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Better Call Brown oder 70 Jahre Junior Brown

Country-Bariton und Saiten-Virtuose Junior Brown feierte diesen Sommer seinen 70. Geburtstag. Ein vortrefflicher Anlass, einmal seinen Beitrag für die Countrymusik und Popkultur im Allgemeinen zu würdigen.

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Junior Brown Junior Brown. Bildrechte & Photo-Credit: Junior Brown

Wenn man in den 1990er Jahren das amerikanische oder britische Musikfernsehen einschaltete, kamen ab und zu diese unwiderstehlich coolen und witzigen Videos eines zum Anzug Cowboyhut tragenden Mannes mit einer völlig verrückt aussehenden Gitarre. Ja, insbesondere der Clip zu Junior Browns Coverversion von Highway Patrol ist immer noch unschlagbar catchy und funny.

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Junior Brown wurde am 12. Juni 1952 als Jamieson Brown in Cottonwood, Arizona geboren. Schon bald zog die Familie nach Indiana und lebte später in Albuquerque, New Mexico. Junior lernte, wie er einmal scherzhaft betonte – Klavierspielen, bevor er sprechen konnte und fand bei den Großeltern später eine Gitarre, der er sich ebenfalls mit Leidenschaft widmete. Als Teenager war sein Interesse an Countrymusik sein persönliches Geheimnis. Diese sei für ihn wie ein heimliche Freundin gewesen. Insbesondere Mädchen erzählte er nichts von seinem Faible für das Genre, da er Angst hatte, sie würden ihn sonst auslachen.

Bereits in den 1960ern begann er in Bands zu spielen. Mit 17 hatte er die High School abgebrochen und konnte nichts weiter – also begann er als ersten Job, sechs Nächte die Woche in Honky Tonks zu spielen. Während der 70er gehörte er als Steel- und Leadgitarrist zu mehreren Bands, die eher regional eine Rolle spielten. Zu nennen wären z.B. Dusty Drapes and the Dusters aus Colorado, die ihn einst als Tramper aufgelesen haben wollen und ihm angeblich auch das Junior als Nickname verpasst haben. Danach spielte er bei den Last Mile Ramblers, mit denen er eine Platte aufnahm und auf der er auch einige Songs sang. 1975 begleite Brown mit der Band Outlaw-Country-Pionier Steve Young, den Mann, der Waylon Jennings‘ Hit „Lonesome On’ry & Mean“ geschrieben hat, bei „The White Trash Song“ für dessen Platte „Seven Bridges Road“.

In dieser Zeit entwickelte Brown seine Skills als Virtuose, Showman und Entertainer: „Ich habe in den 1970er und 1980er Jahren mehr Nächte in Honkytonks gespielt, als die meisten Musiker in ihrem Leben sehen werden. Ich habe das so viele Jahre gemacht, Nacht für Nacht, vier Sets pro Nacht, 15-minütige Pausen; Ich meine, danach musst du gut sein oder Du bist raus.“

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Für etwa ein Jahr war Junior Brown sogar mal Mitglied von Asleep At The Wheel, dann lief es mit Livemusik aber immer schlechter, so dass er das Angebot annahm, an der Hank Thompson School of Country Music an der Rogers State University in Claremore, Oklahoma Gitarre zu unterrichten. Dort befand er sich in guter Gesellschaft, denn Texas Playboys Steel-Guitar-Legende Leon McAuliffe lehrte dort ebenfalls. Und hier traf Brown dann auch auf den Menschen, der für seine Zukunft in jeder Hinsicht eine bedeutende Rolle spielen sollte. Eine von Browns Studenten war Tanya Rae, die Frau, die er 1988 heiraten sollte und die als Herzstück des Brownschen Backbeats Rhythmusgitarre spielend bis heute jeden Abend mit ihm auf der Bühne steht.

War Junior Brown musikalisch eher frühreif, war er karrieremäßig eher ein Spätentwickler. Erst als er in den 80ern in die texanische Hauptstadt Austin kam, sollten sich die Dinge langsam ändern. All die Jahre hatte er Gitarre und genauso Steel gespielt, war aber frustriert, dass man beides spieltechnisch nicht so einfach kombinieren konnte. Dann 1984 hatte er plötzlich eines Nachts einen Traum. Er träumte von dem Wunderding, das beide Instrumente vereinte. Am nächsten Morgen legte er die Instrumente auf dem Bett nebeneinander. Es müsste doch irgendwie gehen, daraus ein einziges zu machen.

Als Teenager hatte Brown einmal Rock’n’Roll Pionier Bo Diddley getroffen. Vielleicht hatte diese Begegnung unterbewusst die Idee beeinflusst, denn Diddley baute schließlich auch seine Instrumente selbst. Also beschloss Brown, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen und machte sich auf die Suche nach jemandem, der ihm helfen konnte, seinen Traum Realität werden zu lassen. Ein gutes Jahr später fand Brown den richtigen Partner in Person von Gitarrenbauer Michael Stevens. Stevens hatte schon Doubleneck-Gitarren gebaut, aber auf so eine verrückte Idee wäre er selbst nie gekommen. Doubleneck Gitarren, Instrumente mit zwei Gitarrenhälsen, haben in der Countrymusik durchaus eine gewisse Tradition. Begonnen hat vermutlich alles mit Joe Maphis‘ Mosrite Gitarre, die eine normale Gitarre (unten) mit einer wesentlich kleineren mit den Abmessungen eines Mandolinenhalses (oben) kombiniert. Bei der ersten Version von Browns spezieller Doubleneck verbaute Stevens den Hals einer Fender Bullet auf der oberen Seite und Teile einer Sho-Bud Lap-Steel-Gitarre weiter unten. Die erste Guit-Steel war geboren.

Aufgrund des sechs Kilogramm Gewichts begann Brown im Folgenden das Instrument auf einem extra gefertigten Ständer zu spielen – natürlich im Stehen, da ihm dies besonders zusagt. Wie beim Steelspielen üblich hat Brown Fingerpicks an den Fingern der rechten Hand. Wenn er vom oberen Gitarrenhals zum Lapsteel-Teil wechselt, zückt er vorher den oben im Korpus versenkten Metall-Slide und steckt ihn nach dem Spiel ebenso rasch wieder dorthin zurück. Man muss es gesehen haben!

Bis heute spielte Brown mehrere Modelle der Guit-Steel. Eine wurde ihm 2019 gestohlen, so dass eine weitere gefertigt werden musste. Inzwischen hat er außerdem eine noch schrägere Weiterentwicklung: Diese verbindet Pedal Steel und Gitarre. Bei diesem Wunderding lässt sich der normale Gitarrenpart blitzschnell ausklappen – ein echtes Honky Tonk Gadget!

War Brown für viele Jahre der einzige Spieler der Guit-Steel, gibt es inzwischen ein paar wenige andere, denn bei Stevens kann man die handgefertigten Unikate für etwa 15.500,- Dollar inklusive Flightcase bestellen.

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Zurück nach Austin in die 80er: Mit seiner Frau als Rhythmuspart und dem Wunderinstrument Guit-Steel konnte es losgehen und Brown stellte seine erste eigene Band zusammen. Einen wichtigen Partner und Unterstützer fand er dann in Steve Wertheimer, dem Betreiber des Continental Club. Er gab Brown einen regelmäßigen Gig jeden Sonntagabend. Am Anfang lief das gar nicht gut, dabei kostete die Show noch nicht mal Eintritt. Wie Brown sich erinnert, kamen nie mehr als vier bis fünf Leute – alle Gitarrenspieler.

Nach ein paar Monaten mit geringer Steigerung, sagte Brown zu Wertheimer, er wolle ihm nicht länger auf der Tasche liegen, aber Wertheimer glaubte an Brown und behielt recht und dann schließlich war der Laden bei Browns wöchentlichen Shows immer restlos ausverkauft. Das lag daran, dass zu ihm nun auch Leute kamen, die normalerweise gar keine Countrymusik hörten. Es hatte sich schließlich herumgesprochen, dass Junior Brown eine wahnsinnig unterhaltsame Show bot. Und so konnte Brown endlich selbstironisch sagen: „It took me 30 years to be an overnight sensation.“

Junior Browns erster eigener Longplayer erschien, als Junior beinahe 40 war. Nachdem Nick Lowe ihn in Austin live gesehen hatte, nahm er eine Kassette mit Browns erster Selbstveröffentlichung mit nach England. Demon Records griff zu und brachte 1990 12 Shades of Brown offiziell heraus. 1992 wechselte Brown zu Curb Records, so dass die Platte ein Jahr später endlich auch regulär in den USA erschien.

Im Laufe der 90er veröffentlichte Brown fünf erfolgreiche Platten und schaffte es dank seiner unterhaltsamen Songs und Videos auch zweimal in die Charts. Er erhielt drei Grammy-Nominierungen und gewann 1996 den CMA Award für das Country Music Music Video Of The Year mit dem Clip zu „My Wife Thinks You’re Dead“. Bei der Albumversion des Songs ist übrigens Fabulous Thunderbirds Gitarrist Jimmie Vaughan an der Sologitarre zu hören. Das ist zwar ganz nett, aber im direkten Vergleich zu Browns eigener Gitarrenarbeit – zu hören in der Singleversion, bekommen wir und Vaughan vorgeführt, wer der wahre Meister ist. Übrigens gab Brown Anfang der 80er dem jungen Jimmie eine Zeit lang Steel-Unterricht.

Dass Brown aber etwas für Kollaborationen übrighat, hat er immer wieder gezeigt: Mit Highway Patrol-Autor Red Simpson sang er z.B. auf seinem 1996er Album „Semi-Crazy“ auch den gleichnamigen Song. Und im gleichen Jahr erschien ein weiteres Duett der zwei LKW-Liebhaber: Auf der Truck Driving Songs Compilation Rig Rock Deluxe sangen „Nitro Express“.

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Humorvolle Truckersongs im Red Simpson oder Dave Dudley Style sind seit den 90er Jahren Junior Browns Markenzeichen. Zu Browns unterhaltsamem Sound-Mix gehört neben den virtuos gespielten Gitarrenparts, eingebettet in viel Bakersfield Twang und gewürzt mit einer frechen Rockabilly Attitude, sein an Ernest Tubb und Dudley erinnernder Gesangsstil.

Alle seine bis heute erschienenen 12 Alben hat Brown selbst produziert. Ist „Early 60s Honky Tonk“ auch das Fundament von Junior Browns Sound, so gibt es quasi nichts, was er nicht spielen kann und mühelos in seine Musik integriert: Surfinstrumentals im Dick Dale Style, Western Swing, Ragtime und Jazztöne, Texas Blues und Gitarrenfeuerwerke à la Jimi Hendrix. Es ist schon etwas dran, dass Junior Brown, wie einmal geschrieben wurde so etwas wie „Tthe missing link between Ernest Tubb and Jimi Hendrix“ sei.

Apropos Hendrix: Ein Karriere-Highlight war es für Junior Brown, gemeinsam mit den beiden Jimi Hendrix Experience Mitgliedern Noel Redding und Mitch Mitchell 1998 beim Bumbershoot Rock Festival in Seattle, Washington den Hendrix Klassiker Stone Free zu spielen.

Gesanglich hat Brown schon auch Einiges zu bieten. Auch wenn er sich fast immer im tiefen Register bewegt, ist das in erster Linie eine stilistische Entscheidung, klingt er doch eine Oktave höher erstaunlich ähnlich wie Waylon Jennings – nachzuhören u.a. auf der Ralph Stanley Duett Platte „Clinch Mountain Country“.

Dass Junior Brown ein Liebling anderer Musiker ist, lässt sich an seiner großen Anhängerschaft ablesen: Metallica und Tom Petty wollten einst Brown als Opener für ihre Tourneen, doch er musste wegen anderer terminlicher Verpflichtungen absagen. Mit ZZ Top und Bob Dylan passte jedoch der Zeitplan. In Junior Brown Shows sollen schon Ernest Tubb, Carlene Carter, Ry Cooder, Neil Young, Chris Isaak oder auch die Butthole Surfers und Led Zeppelin Bassist John Paul Jones gesehen worden sein. Hank Thompson, Lloyd Green und sogar die Beach Boys und einige mehr besuchte wiederum Brown im Studio und nahm mit ihnen Stücke für ihre Alben auf.

1996 spielte Junior Brown im Comedy-Video zu George Jones‚ „Honky Tonk Song“ den Sheriff. Was sonst? Seit seinem Highway Patrol-Video wusste man, wie gut das passt. Zwei Jahre danach besetzte ihn der spätere Breaking Bad Mastermind Vince Gilligan in einer Folge von X-Files, die er geschrieben hatte. Konsequent, dass er, ganz Fan, Junior Brown auch 2015 bat, für das Breaking Bad Spin-off Better Call Saul einige Jingles und einen Theme Song aufzunehmen. Das witzige Stück wirkt wie Browns persönlicher Tipp für die Abendunterhaltung. Später nahm Brown für eine Folge der Serie noch den Santo & Johnny Klassiker „Sleep Walk“ auf.

https://youtu.be/YnSKWHznygM

Im Dukes Of Hazzard Film von 2005 gibt Junior Brown den Balladeer, den Erzähler, und steuert dazu noch Einiges an Musik bei, genau wie es einst Waylon Jennings getan hat.

Ist es auch in den letzten zehn Jahren bezüglich neuer Platten um Junior Brown etwas ruhiger geworden, hat er 2018 nach sechsjähriger Pause endlich ein weiteres Album veröffentlicht und 2021 erstmals ganz offiziell gemeinsam mit seiner Frau Tanya Rae Brown eine Platte herausgebracht: His & Hers enthält 15 Songs in gewohnt hoher Qualität. Neu ist, dass die beiden einige Male tatsächlich echte Duette zusammen singen und Tanya Rae sowie auch er ein paar Songs allein singt. Mir gefällt weiterhin Browns Wortwitz und besonders sein Song „Cell Phone“, bei dem das Telefon gar nicht mobil ist, sondern witzigerweise jemandem in einer Gefängniszelle gehört. Nicht nur dieser Song unterstreicht, dass Junior Brown immer noch beherzigt, was sein großes Vorbild Ernest Tubb einst zu ihm sagte: Keep it country, boy!

Denkt man an „The Better Half“, einen Song von Junior Browns 1998er Album „Long Walk Back“, muss sich der Gitarrenmann die Frage gefallen lassen, ob er mit der besseren Hälfte nun seine Frau Tanya Rae oder doch die gute alte Guit-Steel meint. Feststeht: Ohne die eine oder die andere wäre Junior Brown wohl nicht Junior Brown. Möge er noch lange mit beiden gemeinsam das tun, was er am besten kann: sehr unterhaltsame Musik machen!

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Über Oliver Kanehl (55 Artikel)
Redakteur. Fachgebiet: Traditionelle Countrymusik von vorgestern und heute (Indie Country, Hillbilly, Honky Tonk u.a.) Rezensionen, Specials.
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