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Vor 50 Jahren: Die Geburt von Country-Rock und Americana

Im Jahr 1968 wird Musikgeschichte geschrieben, als unter dem Einfluss von Bob Dylan mehrere Alben Country- und Rockmusik miteinanderverbinden.

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Country-Rock & Americana Country-Rock & Americana

Mit dem Erscheinen der Alben „Safe At Home“ von der International Submarine Band, „Sweetheart Of The Rodeo“ von The Byrds und „Music From Big Pink“ von The Band erblickten im Sommer des Jahres 1968 Country-Rock und Americana das Licht der Welt. Die Vaterschaft für die Verschmelzungen der Genres gehört aber Bob Dylan, der mit seinen textorientierten Folk-Rockmusik Vorbild für viele Musiker wurde, dessen Plattenaufnahmen 1966 in Nashville die dortige Szene nachhaltig veränderte, und der schließlich mit „The Band“ und den damals noch unveröffentlichten „Basement Tapes“ erstmals Folk und Rock mit Country zusammenbrachte und zum „Vater des Americana“ wurde.

„Gram Parsons wird zum Country-Rock-Pionier

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Anfang bis Mitte der 1960er Jahre versucht sich Gram Parsons, beeinflusst durch Bob Dylan als die Folkmusiker, ehe er durch John Nuese an die Countrymusik herangeführt wird. Gemeinsam gründen sie 1966 „The International Submarine Band“. Dort entwickelt sich Parsons zum kreativen Kopf der Gruppe, doch der wirkliche Output der Band und der kommerzieller Erfolg sind sehr gering. Ein paar Singles, darunter die Parsons-Komposition „Luxury Liner“ und dann von Juli bis Dezember 1967 die Arbeit am gemeinsamen ersten Longplayer „Safe At Home“ – viel Erfolg und Aufmerksamkeit war ihnen während dieser Zeit wahrlich nicht beschieden. Und Parsons entsprechend frustriert. „Safe At Home“ sollte ihr einziger Longplayer bleiben. Denn als er fertiggestellt wurde, bekam Parsons schon das Angebot von den „Byrds“. Erst Ende März, als die Gruppe schon nicht mehr existierte kam das Album heraus. Es ging ziemlich unter, obwohl es alles enthält, was sich später bei „Sweetheart Of The Rodeo“ wiederfinden sollte. Klassisches Country-Material, aber gespielt mit Rock-Drive und Rock-Attitüde. Die Meriten für das erste Country-Rock-Album gebühren also der Internationale Submarine Band, während „Sweetheart Of The Rodeo“ weitaus einflussreicher war und daher als wirkliche Geburtsstunde des Country-Rock in der öffentlichen Wahrnehmung gilt. Doch dazu später mehr.

„The Band“ buchstabiert die amerikanische Musik neu

Break: Woodstock, New York, 1967. War Bob Dylan zusammen mit „Levon & The Hawks“ im Frühjahr hinunter in den Keller von „Big Pink“ gestiegen, so kamen die vier Kanadier Robbie Robertson, Richard Manuel, Rick Danko, Garth Hudson sowie der Arkansas-Boy Levon Helm im Herbst als „The Band“ wieder hinauf. So nannten sie sich nun selbstbewusst, als sie schließlich am 1. Juli 1968 ihr Debütalbum „Music From Big Pink“ vorlegten. Die Platte veränderte die Richtung des Rock: Den damals aktuellen Psychedelic-Klängen setzten sie eine ruhigere, aber umso kraftvollere, durch Country, Blues und Folk geerdete Art der Rockmusik entgegen.

Denn die Musik der Band hatte ein festes Fundament. Denn bevor sie zu Dylan als Begleitband stießen, hatten sie bereits einige Jahre als Begleitband des kanadischen Rockers Ronnie Hawkins auf dem Buckel. Sie tingelten durch dunkelsten und obskursten Kneipen und Kaschemmen. So eigneten sie sich viel Rock, Country, und Rhythm & Blues an, waren schon mit allen Wassern gewaschene Musikanten, ehe sie mittels Dylan in die Welt von Folk und Folkrock eingeführt wurden. Nach Dylans Motorradunfall folgten sie ihm nach Woodstock und spielten mit ihm in den Sessions, deren Aufnahmen als „The Basement Tapes“ berühmt wurden, mehr als hundert Stücke aus Country, Folk, Blues und Rock’n’Roll.

Dabei entstanden drei Stücke, an denen Bob Dylan als Co-Autor beteiligt war und die so etwas wie den Grundstock für „Music From Big Pink“ lieferten: „Tears Of Rage“, „This Wheel’s On Fire“ und „I Shall Be Released“. Leittrack des Albums ist jedoch das bis heute ungebrochen faszinierende „The Weight“ – auch mittlerweile ein amerikanischer Klassiker. „Der Song ist pures Americana“, schreibt Peter Viney auf der Website von „The Band“. Und tatsächlich ermöglicht er auf engstem textlichem Raum allerlei amerikanische Assoziationen: Er hat biblische und religiöse Bezüge, er spielt mit Bildern des Kleinstadtlebens im Westen und dem Teufel, der quasi an jeder Ecke lauert. Er lässt Bigotterie genauso erahnen wie Liebe, Verlangen und Gewalt. Der Text ist in Panoptikum des alten, gefährlichen Amerika. Und auch seine Musik ist pures Americana. Sie eint in großartiger Weise Country, Rock, Soul und Gospel-Elemente.

Obwohl es kommerziell nicht sehr erfolgreich war, gilt „Music From Big Pink“ neben dem Nachfolgealbum „The Band“ von 1969 (auch als „braunes Album“ analog dem „weißen Album“ der Beatles bekannt) heute nicht nur als bestes Album der Band, sondern auch eines der besten und einflussreichsten Rockmusik-Alben überhaupt.

„Gram Parsons schubst die Byrds zum Country-Rock

Und es sollte sich noch mehr tun in der Musikwelt. Denn während „The Band“ ihren erdigen Americana-Sound entwickelten, tat sich auch bei den Folk-Rockern von „The Byrds“ etwas. Am 30. August 1968 veröffentlichten die Byrds nämlich ihr Album „Sweetheart Of The Rodeo“.

War die Entwicklung von The Band hin zum „Americana“ logisch und komplettierend, da sie Blues, Gospel und Rock’n’Roll schon im Blut hatten als sie auf Dylan und seinen textorientierten Folk-Rock trafen, so ist die Geschichte der Byrds und ihrem ersten Country-Rock-Album jedoch vor allem auch eine Story über einen Richtungsstreit in einer Band und einem neuen Bandmitglied, der ,kaum hatte er sein Werk vollbracht, auch schon wieder weiter zog.

Die Jahre 1967 und ’68 waren für die Byrds geprägt durch wechselnde Besetzungen. Waren sie in ihren ersten Jahren ab 1964 so etwas wie die Wunderkinder des Folk-Rock – sie adaptieren kommerziell erfolgreich Dylans Folk als Folk-Rock – so waren sie 1966 mittlerweile nicht mehr allein auf diesem Feld. „Lovin‘ Spoonful“ oder „The Mamas And The Papas“ waren ebenfalls erfolgreiche Folk-Rock-Acts. Zudem erschwerten persönliche Animositäten die kreativen und produktiven Prozesse der Band. Erst verließ David Crosby die Gruppe, weil er sich stets zurückgesetzt fühlte gegenüber Roger McGuinn und Gene Clark, dann ging auch letzterer vom Boot und das Schiff kam mächtig ins Trudeln. Als dann die Byrds nur noch aus Roger McGuinn und Chris Hillman bestanden, war klar dass neue Musiker gebraucht wurden. Zuerst zog man den Schlagzeuger Kevin Kelley an Land, der u.a. bereits mit Ry Cooder zusammengearbeitet hatte, dann stieß Gram Parsons zur Band.

Gram Parsons, der eben von jener kurzlebigen „International Submarine Band“ kam, zog auch hier sein Country-Ding gegen das anfängliche Misstrauen von Byrds-Gründer Roger McGuinn durch. Der hatte ganz andere Pläne, wollte die Musikgeschichte der USA vom Hillbilly bis hin zur elektronischen Musik auf einem Doppel-Album dokumentieren, aber Neumitglied und Country-Rock-Pionier Parsons gewann die übrigen Byrds dazu, ihren Folk-Rock mit Country zu vermählen. Insbesondere Hillman, der ja als Bluegrass-Musiker anfing war sofort Feuer und Flamme. Der Umstand, dass der erste Teil des Projekts in Nashville mit dortigen Country-Session-Musikern aufgenommen werden sollte, brachte das Ganze dann endgültig in die Spur. Und so fanden sich auf dem Album Songs sowohl von Bob Dylan und Woody Guthrie als auch von Merle Haggard oder den Louvin Brothers. Wiedergegeben in einem Sound, der Elemente der Countrymusik mit Rock mischte. Und in der Tat. Parsons hatte hier einfach weitergemacht, wo er bei der Submarine Band aufgehört hatte. Beiden ersten Country-Rock-Alben der Musikgeschichte drückte er seinen Stempel auf.

Doch auch bei den Byrds hielt es ihn nicht lange. Offiziell kam es zum Bruch über eine Südafrika-Tour der Byrds, die Parsons wegen der dortigen Politik der Apartheid nicht guthieß und nicht mitmachte. Eine Rolle mögen aber auch die ständigen Scharmützel mit McGuinn gespielt haben, dem Parsons wachsender Einfluss auf die Band nicht gefiel. Parsons hatte zwei Bands und zwei Alben zur Geburt des Country-Rocks verholfen, er wollte sich keiner Banddisziplin fügen. Stattdessen hing er mit Keith Richards ab, und begeisterte auch diesen für die Countrymusik. 1969 schließlich gründete er mit „Thy Flying Burrito Brothers“ die nächste Country-Rock-Kapelle.

Doch Parsons Spuren auf „Sweetheart Of The Rodeo“ wurden teilweise getilgt. Weil er nämlich aus der Zeit bei der „International Submarine Band“ noch bei Lee Hazlewoods LHI-Label vertraglich gebunden war, protestierte der gegen die Mitwirkung von Parsons bei dem Album und nahm Einfluss auf die Produktion des Longplayers, indem er mit rechtlichen Schritten drohte. McGuinn schien die Drohungen nicht so richtig ungelegen zu kommen, konnte er doch drei Songs neu einsingen und damit Parsons Anteil am Album für die Öffentlichkeit herunterspielen. Und als „Sweetheart Of The Rodeo“ schließlich am 30. August 1968 erschien, war Parsons ja längst kein Mitglied der „Byrds“ mehr.

„Ohne Dylans Einfluss kein Country-Rock, kein Americana

Schnitt und Rückblick: Bob Dylans Produzent Bob Johnston holte 1965 den Nashville-Multi-Instrumentalisten Charlie McCoy, als der sich gerade in New York City aufhielt, zu den Aufnahmen von Dylans Album „Highway 61 Revisited“ dazu. Dylan war schwer angetan von McCoys Instrumentalkünsten, so dass er bald schon nach Nashville reiste, wo er dann im folgenden Jahr mit den „Nashville-Cats“, den bedeutendsten Session-Musikern der Stadt, sein Doppelalbum „Blonde On Blonde“ aufnahm. Die Nashville Cats waren doch schon ziemlich erstaunt über Dylans Arbeitsweise. Sie waren es gewohnt, fertige Songs in vorgegebenen Arrangements zu spielen. Doch der Folkrock-Hipster schrieb die Songs während der Aufnahmen und entwickelte die Arrangements erst vor Ort und ließ mitunter die Musiker ihre Instrumente tauschen. Und dennoch: das Chaos war produktiv und kreativ und Dylans „Blonde On Blonde“ wurde zu einer Sternstunde der Rockmusik. Das nötigte selbst den hartgesottenen Nashville Cats Respekt ab. Dylan hatte Nashville verändert. Er hatte den Boden bereitet für eine neue Art des Musik machen. Er hatte den Boden bereitet für Singer-Songwriter. Diese Archetypische Figur zog in die Countrykultur ein. Eine Kultur, die er sich wiederum gerade aneignete. Denn bevor „The Band“, „The International Submarine Band“ und „The Byrds“ erschienen waren, da kam im Dezember 1967 sein Album „John Wesley Harding“ heraus. Und wieder hatte er es mit den Nashville Cats im Country-Mekka eingespielt. Es war ein Country-Folk-Album, das seinen Weg in die Countrymusik dokumentierte.

„Gram Parsons – der tragische Held des Country-Rock

Gram Parsons, der Zeit seines Lebens ein großer Dylan-Fan war, führte unter Dylans Einfluss Rock und Country zusammen, während Kris Kristofferson, der erste wirkliche Singer-Songwriter des Country wurde. Und im Keller hatte er zusammen mit „The Band“ zu der Musik gefunden, die erst einige Jahre später das Label „Americana“ bekam.

Doch weder die Country-Freunde in den Südstaaten goutierten die Liebe der „langhaarigen Hippies“ zur Countrymusik noch das Stammpublikum der Musiker, die einen Verrat an der Gegenkultur witterten. So sollte es noch ein paar Jahre dauern bis der Country-Rock auch wirklich im Mainstream angekommen war. An der Westküste waren es die Eagles und Linda Ronstadt, die durch ihren kommerziellen Erfolg dem Country-Rock den Weg bereiteten, in den Südstaaten waren es Gruppen wie Lynyrd Skynyrd und die Allman Brothers, die den Southern-Rock entwickelten.

Da war es besonders tragisch, dass Gram Parsons den Aufschwung der von ihm mitbegründeten Musikrichtung gar nicht mehr miterlebte. Auch bei den „Flying Burrito Brothers“ hielt es ihn nicht lange, in den frühen 1970ern arbeitete er solo und mit Emmylou Harris als Duettpartner. Doch er wurde seine Dämonen einfach nicht los. Gram Parsons starb am 19. September 1973 im Alter von nur 26 Jahren an einer Überdosis Morphium und Alkohol.

Gut zwei Jahre später sollte aus Verehrung für das Werk von Gram Parsons ein bekannter Kollege Emmylou Harris als Co-Sängerin für seine neue Platte engagieren. Der Name der Platte war „Desire“, der Künstler hieß Bob Dylan.

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Über Thomas Waldherr (804 Artikel)
Redakteur. Fachgebiet: Bob Dylan, Country & Folk, Americana. Rezensionen, Specials.
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