Hochstimmung bei „Country2Country“ in Dublin
Das Country2Country Festival in Dublin - u.a. mit Brad Paisley, Jennifer Nettles, Marty Stuart, Zac Brown Band und Chris Young.
Zum fünften Mal in Serie haben sich die Stars der US-Country-Szene am zurückliegenden Wochenende über den Teich bewegt, um den europäischen Fans ihre Auffassung von moderner Countrymusik näherzubringen. Nachdem man im Jahr 2015 mit Stockholm und Oslo erstmalig den Sprung auf das europäische Festland gewagt hatte, wurde das Country2Country-Festival im letzten Jahr auf die „countrysicheren“ Inseln zurückverlegt.
Dublin, Glasgow und London hatten sich als Spielorte bewährt und zogen auch in diesem Jahr wieder ein stattliches Publikum an. Das Line-Up enthielt neben aktuellen Szenesuperstars wie Brad Paisley und der Zac Brown Band die hoffnungsvollen Aufsteiger Maren Morris, Dan+Shay, Cam und Hunter Hayes, ohne dabei auf verdiente Künstler mit Legendenstatus wie Reba oder Marty Stuart zu verzichten.
So durfte man beim Besuch der Dubliner 3Arena ein bunt gemischtes, erwartungsfrohes Publikum erleben, dessen Countrybackground nicht immer sofort offensichtlich wurde. Dieser Umstand tat – so viel sei vorweggenommen – der grandiosen Stimmung in der Halle keinen Abbruch, die spätestens mit den jeweiligen Headlinerauftritten ihren Siedepunkt erreichte.
1. Tag: Marty Stuarts Weckruf und Zac Browns Hallenfeuerwerk
Für den Freitag waren die TOP-Aufsteigerin des letzten Jahres Maren Morris, Countryveteran und Kultfigur Marty Stuart und die Hitlieferanten der Zac Brown Band vorgesehen. Eine Reihenfolge, die sich von der Dramaturgie her als goldrichtig erweisen sollte.
Zum Auftakt machte die erfolgsverwöhnte Aufsteigerin Maren Morris den Unterschied zwischen Studioarbeit und Bühnenperformance auf „überzeugende“ Weise deutlich. Der 26-jährigen Texanerin gelang es ziemlich schnell, zwischen sich und dem Publikum eine Wand aufzubauen und ihre an sich dankbaren Hits wie „80’s Mercedes“ oder „My Church“ leb- und emotionslos abzuspulen. Morris‘ uninspirierter und unsicher wirkender Auftritt wurde begleitet von einem künstlichen Soundgemisch, das die kleine, auf ihre eigene Optik fixierte Sängerin auf der zu großen Bühne regelrecht verloren erscheinen ließ.
Da kam der Weckruf mit Country-Legende Marty Stuart mehr als gelegen, der an der Seite seiner bestens aufgelegten Fabulous Superlatives das Stimmungsbild wieder zurechtrückte. Stuart, der just an diesem Abend die Erscheinung seines neuen Studioalbums „Way Out West“ zu verkünden hatte, sprühte vor Spielfreude und zelebrierte neben Standardhits wie „Tempted“ und „Hillbilly Rock“ auch Kostproben seines neuen Longplayers, der ein stimmungsvolles, musikalisches Landschaftsbild Kaliforniens zeichnet. Ein besonders bewegender Moment ereignete sich mit der Interpretation von Johnny Cashs Irland-Hommage „Forty Shades Of Green“, die von großen Teilen des Publikums mit Stolz aufgenommen wurde. Die musikalisch hochwertige Performance Stuarts und seiner Mitstreiter bereite den Boden für den Hauptact des ersten Abends: Die Zac Brown Band.
Die achtköpfige Countryformation aus Georgia stellte in einem eineinhalbstündigen Musikfeuerwerk unter Beweis, warum sie die aktuell einzige erfolgreiche Band in der New-Country-Szene ist. Angeführt von ihrem charismatischen Leader peitschte das Ensemble von Vollblutmusikern ihre Powerhits wie „Homegrown“, „As She’s Walking Away“ oder „Knee Deep“ durch die Halle, die bis in den letzten Winkel in Bewegung gesetzt wurde. Bei den Gänsehautballaden wie „Sweet Annie“,“Colder Weather“ oder aktuellen Single „My Old Man“ gingen die Emotionen dann in die andere Richtung – ein Wechselspiel, das den Auftritt der Zac Brown Band zum subjektiv empfundenen Highlight der gesamten Veranstaltung machte. Als Sahnebonbon wurde der Queen-Klassiker „Bohemian Rhapsody“ in mehrstimmiger Perfektion dargeboten und ließ eine begeisterte Fanbase zurück.
2. Tag: Cams Stimmungsperformance und Paisleys packende Gitarrenshow
Nach dem erfolgreichen ersten Tag konnte das hohe Niveau am zweiten Tag von Beginn an gehalten werden. Dabei entpupptes sich die Kalifornierin Cam als Überraschung des Abends. Die blonde Sängerin, die im Jahr 2015 mit ihrem Chart-Hit „Burning House“ auf der Bildfläche erschienen war, erwies sich von Beginn an als ansteckend gutgelaunte Live-Performerin und brachte dem Publikum ihr zum Teil wenig bekanntes Songmaterial mit Charme und Herzblut näher. Titel wie „Mayday“, „Cold In California“ oder das originelle „Country Ain’t Never Been Pretty“ zeigten positive Wirkung und beendeten den quirligen Line-Up-Opener mit zum Teil stehenden Ovationen.
Für die Ex-Sugarland-Sängerin Jennifer Nettles war das Eis damit gebrochen, die sich als Solistin ohne ihren Stammpartner Kristian Bush in Klasseform präsentierte. Dass es in der New Country-Szene zu Nettles‘ Stimmgewalt zur Zeit keine echte Konkurrenz gibt, wurde vor allem auf der Ballade „Unlove You“ ihres letzten Albums deutlich. Neben den weniger bekannten Solotiteln durften sich Sugarland-Fans an Hits wie „Baby Girl“, „Stay“ oder „Something More“ erfreuen. Damit war das nächste Highlight gesetzt und Tennessee-Guy Chris Young groovte sich nach verhaltenem Start bestens aufgelegt durch seinen Hitkanon. Standards wie „Getting You Home“, „Voices“ oder „Tomorrow“ wurden von den Nr.1-Hits seines aktuellen Albums „I’m Coming Over“ abgelöst. Youngs Kommunikation mit dem Publikum war ein Musterbeispiel an Wertschätzung und ließ auch diesen Auftritt in einem positiven Licht erscheinen.
Der Auftritt des auf den Inseln populären Superstars Brad Paisley dürfte auch für den Besuch einiger Musikfreunde außerhalb der Countryfangemeinde verantwortlich gewesen sein. Zumindest füllten sich Innenraum und Ränge bis auf den letzten Platz als der Gitarrenkönig aus West-Virginia seine Show mit den Klängen der Smash-Hits „Crushin‘ It“, „American Saturday Night“ und „Water“ eröffnete. Die Professionalität und Virtuosität Paisleys bot Anschauungsunterricht für so manch anderen Künstler und führte die countrybegeisterten Iren gerade bei den Fiddle-Breaks in Hochstimmung. Emotionaler Höhepunkt war die Signierung einer Gitarre mit einem Kleeblatt, die der Countrystar einem Jungen aus dem Publikum schenkte, mit der Aussicht, ihn im Jahr 2027 auf der Bühne wiederzusehen. Eine Überraschung ereignete sich dann, als Chris Young zu den Klängen von „I’m Still A Guy“ als launiger Duettpartner erneut auf die Bühne trat.
Während seiner rund 90-minutigen Show gönnte Paisley dem Publikum kaum eine Atempause. Man wurde Zeuge eines Hitfeuerwerks, bei dem neben alten Standards wie „Whiskey Lullaby“, „Mud On The Tires“ oder „She’s My Everything“ auch die neueren Hits wie „Perfect Storm“, „The Mona Lisa“ und die aktuelle Single „Today“ überzeugen konnten. Ein krönender Abschluss eines wunderbaren, stilistisch abwechslungsreichen Konzertabends.
Fazit: Top-Niveau und beste Stimmung mit Wiederholung im nächsten Jahr
Als Fazit bleiben bereits am Ende des zweiten Tages bei Künstlern, Publikum und Veranstalter nur zufriedene Gesichter. Wer den dritten Tag noch mitnehmen wollte, durfte sich als Highlights auf eine wiedererstarkte Reba McEntire und Darius Rucker freuen, der am Dienstag zuvor in Hamburg bereits überzeugend abgeliefert hatte.
Im kommenden Jahr – so viel steht jetzt schon fest, wird es vom 9. bis 11. März wieder eine dreitägige Konzertserie unter dem Titel „Country2Country“ geben. Eine Veranstaltung, deren Werbewirkung für die aktuelle Countrymusik in Europa von großer Bedeutung ist und deren Besuch wahren Fans dieser Richtung ein eindrucksvolles Wochenende beschert hat. Mit Blick auf den Geldbeutel vieler Musikfreunde hierzulande bleibt zu hoffen, dass man in dem Zusammenhang auch mal wieder den Sprung auf das europäische Festland wagt.
Bildergalerie: Country2Country 2017 in Dublin