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Nashville vs. Texas – Wo schlägt das Country-Herz?

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Am 3. April in wurde es wieder deutlich. Nach der Devise „Nashville Goes Hollywood“ hat die Hitfabrik aus Music City im Rahmen der ACM Awards eine glamourhafte Showdarbietung hingelegt. Der Red-Carpet-Auflauf vor der MGM-Garden-Arena zu Las Vegas trug oscarreife Züge und bewies einmal mehr, dass die Countrymusik den Sprung zum kommerziell verwertbaren Massenphänomen geschafft hat. Keiner anderen sogenannten Genremusik gelingt es, einen derartig hohen Publikumszuspruch zu erzielen, der sich mittlerweile über alle Gesellschaftsschichten bis in die Zielgruppe der „Unter-20-Jährigen“ hineinbewegt.

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Doch ist der von Nashville geprägte Country unserer Zeit mit dem Zusatz „New“ überhaupt noch ein Genre oder nicht schon längst zu einem Auffangbecken kommerziell verwertbarer Stile von Pop, Hip-Hop bis R&B geworden? Sind Herz und Seele des Country nicht schon längst aus Nashville ausgezogen und heute anderorts zu finden? Zumindest scheint das was wir heute als New-Country bezeichnen, seinen Nischenanspruch aufgegeben zu haben und über eine Anziehungskraft zu verfügen, von der All-Genre-Stars wie Justin Timberlake, Katy Perry, Cyndi Lauper oder Steven Tyler als Vermarktungsplattform gerne profitieren.

Dass der von Nashville forcierte New-Country im Jahr 2016 einer natürlichen Weiterentwicklung unterlegen ist und stilistische Seitensprünge zulässt, sollte als Ausdruck von Kreativität und Vitalität vor pauschalen Verurteilungen schützen. Die beißende Kritik an den Pop-Ausflügen der Szeneleader Luke Bryan oder Florida Georgia Line scheint mithin ähnlich maßlos wie die Lobhudeleien zu den zweifellos beachtlichen Performances des neuen Outlaw-Stars Chris Stapleton. Dazwischen stehen stadionfüllende Countryrocker wie Jason Aldean, Eric Church oder Brantley Gilbert Seite an Seite mit den R&B-Innovatoren Sam Hunt und Thomas Rhett und ringen dem ausgeweiteten Genre neue Facetten ab.

Doch ist diese von Nashville propagierte Vielfalt am Ende nicht sogar die Stärke des Country; einer Musikrichtung, die auf der Grundlage ihrer Tradition, das Genre mit neuen lebenserhaltenen Einflüssen anreichert? Ist die Vielzahl an Ehrbekundungen aus den Reihen der New-Country-Stars zum Tode des großen Merle Haggard nicht Ausdruck einer tiefen Verwurzelung? Der Eindruck, der bleibt, ist, dass das Country-Herz in Nashville mit voller Energieleistung pumpt und große Teile der amerikanischen Musiklandschaft mit frischen Impulsen versorgt.

Gleichzeitig mehren sich die Stimmen, dass der „Real Country“ Nashville den Rücken gekehrt und seine Heimat woanders gefunden hat. Texas – Homestate of Willie, Waylon & Kris – war sich seiner Sonderstellung in Sachen Country schon immer bewusst und hat es geschafft, eine eigenständige, von Nashville unabhängige Musikszene aufzubauen. Hier hat der Real Country Vorfahrt und findet in den heimeligen Honkytonks und Dancehalls zwischen Amarillo und Houston seinen traditionsnahen Ausdruck.

Die in Nashville vorherrschende Sorge, dass der Country ohne neue Stilbeimischungen ein Generationsproblem bekommen könnte, stellt sich hier offensichtlich nicht. Neben den langgedienten Szenestars von Robert Earl Keen über Radney Foster bis hin zu Kevin Fowler, Cory Morrow oder Pat Green ist eine junge Generation von Texas-Musikern herangewachsen, die die Tradition zur Freude des junggebliebenen Lone-Star-Publikums hochhält. Cody Johnson, Sam Riggs, William Clark Green, Rich O’Toole, Curtis Grimes, die Turnpike Troubadours oder Dolly Shine zählen zu den „jungen Wilden“, die die nachwachsende Fanbase mit stilechtem Texas-Country auf die Bretter zieht. Elektronische Loops, Stimmentfremdungen und dergleichen sind verpönt, stattdessen stehen Fiddle, Steel und weitere akustische Klanggeber im Vordergrund.

Selbst etablierte Singer-Songwriter wie Zane Williams, Randy Rogers, Aaron Watson, Wade Bowen oder Jon Wolfe sind sich ihrer traditionsnahen Vorbildfunktion bewusst und verzichten auf synthetische Tüfteleien. Das wesentliche und vielleicht relevanteste Qualitätsmerkmal der Texaner gegenüber Nashville ist, dass Songwriter und Sänger im Regelfall die gleiche Person sind. Das Storytelling steht im Vordergrund und lässt die texanischen Songhymnen bei oft spärlicher Instrumentierung so lebensnah und authentisch erscheinen.

Und wo schlägt nun das wahre Countryherz? Wenn man sich darüber im Klaren ist, dass die Countrymusik in ihren Entwicklungsstufen von Hank Williams über Johnny Cash, Buck Owens, Waylon Jennings, George Strait bis hin zu Garth Brooks stets stilistischen Anreicherungen unterworfen war, darf man die von Nashville geförderte New-Country-Vielfalt nicht pauschal verurteilen. Vor dem Hintergrund des umfassenden Publikumserfolges steht außer Frage: Das Herz des Country schlägt weiterhin in Nashville.

Und welche Rolle spielt Texas? Die Lone-Star-Musikszene ist und bleibt ein vor Talenten sprudelnder Regionalmarkt, dem die Einfluss- und Vermarktungsstrukturen der Music-Row-Giganten letztlich fehlen. Dies bildet wiederum die Grundlage, einer stilechten True-Country-Interpretation, die Freunden der Tradition eine musikalische Heimat bietet. Während das Herz in Nashville kräftig schlägt, ist die Seele des Country längst in Texas angekommen.

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Über Bernd Wenserski (602 Artikel)
Redakteur. Fachgebiet: New Country. Rezensionen und Specials.
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