladen, zu denen auch das von Hassliebe geprägte „My Enemy“ gehört, die Höhepunkte dar.
Fazit: Der Altmeister ist in bestechender Form. Die Ideen gehen ihm erfreulicherweise nicht aus. Sein Weg nach Nashville hat sich gelohnt, hoffentlich bleibt dort etwas von ihm und diesem Album haften.
Das aktuelle Album Electric – Bestellen, Format, VÖ. und Label:
Trackliste:
01. Stony Ground |