Mike Ryan: Bad Reputation
Mike Ryan gehört zu der Masse an talentierten Singer-Songwritern aus dem Dunstkreis der Fort Worther Musikszene. Dass ihm bereits mit dem ersten Longplayer „Night Comes Falling“ im Jahr 2012 der regionale Durchbruch gelungen ist, mag auf seinen musikalischen Background gepaart mit einem überdurchschnittlich ausgeprägten Stimmumfang zurückzuführen sein.
„Mein Großvater war über 20 Jahre Leiter der Texas-National-Guard-Band und hat mir die Beziehung zwischen Liebe und Musik vermittelt“, erinnert sich Ryan an seine Anfänge. Auch der Rest der Familie ist mit der Musik mehr oder weniger stark verbunden. „Ich habe tolle Kindheitserinnerungen an meinen Dad als Bühnen- und Musicaldarsteller. Noch heute ist er, wann immer es seine Zeit erlaubt, als Bassist in seiner Bluegrassband aktiv.“
Neben der frühen Prägung ist an dem bärtigen Ü-30er auch eine Menge Talent hängen geblieben. Die Stimmfarbe trägt etwas souliges in sich und wirkt in Verbindung mit den Countryroots auf besondere Weise vereinnahmend. Aufgrund seiner Bandbreite wäre es wenig zutreffend, Mike Ryan als Countrysänger einzuordnen. Er vertritt vielmehr die Abteilung des modernen Roots-Rock, dem Countrynuancen im Stile eines Wade Bowen oder William Clark Green beigemischt werden. Hinzu kommt ein starkes Songwriting, das die Identität und Persönlichkeit des Künstlers herausstellt.
Nach regionalen Singleerfolgen wie „The Cold One“ oder „57 Songs“ aus dem Debütalbum hat sich Mike Ryan mit seiner neuen Scheibe einen weiteren Schritt aus dem eigenständigen texanischen Musikmarkt herausbewegt. „Bad Reputation“ wurde unter dem Sea Gayle Label in Brad Paisleys Heimatstudio in Franklin, Tennessee, eingespielt und trägt die Handschrift der Nashviller Hitfabrik in sich. Auf allen 10 Tracks, die sich ausnahmlos radiotauglich präsentieren, hat sich Ryan als Autor mitverewigt. Im Mittelpunkt steht die Leadsingle „Dancing All Around It“, die als aktueller Rang 11 der Texas-Radio-Charts auf dem besten Wege ist, der bislang erfolgreichste Song in Mike Ryans Karriere zu werden. Ob dieser geschmeidige Ohrwurm einen ähnlichen Durchbruch einleiten kann, wie er 2011 den „local buddies“ von der Eli Young Band mit „Crazy Girl“ gelungen ist, werden die nächsten Wochen zeigen.
In der ersten Hälfte des Albums stehen die modernen Rocktunes im Vordergrund. Der kernige Titelsong „Bad Reputation“ trägt ebenso wie der charmante Midtempotrack „Easy“ eine unverkennbare 80er-Jahre Rockattitude in sich. Erst mit Song Nr. 6 wird dem Country die Tür geöffnet. „Girls I Date“ ist banjogetriggert und steht mit Textbezügen zu Haggard und George Strait für einen groovig-chilligen New-Country-Style. Auch wenn man bei dem Titel „When I Drink Beer“ die Augen rollen mag, verbirgt sich dahinter ein großartig interpretierter und positiv fließender Love-Song, der ebenso wie das griffige „Red Eye Flight“ als Singlekandidat eine gute Figur machen würde. Wer sich um die Bandbreite des Interpreten jetzt noch Sorgen macht, dem seien abschließend noch zwei äußerst gegensätzliche Tracks empfohlen. „But Why“ ist eine Powerballade mit ordentlich Schmacht und Pathos, während auf dem abschließenden „Dry Country Drive“ mit muskulösen Gitarrenriffs die Countryrockkeule hervorgeholt wird. Nach 34 Minuten Hörgenuss ohne jeden Schwachpunkt hat sich Mike Ryan als ein weiterer texanischer Exportartikel für den US-Modern-Countrymarkt in Stellung gebracht.
Fazit: „Bad Reputation“ ist ein Album, das den Modern-Country keineswegs neu erfindet, jedoch aus dem Überangebot an Veröffentlichungen die wertvollen Elemente herausfiltert. Eine markante und stilistisch variable Stimme mit zeitgemäßem, authentischem Songwriting sind die Features, die Mike Ryan auch für den weiteren Karriereverlauf interessant machen. Der Mann aus Denton in Texas kommt – ob Zufall oder nicht – aus der gleichen Kleinstadt im Norden von Dallas, aus der die Eli Young Band vor drei Jahren ihren landesweiten Siegeszug als Texas-Country-Act begonnen hat. Mike Ryan hätte das Zeug dazu, dem Beispiel zu folgen.
Künstler / Albumtitel: Mike Ryan – Bad Reputation Format / Label / Veröffentlicht: CD, Vinyl & Digital (Rock & Soul Records 2014) Bewertung: 4 von 5 möglichen Punkten |
Trackliste:
01. Wasting No More Whiskey |