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Billy Joe Shaver: Unverwüstliche Kultfigur

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Ganze zwei seiner Singles tauchen in den Country Charts von Billboard auf. Dabei handelt es sich um „I Been To Georgia On A Fast Train“ (Platz 88) und „You Asked Me To“ (Platz 80) in den Jahren 1973 respektive 1978. Beide Songs sind in anderen Versionen erfolgreich gewesen. „You Ask Me To“ beispielsweise mit Elvis Presley und vor allem Waylon Jennings. Geschrieben wurden sie von Billy Joe Shaver, der der Musikwelt noch so manchen anderen exzellenten Song geliefert hat.

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Auch wenn er als Sänger nicht die Hitparaden stürmte, er ist ein echte Kultfigur geworden. Jemand, der aus der Country Music nicht wegzudenken wäre. Ein kantiger, knorriger, wettergegerbter Typ, der mit einer gehörigen Portion Sturheit seinen Weg bis heute geht. Auch anno 2010 machte er wieder von sich Reden – allerdings nicht mit seiner Musik sondern wegen seiner Probleme mit der Justiz. Davon später mehr.

Billy Joe Shaver

Billy Joe Shaver hatte kein einfaches Leben, leicht hat er es nicht gehabt. Wie eine Achterbahnfahrt hat es sich entwickelt – das gilt auch für seine Karriere in der Musik. Eines seiner besten Alben trägt den Titel „Salt Of The Earth“.

Er sieht mit zunehmendem Alter immer mehr aus wie das „Salz der Erde“, wie ein rauer Geselle, der gewohnt ist, um seinen Platz zu fighten. Wenn es nötig ist, dann tut er das auch. Mit seinen Songs übrigens streut er schon seit Jahrzehnten immer wieder das sprichwörtliche Salz in die Nashville-Suppe. Die Zeitschrift „Chicago Tribune“ schrieb einmal: „Shaver schreibt Texte, ernst oder lustig, die einen fast mystischen Ausblick beinhalten, der die Welt in brilliantem Kontrast zum Individuum stellt.“

Shaver hat zweifelsohne Einfluss auf die Musik Nashville’s ausgeübt. Dass dies möglich wurde, hat er in nicht unerheblichem Maße Bobby Bare und seinem Weitblick zu verdanken. Jahrelang war Shaver ein Geheimtipp geblieben. Bare holte ihn ans Licht und bald stürzten sich auch andere Sänger auf Shaver’s Songs.

Im texanischen Corsicana wurde Shaver am 16. August 1939 geboren. Im gleichen Städtchen war elf Jahre vorher der unvergleichliche Lefty Frizzell geboren worden. Als er noch nicht einmal auf der Welt war, begann für ihn schon Ungemach, denn sein Vater machte sich aus dem Staub. Seine Mutter Victory ließ ihren Sprössling in der Obhut der Großmutter, damit sie in einem Nichtclub in Waco den Lebensunterhalt verdienen konnte. Als er ein wenig älter war, nahm ihn die Mama gelegentlich mit in den Nightclub. Dort machte Shaver Bekanntschaft mit der Country Music.

Es ergab sich als glückliche Fügung dass seine Mutter wieder heiratete kurz nachdem die Oma gestorben war. Gleichwohl hatten Billy Joe Shaver und seine etwas ältere Schwester Patricia eine ziemlich unruhige Jugend. Nach dem 8. Schuljahr hatte er die Nase voll von der Schule, er verdiente sich lieber einige Greenbacks an der Seite von Verwandten in den Baumwollfeldern. Wenn seine Vita stimmt, verpflichtete sich Shaver exakt an seinem 17. Geburtstag bei der U.S.Navy. Damit konnte er eine Zeit überbrücken, einen wirklichen Plan, wie sein künftiges Leben aussehen sollte, bekam er bis zur Rückkehr in das Zivildasein nicht.

Mit Gelegenheitsjobs hielt er sich über Wasser, selbst als Rodeoreiter versuchte sich Shaver. Als er Brenda Joyce Tindell traf, wurde die seine Ehefrau. Mehrmals ließen sie sich im Laufe der Jahre scheiden aber fast ebenso oft heirateten sie auch wieder. Allein das macht deutlich, was für ein ungewöhnlicher Zeitgenosse Shaver ist. Seit vielen Jahren sind auch äußerliche Spuren seines unsteten Lebenswandels nicht zu übersehen. Aus der Zeit, in der er in einem Sägewerk arbeitete, fehlen ihm zwei Finger der rechten Hand teilweise. Ein Unfall … als die Entzündung ausgeheilt und er einigermaßen wiederhergestellt war, hielt ihn das nicht davon ab, sich trotzdem selbst das Gitarrenspielen beizubringen. Und das gar nicht mal schlecht. Irgendwann beschloss Shaver, seinem Leben eine neue Wendung zu geben und nach etwas zu suchen, das ihm Spaß machte und Geld einbrachte. Per Anhalter landete er in Nashville, wo er tatsächlich mit seinen inzwischen verfassten Songs einen Autorenvertrag bei einem Musikverlag ergatterte.

In Music City gab es seinerzeit sowohl unter den Autoren als auch unter den Sängern richtige „Typen“, die weder in das übliche Schema passten noch dort hinein wollten. Rasch nannte man sie „Outlaws“ Zu ihnen passte dieser Billy Joe Shaver, ihn nahm man gern in die eigenen reihen auf, obwohl er noch völlig unbekannt. Jetzt war er als Künstler auf dem richtigen Weg.

Wie schon erwähnt, erhielt er durch Bobby Bare nachhaltige Starthilfe. Sogar als Sänger war Shaver so interessant, dass ihn MGM unter vertrag nahm. Das von Bare und Willie Nelson produzierte Album blieb unbeachtet. Kein grund zu verzagen. 1973 veröffentlichte Monument das Album „Old Five And Dimers Like Me“ – da blitzte das Talent des Texaners Shaver so richtig auf. Mit dem großartigen Titelsong freilich feierte Tom T. Hall einen seiner größten und vor allem dauerhaftesten Hits. Auch wenn das breite Publikum mit den Alben des Billy Joe Shaver nicht euphorisch umging, er war jetzt angekommen in der Country Music. Wenn nicht als Hitsänger dann eben als Autor von Hit-Songs. Von Songs mit Tiefgang, Songs, die Geschichten erzählen wie man sie von anderen Autoren nicht hört. Das sprach sich rasch rum und so hatte er keine Probleme, viele seiner Songs an Kollegen abzugeben. Waylon Jennings wurde ein Stammkunde bei Shaver. Für sein klassisches Album „Honky Tonk Heroes“ wählte er fast ausschließlich Songs von Shaver aus.

Als Sänger stand ihm das Glück nicht unbedingt zur Seite, gleichwohl hat er bis heute mit schöner Regelmäßigkeit Alben produziert, auf denen er überwiegend eigene Songs verarbeitet.

Niemand kann aus seiner Haut. Für Shaver bedeutete dies, dass er in Nashville zur Legende wurde – jedoch nicht seiner Musik wegen. Wie drückte er es einmal selbst aus? „Es ist zwar traurig aber die meisten der Stories, die über mich kursieren, sind leider richtig. Eine Weile war es mir nämlich egal, was ich machte. Und wenn ich was machte, traf ich meist irgendein Fettnäpfchen. Es schien als ob ich immer zu rechten Zeit am falschen Ort war.“ Ob sein zweifelhafter Ruf damals seiner Akzeptanz als Songschreiber förderlich oder abträglich war, kann dahingestellt bleiben. Auf jeden Fall hatte er gute Freunde in der Hinterhand. Neben Bobby Bare und Johnny Cash vor allem Kristofferson, der Shaver´s „Good Christian Soldier“ aufnahm. Und natürlich Waylon Jennings

Was macht die Songs des Billy Joe Shaver so attraktiv, dass er als Autor weitaus erfolgreicher ist denn als Sänger? Aus seinen Liedern spricht eine Menge Lebensgeschichte. Und es sind die Worte, die er wählt, um damit gradlinig eine auf den Punkt gebrachte Geschichte zu erzählen. „Honky Tonk Heroes“, „Ain´t No God In Mexico“ oder „Been To Georgia On A Fast Train“ sind Szenen aus seinem eigenen, bisweilen so rauen und farbigen Dasein. Bevor er seinen ersten Trip nach Nashville unternahm, hatte er ein Leben mit harten Jobs, mit Kleinstadtkneipen und Herumtreiberei und vor allem mit leeren Taschen geführt. Shaver erzählte mir von einer Episode aus seiner Kindheit: „Mutter war ein Honky Tonk Girl, das den Unterhalt in einer Kneipe in Waco verdiente. Diese Szenerie lernte ich früh kennen. Großmutter förderte meine frühen kindlichen Instinkte für die Musik. Sie nahm mich mit in den General Store und fragte dort, ob sie wieder ein wenig Kredit haben könnte. Den bekam sie, wenn ich der Inhaberin etwas vorsang.“ Kurios wie er überhaupt zur Schreiberei gekommen ist: „Ich hörte Songs im Radio, verstand aber die Worte nicht alle. Dann habe ich die einfach selbst aufgefüllt. Mit Worten, die schlussendlich einen Sinn ergaben. Das führte dazu, dass ich irgendwann Lieder komplett selbst schrieb.“

Nachdem er soweit war und in Nashville Bobby Bare getroffen hatte, wusste er bald, dass dort seine Zukunft liegen würde. Wie es dazu kam, war ebenfalls wieder kurios. Shaver: „Ich muss Bobby wohl sehr leid getan haben. Er sagte, ich solle ihm doch mal ein Band schicken. Sein Gesicht hättest du sehen sollen als ich ihm erklärte, Bänder hätte ich keine. Meine Songs hätte ich alle im Kopf. Also liess er mich singen. Ehe ich mit dem ersten Song fertig war, legte er mir einen Vertrag für seinen Musikverlag vor die Nase. Ich bin Bobby ewig dankbar. Wie ein Vater sorgte er für mich. Erst besorgte er mir eine Bleibe, dann sorgte er dafür, dass meine Songs angeboten und aufgenommen wurden.“

Bobby Bare selbst griff natürlich auch zu und mit Shaver´s „Ride Me Down Easy“ landete er einen Hit. Für mich ist einer von Shaver´s besten Songs „I´m Just An Old Chunk Of Coal“, mit der er selbst aber vor allem auch John Anderson und Johnny Cash die Fans begeisterten. Über diesen Song erzählte mir Shaver: „Ich war damals wirklich voll im Drogen- und Alkoholsumpf, hatte seit zwei Jahren keinen Song mehr geschrieben. Vor den Toren der Stadt gibt es einen Ort, an dem Sklaven ein Loch in den Berg gehauen hatten, durch das Wasser hinab läuft. Mein Sohn hatte mich dorthin mitgenommen. Ein Pfad führt hinaus und es sieht aus als seien dort Altare. Eines Nachts ging ich dorthin, es war stockdunkel und ich hätte gut abstürzen können. Als ich dann oben an kam, wusste ich, ich hatte das Ende meiner Fahnenstange erreicht. Ich bin altmodisch, ich komme aus ländlichen, einfachen Verhältnissen. Ich bat Gott, mir zu helfen, ich wusste, ich war in miserabler, in bedauernswerter Verfassung. Ich sagte Gott, er solle mich zu sich zurück nehmen, wenn ich es nicht zu mehr bringen würde als bis dahin. Es war ein inneres, gedankliches Zwiegespräch. Auf dem Weg wieder herunter sang ich dieses Lied, ich sang, ich bin nur ein verrottetes Stück Kohle, werde aber eines Tages ein Diamant sein. Von da an änderte sich alles, ich nahm meine Familie, wir gingen nach Houston und ich hielt mich von all dem Teufelskram fern. Ich nahm mir Zeit und krempelte mein Leben völlig um. Erst dann gingen wir zurück nach Nashville und starteten einen Neubeginn dort. Es ist ein solch einfacher Song, für den ich den Lohn eigentlich nicht verdient habe. Ich habe oft den Kopf geschüttelt und mich gefragt, warum gerade ich ihn schreiben durfte. Ich hatte Glück damit und freue mich, dass er so vielen Menschen gefällt.“

Sein Licht braucht Shaver nicht unter den Scheffel zu stellen, denn seine Songs finden sich in vielen Versionen bei vielen Künstlern ganz unterschiedlicher Couleur. Allein Bobby Bare und Waylon Jennings haben mehr als ein dutzend seiner Lieder übernommen, Johnny Cash auch nicht viel weniger. Shaver Songs finden sich bei Künstlern von Dicky Betts bis Allison Krauss, den Songs of the Pioneers bis zu Keith Whitley und Bob Dylan, von George Jones über David Allen Coe bis zu Jerry Lee Lewis. Wenn Patty Loveless „When Fallen Angels Fly“ singt geht mir ebenso das Herz auf wie bei „Hill Country Love Song“ von Robin & Linda Williams.

Billy Joe Shaver´s Leben wurde aber auch von heftigen Schicksalsschlägen geprägt. 1999 starben kurz nacheinander seine Ehefrau Brenda und seine Mutter an Krebs. Ende 2000 verlor sein damals 38jähriger Sohn Eddy, der das musikalische Talent des Vaters geerbt hatte und in dessen Fußstapfen getreten war, sein Leben durch eine Überdosis Heroin. Sein teilweise exzessives eigenes Leben forderte 2002 beinahe kräftig Tribut als er mitten in einem Auftritt auf der Bühne der Gruene Hall in New Braunfels, Texas einen Herzanfall erlitt. Der Kunst der Ärzte verdankt Billy Joe Shaver sein Leben. Das auch weiterhin abseits der Musik für Schlagzeilen sorgt. Im Frühjahr 2007 verhaftete die Polizei von Lorena, Texas ihn. Vor der Kneipe „Papa Joe´s Texas Saloon war es zum Streit gekommen, in dessen Verlauf einen Mann angeschossen hatte. Zwar wurde Shaver gegen Kaution wieder frei gelassen, doch zog sich das verfahren drei Jahre hin. Erst im April 2010 wurde entschieden, dass Shaver in Notwehr gehandelt hatte. Ein für Shaver typisches Zitat auf die Frage, ob es sich bei dem Streit um Eifersucht gehandelt habe: „Ich kann mehr Frauen haben als ein Güterzug Personenzug transportiert, Eifersucht war mit Sicherheit nicht im Spiel!“

Auch heute schreibt Billy Joe Shaver weiter seine Songs und veröffentlicht alle paar Jahre wieder ein neues Album. „Lieder“, so sagt er „sind wie Kinder. Sie bleiben erst eine Weile im Inneren, wachsen dort und kommen dann ans Licht der Welt.“ Speziell für andere Künstler schreibt Shaver nur in Ausnahmefällen. „Ich lebe von meiner Erfahrung, von dem, was ich erlebt habe. Deshalb ist es für Andere oft schwer, daraus etwas zu machen. Es ist ein Kompliment, wenn sie meine Songs singen. Waylon war ein Seelenverwandter, sein Leben war in vielen Dingen meinem sehr ähnlich.

Einen Song, den er zu Ehren eines von ihm sehr geschätzten Kollegen schrieb, heißt „Willie The Wandering Gypsy And Me“, das es in völlig unterschiedlichen Versionen gibt. Ein Traum Shavers, der sich vielleicht irgendwann auch noch erfüllt ist, dass Willie Nelson ein komplettes Album mit Shaver Songs aufnimmt.

Hier noch einmal die Alben (ohne Greatest Hits & Best Of) von Billy Joe Shaver in chronologischer Folge:

1973 – Old Five And Dimers Like Me
1975 – When I Get My Wings
1976 – Gypsy Boy
1981 – I’m Just An Old Chunk Of Coal
1982 – Billy Joe Shaver
1987 – Salt Of The Earth
1993 – Tramp On Your Street
1995 – Unshaven
1995 – Restless Wind
1996 – Highway Of Life
1998 – Victory
1999 – Electric Shaver
2001 – Earth Rolls On
2002 – Live From Down Under (mit Kinky Friedman)
2002 – Freedom’s Child
2003 – Try And Try Again
2004 – Billy The Kid
2005 – A Tribute To Billy Joe Shaver
2005 – The Real Deal
2007 – The Storyteller: Live At The Bluebird
2007 – Everybody’s Brother

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