Der Musikbewahrer: Richard Weize und seine Bear Family
Ohne ihn wäre viele Musik heutzutage einer größeren Öffentlichkeit gar nicht zugänglich. Sie wäre in Vergessenheit geraten und allenfalls im Blickfeld leidenschaftlicher Jäger und Sammler geblieben. Richard Weize hat mit seiner Bear Family Records wichtige musikhistorische Arbeit für die Country Music geleistet. In diesem Jahr wird Bear Family Records 38 Jahre alt und beschenkt sich selbst mit drei opulenten Boxen anlässlich des 60. Geburtstages des legendären Sun Labels.
Wir treffen Richard Weize in einem Cafe in der Frankfurter Innenstadt. In wenigen Stunden wird er mit einem anderen Musik-Urgestein, Radio-Legende Werner Reinke, auf Sendung gehen. Thema: 60 Jahre Sun Records. Wir sprechen mit Weize über die Gründe für seine Liebe zur Country Music und die ewige Suche nach unentdeckten Schätzen.
Vor 38 Jahren hat Richard Weize seine Lebenspassion gefunden. Er veröffentlichte alte Musik neu. Doch das nicht nur per Plattenpressung. Nein, dem knorrigen Norddeutschen war es von Anfang an wichtig, Musik in einen historischen Kontakt zu stellen, die Musik sorgsam zu editieren und zu kommentieren. Daher ist auch jede Bear Family-Veröffentlichung ein kleines Schatzkästchen. Oder eben eine große Schatzkiste.
So wie die jüngst erschienene „Sun Country Box“, eine von drei Boxen mit der Musik vom legendären Sun-Label. Die anderen beiden enthalten die weitaus bekannteren Blues und Rock’n’Roll-Aufnahmen aus Memphis, Tennessee. Daher ist die Country-Box auch ein Zeugnis von Weizes großer Liebe zur Country Music, die im Repertoire der Bear Family einer der Schwerpunkte darstellt.
„Die Country Music war immer mein persönlicher Favorit. Ich mag den Schweiß, der in ihr steckt und dass sie von Herzen kommt. Zumindest in ihren frühen Jahren war das so“, erläutert Weize. Und „Wir veröffentlichen stets das, was uns selbst gefällt und interessiert. Wir gehen da ganz anders vor, als die Major Labels, die immer das veröffentlichen wollen, was sich in größerem Ausmaß auch verkauft kann.“ Bear Family dagegen verkauft von einem Produkt „gerade einmal 1000-3000 Exemplare“, bilanziert der Firmenchef.
Mit dieser Geschäftspolitik erwirbt man sich Verdienste, aber keine Reichtümer. Wobei das bei Weize sicher kein Anreiz ist. Sein Reichtum ist die Musik. Und so begibt er sich wie ein Schatzsucher immer wieder auf die Fährte von alter und vergessener Musik. Und wie hat man sich diesen Prozess des Jagens und Sammelns vorzustellen? Zuerst einmal gibt es die Idee, etwas zu veröffentlichen. Mit den Autoren der historisch-kritischen Editionen wird dann beraten, welche Songs sie gerne drauf haben möchten. Und dann beginnt Richard Weizes Arbeit. Nach über 30 Jahren im Geschäft ist er bestens vernetzt: In der der Musikerszene, in Sammlerkreisen und im Musikbusiness. Fast immer weiß er, wo er anzurufen, nachzuforschen oder hinzufahren hat. „Früher war ich fast die Hälfte des Jahres in den USA“, macht er die Dimensionen klar.
Dass er da viele Freunde gewonnen hat, liegt auf der Hand. Johnny Cash war einer davon „Cash machte vor allem aus, dass er sowohl in der Szene war, als auch außerhalb. Er war ein Rebell“, charakterisiert er die Natur der Country-Ikone.
Freundschaften und Vorlieben haben sein ganzes Leben als Bear Family-Patriarch geprägt. „Am Anfang habe ich nur das veröffentlicht, was ich mochte. Johnny Cash, Marty Robbins oder Johnny Horton. Die allerersten Aufnahmen waren besonders wichtig für mich, aber natürlich mag ich auch das, was ich heute veröffentliche.“
Und so macht Weize immer weiter. Als nächstes stehen neue Veröffentlichungen in der Country & Western Hit Parade/Hillbilly Music-Serie an. Über die Zukunft macht er sich keine Gedanken, ans Aufhören denkt er noch lange nicht. Er weiß aber auch: „In der Hauptsache haben wir ältere Käufer“. Wobei die Bezugsquellen für Bear Family-Produkte sich schon verändert haben. „Es gibt ja immer weniger Plattengeschäfte, so wird auch für uns der Online-Verkauf immer wichtiger“. Mit www.bear-family.de ist ein großer firmeneigener Record Store im Internet eingerichtet.
So bleibt zu hoffen, dass vielleicht doch einmal jüngere Leute – vielleicht über die Beschäftigung mit der Musik von angesagten Bands wie „The Avett Brothers“, Mumford & Sons“ oder den „Punch Brothers“ – sich mit den Wurzeln dieser Musik beschäftigen wollen. Das wäre nicht nur Richard Weize und seinem Lebenswerk, sondern allen, die die amerikanische Volksmusik mögen, zu wünschen.
