William Elliott Whitmore: Radium Death
Nehmen wir Harlan Howards berühmte Definition von Countrymusik – „Three chords and the truth“ – zur Grundlage, dann ist kaum eine Musik so sehr „Country“ wie die der „Country-Punk“-Bewegung, aus der auch die Karriere von William Elliot Whitmore entstanden ist. Mit Radium Death meldet er sich wieder einmal von seinem Bauernhof „irgendwo in Iowa“ zu Wort. Zehn neue Country-Folk-Perlen in sparsamer Band-Begleitung – sein Banjospiel wird durch zurückhaltende E-Gitarren- oder Lapsteel-Töne wirkungsvoll ergänzt – erzählen wieder mal melancholische, mal engagierte Geschichten über die Menschen, die Welt und das was schief läuft.
Schon als kleiner Junge hat der 1978 geborene Whitmore Hank Williams, George Jones und Ray Charles kennengelernt und das merkt man seinen Songs heute an. Er ist ein klassischer Country-Folk-Songwriter mit einer Prise Soul, zum bekannten kompositorischen Arsenal fügt er aber eine gewisse Punk-Attitüde an. Eines seiner Songwriter-Vorbilder ist Alternative-Country-Genie Bonnie Prince Billy, andere sind Guy Clark oder John Prine. Seine Themen reichen von der Beschäftigung mit seiner eigenen Autobiographie im ländlichen Farmidyll bis hin zu politischem Protest.
Mit dem Eröffnungssong „Healing to Do“ liefert er eine klassische Country-Ballade, in der die Lapsteel wehmütig wimmert. Sehr passend das Arrangement, geht es in dem Song doch um die Verarbeitung einer Reihe von familiären Todesfällen. Meisterhaft wie Whitmore hier sein ganz persönliches Empfinden und genretypisches musikalisches Ausdrucksmittel hier zusammenbringt. Ein erdiger Country-Soul-Rocker ist dann „Civilisation“. Mit Schlagzeug und Orgelbegleitung entsteht eine zuerst getragene Country-Church-Stimmung, ehe das Tempo anzieht und treibend nach vorne geht. Im Country-Shuffle-Tempo geht es dann auch bei bei „Trouble in Your Heart“ weiter, das er mit einem langgezogenen Schmerzensschrei abschließt. Und auch spätestens hier wird deutlich: Bei allem auf diesem Album vorhandenen Wohlklang: William Elliott Whitmore lässt sich weder in die kuschelig-kritische Folk-Nische noch in die eindimensionale „Ach wie ist’s auf dem Land so schön“-Country-Ecke stecken. Er bricht immer wieder gerne mit den Erwartungen, macht sein eigenes Ding.
Der Titel des Albums „Radium Death“ ist übrigens, so erzählt es Whitmore, von der Geschichte um die sogenannten „Radium Girls“ entliehen. So wurden die Fabrikarbeiterinnen bezeichnet, die sich bei der Arbeit für die United States Radium Corporation eine Radiumvergiftung zugezogen hatten. Ihre Arbeit hatte darin bestanden, Zifferblätter von Uhren mit radioaktiver Leuchtfarbe zu versehen. Eine Aufklärung über die Gefahren fand nicht statt, so dass die Frauen am Anfang überhaupt nicht wussten, was die Ursache ihrer Krebserkrankungen war. Da die Uhren vor allem vom Militär genutzt wurden, verklagten die Radium Girls Firma und Regierung auf Schadensersatz und schufen damit einen bis heute gültigen Präzedenzfall.
Auch diese Geschichte zeigt, auf welchem Feld sich Whitmore mit seinem Songwriting bewegt. Auf dem Land und doch mitten im Leben. Im Stall und doch in der Welt – er lässt er sich nicht im Idyll einlullen, sondern meldet sich immer wieder mit unbequemen Themen zu Wort. Ein Country-Punk, der aus großer Humanität und Liebe zu den Menschen die Obrigkeit und die wirtschaftlich Mächtigen kritisieren muss. Auch wenn er sich vielleicht lieber nur mit der Pferdezucht auf seiner Farm beschäftigen würde. Da er diese Botschaften dazu noch in tolle Musik einkleiden kann, macht ihn zu einem der interessantesten Künstler der Americana-Szene.
Fazit: Eigentlich ist William Elliott Whitmore so sehr „Real Country“, mehr geht nicht. Lebt auf einer Farm und singt weise, böse und zart von der Welt. Prädikat: Wenn es ihn nicht schon gäbe, müsste man ihn dringend erfinden.
Titel: Radium Death
Künstler: Williams Elliott Whitmore
Veröffentlichungstermin: 27. März 2015
Label: Anti
Vertrieb: Indigo
Format: CD, Vinyl & Digital
Tracks: 10
Genre: Americana, Alternative-Country, Folk
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Trackliste:
01. Healing to Do
02. Civilizations
03. Trouble in Your Heart
04. A Thousand Deaths
05. Go On Home
06. Don’t Strike Me Down
07. Can’t Go Back
08. South Lee County Brew
09. Have Mercy
10. Ain’t Gone Yet