Leah Turner: EP
Ist Countryparty Männersache? Zumindest könnte man bei dem Blick auf die US-Billboardcharts auf die Idee kommen, dass die Herren der Schöpfung durch die Vertonung von Real Life- und Funthemen den kommerziellen Erfolg für sich allein beanspruchen, während die Top-Damen der Szene mit Gefühl und Tiefgang wenigstens die Kritiker überzeugen.
Mit Ausnahme der etablierten Miranda Lambert und Carrie Underwood ist aktuell keine Künstlerin in Sicht, der es gelingt, die Erfolgsspur der Bro-Countryguys in dieser Hinsicht aufzunehmen. Nachdem eine Gretchen Wilson vor 10 Jahren als „Redneck Woman“ Kritiker und Publikum gleichermaßen mit ihrer „naughty attitude“ begeistern konnte, scheint der Zeitpunkt gekommen, mit einer neuen „girl-power“ in dieser Hinsicht aufzuräumen.
Leah Turner aus dem kalifonischen Morongo Valley ist ein äußerst lebendiges Beispiel dafür, dass Frauen als Country-Entertainerinnen überzeugen können, ohne dabei in die seichten Niederungen des Popsternchenimages abzugleiten. Mit stimmlicher Dynamik in der Interpretation selbstverfasster Songthemen über „Life, Love & Fun“ bringt die Tochter eines Rodeochamps das Rüstzeug mit, um diese bislang dünn besetzte Nische auszufüllen. Ihre nun erschienene 5-teilige Debüt-EP ist mehr als nur eine Andeutung, dass ihr dies auf Dauer gelingen könnte.
Entdeckt wurde die Blondine mit der „raspy voice“ von keinem Geringeren als Footloose-Sänger Kenny Loggins, der die Studentin von der Unversity Of California aus Santa Barbara in die Großstadt Los Angeles lotste. Durch die Liebe zum Country kam es 2012 zur Umsiedlung nach Nashville, wo sie das ideale Umfeld vorfand, um „ihre Wurzeln zu giessen, anstatt sie rauszureissen“. 2013 folgte der begehrte Plattenvertrag mit Columbia Records, der im Oktober des Jahres zur Veröffentlichung der Leadsingle „Take The Keys“ führte.
„Take The Keys“, zugleich Opener des Kurzalbums, ist ein modern produzierter New-Countrysong mit einer charismatischen Vokalpräsenz, die in einer infektiösen Hookline ihren Höhepunkt findet. Es ist wahrscheinlich dieses kleine Etwas Schmutz in der Stimme, das diesen Song, der sich wie ein Top-10-Hit anfühlt, auf den für eine Debütantin respektablen 37. Platz der Airplay Charts gebracht hat. Die Folgesingle „Pull Me Back“, auf Rang 60 eingestiegen, könnte als perfekt-designter Radiosong mit einer starken Melodie und einem perkussiven Groove den Chartaufstieg Leah Turners weiter fortsetzen. Auf Track Nr. 4 „Beat Up Bronco“ nimmt die wilde Blonde aus dem San Bernadino Country erstmalig etwas Tempo raus und lässt ihre „softer side“ aus der Powerschale hervorscheinen.
Die Songhighlights, die Leah Turner letztlich in die erste Riege der Countryentertainerinnen führen können, heissen „Bless My Heart“ und „My Finger“. „Bless My Heart“ ist ein banjogetriggerter Rowdytune, der mit seinen „spoken verses“ zunächst ein zeitmäßiges Hip-Hop-Flair verbreitet, das nach rund 2 Minuten Spielzeit von einem Gospelbackgroundchor aufgefangen wird. Es wäre spannend festzustellen, wie dieser abgefahrene Beitrag von der stilmixverwöhnten New-Countryszene aufgenommen wird. „My Finger“ ist ebenfalls „wild and catchy“, versprüht – mit einem eingängigen Popbeat unterlegt – modernes Outlawflair und lässt Miss Turners unbändige Rockstimme in den Vordergrund treten. Mit Textzeilen wie „you dug the grave the day you kissed her. take your ring and here’s my finger“ wird der Herrenwelt deutlich gemacht, dass diese Dame in der Lage ist, ihre Position in jeder Hinsicht zu behaupten.
Fazit: Leah Turner ist rein stilistisch nicht unbedingt die Sängerin, die den Lamberts, Underwoods und Musgraves die Awards wegschnappen wird. Als mitreißende Songperformerin kann sie „Glamour“ und „Dirt“ gleichermaßen bedienen und besetzt mit ihrem Rowdytune eine Nische, die im Countryradio aktuell äußerst gefragt ist. Sie verbreitet beste Unterhaltung mit viel Herz und hohem Wiedererkennungswert. Kurzum: Eine Künstlerin, die Spaß macht und sich nicht über bedeutungsschwangere Themen definiert. Für diese gelungene 18-minütige Arbeitsprobe gibt es schon mal 4 von 5 Sternen, in der Hoffnung, dass im Verlauf des Jahres der echte Longplayer folgen wird.
Das aktuelle Album EP von Leah Turner – Bestellen, Format, VÖ. und Label:
Künstler / Albumtitel: Leah Turner – EP Format / Label / Veröffentlicht: CD & Digital (Columbia Nanshville, 2014) |
Trackliste:
01. Take The Keys |