The Felice Brothers: Favorite Waitress
Soeben erschienen ist das neue Werk der „First Family“ des zeitgenössischen Americana. War das letzte Album von The Felice Brothers – „Celebration, Florida“, noch ein raffinierter Beweis dafür, wie gut sich Rootsmusik mit neuen Beats und Samples kombinieren lässt, kommen sie mit „Favorite Waitress“ nun wieder traditioneller daher.
Mit den 13 neuen Songs sind sie qualitativ recht nahe an ihren Klassikern wie „Frankies Gun“ oder „Greatest Show On Earth“. Wieder paart sich rumpelnder Country-Folk-Rock mit Hymnen in Cinemascope-Breite und wieder geschieht das vor dem Hintergrund des Bewusstseins für die Elemente moderner Rap und Indie-Rock-Kultur.
Die Felice Brothers (Ian Felice, James Felice, Josh Rwason, Greg Farley und David Estabrook) veröffentlichten, nach Lehr- und Wanderjahren als Familienband bei den sonntäglichen Barbecues ihres Vaters und als Straßenmusiker in den U-Bahnstationen von New York City, 2006 ihr Debüt-Album. 2008 gelang ihnen mit dem Album „The Felice Brothers“ der Durchbruch. Mit „Frankie’s Gun“, „Greatest Show On Earth“, „Ruby Mae“, „Whiskey In My Whiskey“ und „Tip Your Way“ enthält es alleine fünf große Songs, die, ohne zu übertreiben, essentielle Beiträge zur amerikanischen Musik bedeuten. Ihre Songs schildern die Welt aus der Sicht der Verlierer und sozial Benachteiligten, sie sind wunderbare Storyteller und als amerikanische Musiker damit ganz in der Tradition großer Ikonen wie Woody Guthrie, Johnny Cash oder Bob Dylan. Im Gegensatz zu anderen aktuell angesagten Neo-Folkern wie „The Avett Brother“, „Mumford & Sons“, „The Lumineers“ oder „Nickel Creek“ sind sie fest geerdet sowie mit einer großen sozialen Empathie und einer am alten, gefährlichen Amerika geschulten Street Credibility versehen.
Mit „Celebration Florida“ bewiesen die Jungs 2011, dass sie sich als unabhängige Künstler verstehen und nicht als Kunsthandwerker, die vorgeformte Erwartungen erfüllen. Statt einfach als ehrliche freundliche, bittersüße Rumpelfolker und Live-Biester immer so weiterzumachen, experimentierten sie mit der Synthese von Neo-Country-Folk mit Electro-Beats und Samples. So entstand eine der ungewöhnlichsten, vielleicht aber auch unterschätztesten Americana-Platten der letzten Jahre.
Nun klingen sie also wieder ein bisschen konventioneller, ohne die Weiterentwicklung verbergen zu wollen. Die im Staat New York beheimateten Musiker sind einfach weit entfernt von rein bewahrender Brauchtumspflege. Ihre Musik ist ohne die Einsprengsel moderner Musikeinflüsse schlicht nicht vorstellbar. So ist denn auch bereits mit den beiden ersten Songs „Bird On Broken Wing“ und „Cherry Licorice“ und den ersten Worten des Albums – „Man on the street“, die bekannte Erfolgsformel der Felice Brothers wieder voll da. Man fühlt sich wie zu Hause angekommen bei der musikalischen Großfamilie. Und das ist alles so familiär, dass sogar der bellende Hund aus der Ferne bei „Bird On Broken Wing“ mit auf die Aufnahme durfte. Das kannten wir bislang nur vom ausgesprochenen Hundefreund Bob Dylan, dessen vierbeiniger Freund auf einem Demo-Take zu „Every Grain Of Sand“ gut hörbar ist. „Cherry Licorice“, der zweite Song wurde zur ersten Single-Auskopplung und man tat gut daran. Der Song über ewige Kinderträume in der Tradition von Folk-Klassikern wie „Big Rock Candy Mountain“ ist ein echter Ohrwurm. Ebenso wie „Lion“, ebenfalls in der Melodie mit Kinderlied-Anklängen sowie einem unwiderstehlichen Geigen-Riff und einem fröhlichen Chor versehen.
Einer der weiteren Höhepunkte ist „Katie Cruel“. Eine Geschichte, wie sie derzeit nur die Felice Brothers erzählen können. Keiner ist in der Lage seinen Songs solch drastische Settings zu geben wie hier: Inmitten einer Hinrichtung. Und gleichzeitig schwingt schon allein wegen der Namensgleichheit der alte amerikanische Folksong aus dem Unabhängigkeitskrieg mit. Die Kerle wissen einfach um ihre Musikgeschichte.
Weitere Höhepunkte der Platte sind das langsame und eindringliche „Constituents“ sowie „Alien“ und „Chinatown“. Die Felice Brothers setzen den Weg fort, den einstmals Bob Dylan und The Band eingeschlagen, als diese die alten Folk, Country, Blues und Gospelsongs sich angeeignet und das Americana erfunden haben. Sie schaffen dazu etwas eigenes, indem sie die alten Mythen mit der modernen Realität in Amerika verbinden. Was erschaffen wird, ist jederzeit hörenswert und einzigartig.
Fazit: Nicht mehr und nicht weniger als wunderbare, große, moderne Folkmusik! Die Jungs bleiben die Hoffnung eines ganzen Genres!
Das aktuelle Album Favorite Waitress von The Felice Brothers – Bestellen, Format, VÖ. und Label:
Künstler / Albumtitel: The Felice Brothers – Favorite Waitress Format / Label / Veröffentlicht: CD, Vinyl & Digital (Dualtone, Rough Trade 2014) |
Trackliste:
01. Bird On Broken Wing |