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James Hand – Mighty Lonesome Man

Die Texas Honky Tonk Legende wäre diesen Sommer 70 Jahre alt geworden.

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James Hand - Mighty Lonesome Man James Hand - Mighty Lonesome Man. Bildrechte: Slim Hand Music (Hillgrass Bluebilly Records)

Als James Hand einmal gefragt wurde, welches Lied ihn denn am meisten beeinflusst habe, antwortete er wie aus der Pistole geschossen: Houston von Dean Martin. Als der Song in den Charts war, muss James so 12 oder 13 Jahre gewesen sein. Auf der elterlichen Farm hätte es damals eine alte Zisterne gegeben. Einen riesigen Tank, um Wasser aufzufangen. Aber das Ding sei eigentlich immer leer gewesen. Also habe sich er sich dort auf den Boden gelegt, nach oben gesehen und laut den von Lee Hazlewood geschriebenen Song gesungen und dabei den Sound und das kräftige Echo genossen, sich fortgeträumt und vorgestellt, einst ein großer Star und Sänger zu sein.

Dean Martin – Houston: Das Video

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Es kam freilich anders. Hand wurde kein großer Star. Aber er erreichte immerhin einen Kultstatus bei eingefleischten Honky Tonkern und wurde ein „Musician’s Musician“, jemand, der insbesondere unter seinesgleichen – unter Singer & Songwritern, große Verehrung und Bewunderung genoss.

Höchstens Hank Williams hat ähnlich oft sein gebrochenes Herz besungen. Das Herz von James Hand hörte am 8. Juni 2020 auf zu schlagen. Ein schwarzer Tag für alle, die Hand mit seiner Kunst berührt hatte. Bei Menschen, die Hand hörten und auf der Bühne sahen, hinterließ er meist er einen nachhaltigen Eindruck. Und selbst Willie Nelson bezeichnete Hand einmal folgerichtig als „The real deal“.

Für den britischen Singer & Songwriter Ags Connolly war die Erfahrung, Hand auf dessen Europatour 2006 live zu erleben, gar so eindringlich, dass sie für ihn Karriere bestimmend war. Ags hatte damals keine Ahnung, was ihn erwartete, als der verknitterte Mann mit Cowboyhut und zu groß wirkendem Westernanzug im Vorprogramm von Dale Watson plötzlich auf die Bühne trat. Später schrieb Connolly eine Ode auf den Texaner und fand wie andere Honky Tonker vor und nach ihm in Hand einen Mentor und Freund. Ja, diese erste Begegnung führte dazu, dass Ags Connolly seine musikalische Heimat im Country-Genre fand.

Ags Connolly – I Saw James Hand: Das Video

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Auch Charley Crockett war von Hand fasziniert: Charley hatte Slim – wie James Hand von Freunden genannt wurde – das erste Mal 2013 live erlebt. Es hatte ihn schwer beeindruckt, diesen Sänger zu sehen, der seine Songs so intensiv durchlebte, dass er schon mal beim Singen Tränen in den Augen hatte. Für Charley war James Hand die Legende, die er persönlich kennenlernen durfte. Ein Mann auf Augenhöhe mit den Großen der Zunft wie George Jones oder Johnny Cash und aus dem gleichen Holz geschnitzt wie Hank Williams.

Als Crockett 2018 für die Ameripolitan Awards nominiert war, sah er Hand in Memphis Tom T. Halls Klassiker That’s how I Got To Memphis singen. Stark beeindruckt von Performance und Song, beschloss er, diesen für ihn zuvor unbekannten Song aufzunehmen, der dann das erfolgreichste Stück seines Blue Bonanza Albums wurde. Um seinen Dank und seine Verehrung auszudrücken, ließ er Hand daraufhin die Hauptrolle im dazugehörigen Videoclip übernehmen.

2020 wollte Crockett dann mit Hand touren. Außerdem hatte er ihm gesagt, dass er ein Album mit dessen Liedern aufnehmen wollte, um ihn als einen der größten lebenden Songwriter zu ehren. Dann kam nicht nur Corona, sondern Hand starb überraschend. Crockett jedoch wollte wenigstens sein Versprechen einlösen und so entstand 2021 das überaus gelungene Tributealbum 10 for Slim: Charley Crockett Sings James Hand.

James Hand hatte eine völlig ungewöhnliche Karriere. Sein ganzes Leben lebte er in Tokio, Texas, einem Nest mit ein paar Häusern mitten im Lone Star State in der Nähe von Waco. Auch wenn er bereits als Jugendlicher mit der Musik anfing, machte er seine ersten Aufnahmen erst mit 45 Jahren. Hand spielte hauptsächlich in den Bars und Honky Tonks seiner Gegend, als er endlich 2006 im Alter von 53 Jahren sein Debütalbum bei Rounder veröffentlichte.

James Hand war ein sehr trauriger und schwermütiger Mensch. Dabei war er aber auch ausgesprochen herzlich und offen. In den wenigen Interviews, die man von ihm findet, erkennt man, wie authentisch, frei und ungefiltert er ist, so intim sind seine Aussagen. Eigentlich brauchte es aber keine Interviews, um etwas über ihn zu erfahren. Es ist alles in den Songs.

James Hand – Over There, That’s Frank: Das Video

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Als James Hand dem amerikanischen Sender NPR 2006 ein Radio-Interview gab, sprach er über das Erlebnis, das seinen Song Shadows Where The Magic Was inspiriert hatte:
Der Song erzählt, wie der Protagonist in ein altes verlassenes Gebäude zurückehrt, in dem er einst mit seiner Familie lebte. Dort wird er von belastenden Erinnerungen eingeholt: Auf unheimliche Weise bemächtigen sich alte Dämonen seiner und der Erzähler, der – wie suggeriert wird – wohl in der Vergangenheit getrunken hat, greift in seiner Verzweiflung zu einer vor 20 Jahren unter der Küchenspüle versteckten Flasche Whiskey und leert diese. Um sich von dem verwunschenen Ort und dem damit verbundenen Trauma zu befreien, zündet er schließlich das verfluchte Haus an. Und so endet die Geschichte tragisch, denn verlassen hat er sein ehemaliges Heim zuvor nicht mehr.

In Shadows Where The Magic Was nimmt Hand den Zuhörer mit in eine schauerliche Welt, die an Gothic Novels des 19. Jahrhunderts erinnert. Nur mit wenigen gut gesetzten Worten entfaltet Hand das verhängnisvolle Schicksal des armen Teufels vor unserem inneren Auge.

James Hand kannte seine Dämonen. Bereits als Kind hörte er Stimmen. Wegen Amphetamin-Missbrauchs saß er im Gefängnis. Innerlich zerrissen begleiteten psychische Probleme, Drogen und Alkohol wie auch sein unerschütterlicher, kindlich anmutender christlicher Glauben sein Leben.

Wie Hand betonte, war er einst in diesem Haus. Er trank den Whiskey, aber er konnte das Haus verlassen. Und statt dort zu sterben, schrieb er den Song. Im gleichen Interview gab Hand zu Protokoll, dass das Musikmachen ihn davor bewahre, buchstäblich verrückt zu werden. Ja, wenn man dieses Interview hört, gibt es keinen Grund, daran zu zweifeln.

James Hand – Shadows Where The Magic Was: Das Video

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Und kein Wunder, dass Hand „Shadows Where The Magic Was“ für einen seiner besten Songs hielt. Erstmals veröffentlichte er das Stück auf einer selbstfinanzierten CD gleichen Namens, die er 1997 herausbrachte. In den kurzen Linernotes schrieb er, dass diese CD – die erste eigene Plattenaufnahme – die Erfüllung des Traumes sei, den er einst mit 13 Jahren gehabt habe. Als er gute 10 Jahre später bei Rounder sein erstes offizielles Album „The Truth Will Set You Free“ veröffentlichte, durfte der Song dann natürlich nicht fehlen.

Einmal danach gefragt, wie er diese heavy Songs schreibe, antwortete Hand:
Life writes ‚em, I just try to remember the words.

James Hand wäre am 7. Juli 2022 70 Jahre alt geworden.

James Hand – Mighty Lonesome Man: Das 2012er Album

James Hand - Mighty Lonesome Man

Titel: Mighty Lonesome Man
Künstlerin: James Hand
Veröffentlichungstermin: 16. Oktober 2012
Label: Slim Hand Music (Hillgrass Bluebilly Records)
Formate: Viny, Digital
Tracks: 12
Genre: Traditional Country

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Trackliste: (Take It Like A Man)

01. Mighty Lonesome Man
02. Years I been Loving You
03. Lesson in Depression
04. Please Me When You Can
05. The Drought
06. Old Man Henry
07. Now Not Later
08. My Witness
09. Wish You Would Miss Me
10. You Almost Fell
11. Favorite Fool
12. You Were With Me Then

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Über Oliver Kanehl (55 Artikel)
Redakteur. Fachgebiet: Traditionelle Countrymusik von vorgestern und heute (Indie Country, Hillbilly, Honky Tonk u.a.) Rezensionen, Specials.
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