Taylor Swift taucht Berlin in Rot!
Wieviel Country würde sie wohl im Gepäck haben? Diese Frage schien angesichts der rund 11.000 größtenteils weiblichen Teenagerfans am Freitagabend in der Berliner O2 World durchaus berechtigt. Bereits vor Beginn ihres einzigen Deutschlandkonzertes war es US-Country-Pop-Star Taylor Swift gelungen, ihre jugendliche Fanbase auf die Mottofarbe ihrer Albumtour einzuschwören und jeden reiferen Besucher ohne rotes Accessoire als potenziellen Elternbegleiter zu identifizieren.
Als gegen 20.30 Uhr die ersten Klänge ertönten, bestand kein Zweifel, dass Taylor Swift ihre Fangemeinde auch musikalisch im Griff hat. Songs wie „State Of Grace“ oder „Holy Ground“ wurden textsicher begleitet, bevor die Stimmung mit dem Albumtitel „Red“, der es in Deutschland nicht mal unter die Top 100 geschafft hat, einen ersten Höhepunkt erreichte.
Schließlich durfte auch der Countryfan erste Hoffnung schöpfen. Nach dem im 20er-Jahre-Stil inszenierten „The Lucky One“ präsentierte die langbeinige Blondine mit Banjo bewaffnet und auf einer Holzkiste sitzend ihren Country-Hit „Mean“ in überzeugender Manier. Bei den populären Songs wie „22“, „Sparks Fly“ oder „I Knew You Were Trouble“ wurde deutlich, wie wichtig der Interpretin der direkte Kontakt mit dem Publikum ist; ein Kontakt, den sie mit ihren Texten als authentische Girlieerfahrungen immer wieder heraufbeschwört. Die weiteren Highlights des rund 90-minutigen Showspektakels waren das in einer exaltierten Pianoperformance präsentierte „All Too Well“ sowie der Auftritt des britischen Überraschungsgastes Ed Sheeran, der sich als musikalische Bereicherung und mit seinem feuerroten Schopf glänzend in das Tourmotto einfügte.
Gegen 22.00 Uhr verabschiedete Taylor Swift in Gestalt einer Zirkusdompteuse ihr Publikum schließlich mit dem Nummer-Eins-Megaseller „We Are Never Ever Getting Back Together“ in die Berliner Nacht und darf sich sicher fühlen, auch beim nächsten Deutschlandbesuch auf eine zahlreiche Fangemeinde – in welcher Farbe dann auch immer, vertrauen zu können.
Was ist letztlich hängengeblieben von Taylor Swifts Deutschlandgastspiel? Eine authentisch wirkende Künstlerin mit Hang zur Perfektion, deren hohe Sympathiewerte darin bestehen, dem jungen Publikum als große ratgebende Schwester mit ihren Textbotschaften nahe zu sein. Eine reizüberflutende Show, die hollywoodlike auf das Publikum niederging und die Musik hier und da in den Hintergrund treten liess. Bei letzterer durfte sich der kommerzielle Pop als eindeutiger Sieger fühlen. Das Risiko, deutlichere Countryakzente zu setzen, wollte man offensichtlich nicht eingehen. So wurden Songs wie „Ours“ oder „Begin Again“, mit denen Taylor Swift in den US-Countrycharts erfolgreich war, dem deutschen Publikum vorenthalten.
Alles in allem war es jedoch gerade die kommerzielle Gesamtdarbietung, die einem Großteil des Publikums unvergessliche Momente geschenkt und in Deutschland, als getarnte Countrybotschaft, ein kleines Massenphänomen ausgelöst hat.