Big Railroad Man: Curtis Leach & Neal Jones
In der Country Music gibt es eine Kategorie von Songs, die völlig aus dem Rahmen fällt und die sich zeitweise größter Beliebtheit erfreute. Es gibt sogar Interpreten, die sich gerade mit derartigen Songs einen großen Namen machten. Man nennt sie „Recitations“ und es sind „Lieder“, die nicht gesungen sondern zu einer passenden Musik gesprochen werden. Country Music sei eine Musik, die in erster Linie Geschichten erzählt – worauf würde diese Beschreibung besser passen als auf Recitations. Ein meisterlicher Vertreter dieser Sparte war der unvergessene Red Sovine.
Wenn er in einem ansonsten lauten US-Militärclub seine Recitiations vortrug, konnte man eine Stecknadel fallen hören, obwohl doch eigentlich jeder diese Geschichten bereits kannte. Auch in Deutschland gibt es Künstler, die sich auf den Sprechgesang verstehen. Hermann Lammers Meyer hat sich als Experte erwiesen und auch Jonny Hill, der seit seinem Riesenerfolg mit „Teddy Bear“ weitere ähnliche Geschichten schrieb und erzählte. Ich werde bei anderer Gelegenheit einmal näher darauf eingehen. Im allgemeinen enthält eine klassische Recitation eine Lebensweisheit oder eine sentimentale, rührselige Story. Die Kunst besteht darin, sie so vorzutragen, dass sie glaubwürdig bleibt und nicht zur kitschigen Gefühlsduselei abrutscht.
An dieser Stelle soll ein weniger bekanntes amerikanisches Original beleuchtet werden, das ich zu einem der schönsten Beispiele für Recitations zähle; die Geschichte von dem Mann, der bei der Eisenbahn einen wichtigen Posten bekleidete. Ob es dafür einen wahren Hintergrund gibt, der die beiden Autoren zu dem Song veranlasste, ist mir nicht bekannt. Wahrscheinlich aber handelt es sich um eine frei erfundene Geschichte.
Beschrieben wird der 7. Geburtstag eine Kindes, bei dem ein wichtiger Stuhl leer bleibt, der des Vaters. Den hat der Knabe nie kennen gelernt. Seine Mutter erzählt ihm immer wieder, Daddy habe wenig Zeit, weil er ein wichtiger Mann bei der Eisenbahn sei. Inzwischen ist der Kleine alt genug, um seiner Neugier Befriedigung zu verschaffen. Er schleicht nachts durch das Fenster, um am Güterbahnhof nachzuschauen. Wie immer hat der Zug Verspätung, doch plötzlich steht ein riesiger Landstreicher vor ihm. Nachdem der Schnee von den Klamotten geschüttelt wurde, erkundigt er sich nach dem Namen der Stadt und dem Haus der Joneses. Er habe auch einmal hier gewohnt, deshalb wolle er die Joneses besuchen. Seiner Frau hätte er versprochen als er sie verließ, dass er als gemachter Mann zurückkehren werde.
Doch die einzigen Leute diesen Namens, die im Ort wohnen, sind der Knabe und seine Mutter sowie der Vater. Der sei, so schildert der junge Mann es dem Landstreicher, schon lange weg, weil er wichtige Dinge bei der Eisenbahn zu tun habe. Immerhin schickt er regelmäßig Geschenke und Mutter liest ihm die Briefe vor, die Daddy angeblich geschrieben hat. Im letzten der Briefe habe er versprochen, bald nach Hause zu kommen. Daraufhin wird der alte Landstreicher nachdenklich, denn er ist jener Vater. Er bedeutet dem Jungen, er habe sich wohl im Ort vertan und müsse mit dem nächsten Güterzug weiter. Der Junge möge rasch heimgehen und der Mama sagen, sie solle Daddy’s Zimmer herrichten, denn er habe ein ziemlich sicheres Gefühl, dass Daddy wirklich sehr bald nach Hause kommen werde.